Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Buch. Siebentes Capitel.

Ein Schlachttag ist in der Regel auch deshalb merk-
würdig, weil da die gesammten Momente der innern Ent-
wickelung zusammengreifen und sich gegen einander versu-
chen. Landgraf Philipp hatte die glücklichste Combination
der europäischen Verhältnisse, die geheime oder offene Zu-
stimmung von ganz Deutschland, die religiösen Sympathien
für sich. Ferdinand war auf sich allein angewiesen, ver-
focht nur ein zweifelhaftes Recht und unpopuläre Ideen,
er blieb in dem Lande das er besaß der Schwächere.

Dieser Schlachttag verdient nun aber auch seiner Fol-
gen wegen alle Aufmerksamkeit. Er entschied über das
Schicksal eines der wichtigsten deutschen Fürstenthümer.
Das Land fiel ohne weiteres den Siegern anheim. Her-
zog Ulrich erschien nach so langer Abwesenheit wieder; nach-
dem er den Tübinger Vertrag bestätigt hatte, huldigte ihm
die Bürgerschaft seiner Hauptstadt Stuttgart auf einer Wiese
an der Straße nach Canstadt; ihrem Beispiel folgten die
übrigen Städte und Aemter. Auch die Schlösser hielten
sich nicht für Ferdinand. Entweder waren die Befehlsha-
ber in ihrem Herzen dem zurückkehrenden Landesfürsten ge-
wogen, oder sie fürchteten für ihre Güter, die den Siegern
bereits in die Hände gefallen waren, oder sie wurden mit
Gewalt genöthigt. Auch der Asperg ergab sich am 8. Juni.

So ward Wirtemberg wieder wirtembergisch. Her-
zog Ulrich war von seinen Gegnern wohl mit dem Spott-
namen der Besenmacher belegt worden. Man scherzte jetzt
von der andern Seite, nun sey er gekommen, um die Spin-
neweben im Lande auszufegen. Mit Freuden sah man das
Jägerhorn wieder, nach dem man sich so lange gesehnt,

Sechstes Buch. Siebentes Capitel.

Ein Schlachttag iſt in der Regel auch deshalb merk-
würdig, weil da die geſammten Momente der innern Ent-
wickelung zuſammengreifen und ſich gegen einander verſu-
chen. Landgraf Philipp hatte die glücklichſte Combination
der europäiſchen Verhältniſſe, die geheime oder offene Zu-
ſtimmung von ganz Deutſchland, die religiöſen Sympathien
für ſich. Ferdinand war auf ſich allein angewieſen, ver-
focht nur ein zweifelhaftes Recht und unpopuläre Ideen,
er blieb in dem Lande das er beſaß der Schwächere.

Dieſer Schlachttag verdient nun aber auch ſeiner Fol-
gen wegen alle Aufmerkſamkeit. Er entſchied über das
Schickſal eines der wichtigſten deutſchen Fürſtenthümer.
Das Land fiel ohne weiteres den Siegern anheim. Her-
zog Ulrich erſchien nach ſo langer Abweſenheit wieder; nach-
dem er den Tübinger Vertrag beſtätigt hatte, huldigte ihm
die Bürgerſchaft ſeiner Hauptſtadt Stuttgart auf einer Wieſe
an der Straße nach Canſtadt; ihrem Beiſpiel folgten die
übrigen Städte und Aemter. Auch die Schlöſſer hielten
ſich nicht für Ferdinand. Entweder waren die Befehlsha-
ber in ihrem Herzen dem zurückkehrenden Landesfürſten ge-
wogen, oder ſie fürchteten für ihre Güter, die den Siegern
bereits in die Hände gefallen waren, oder ſie wurden mit
Gewalt genöthigt. Auch der Asperg ergab ſich am 8. Juni.

So ward Wirtemberg wieder wirtembergiſch. Her-
zog Ulrich war von ſeinen Gegnern wohl mit dem Spott-
namen der Beſenmacher belegt worden. Man ſcherzte jetzt
von der andern Seite, nun ſey er gekommen, um die Spin-
neweben im Lande auszufegen. Mit Freuden ſah man das
Jägerhorn wieder, nach dem man ſich ſo lange geſehnt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0478" n="462"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Ein Schlachttag i&#x017F;t in der Regel auch deshalb merk-<lb/>
würdig, weil da die ge&#x017F;ammten Momente der innern Ent-<lb/>
wickelung zu&#x017F;ammengreifen und &#x017F;ich gegen einander ver&#x017F;u-<lb/>
chen. Landgraf Philipp hatte die glücklich&#x017F;te Combination<lb/>
der europäi&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;e, die geheime oder offene Zu-<lb/>
&#x017F;timmung von ganz Deut&#x017F;chland, die religiö&#x017F;en Sympathien<lb/>
für &#x017F;ich. Ferdinand war auf &#x017F;ich allein angewie&#x017F;en, ver-<lb/>
focht nur ein zweifelhaftes Recht und unpopuläre Ideen,<lb/>
er blieb in dem Lande das er be&#x017F;aß der Schwächere.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Schlachttag verdient nun aber auch &#x017F;einer Fol-<lb/>
gen wegen alle Aufmerk&#x017F;amkeit. Er ent&#x017F;chied über das<lb/>
Schick&#x017F;al eines der wichtig&#x017F;ten deut&#x017F;chen Für&#x017F;tenthümer.<lb/>
Das Land fiel ohne weiteres den Siegern anheim. Her-<lb/>
zog Ulrich er&#x017F;chien nach &#x017F;o langer Abwe&#x017F;enheit wieder; nach-<lb/>
dem er den Tübinger Vertrag be&#x017F;tätigt hatte, huldigte ihm<lb/>
die Bürger&#x017F;chaft &#x017F;einer Haupt&#x017F;tadt Stuttgart auf einer Wie&#x017F;e<lb/>
an der Straße nach Can&#x017F;tadt; ihrem Bei&#x017F;piel folgten die<lb/>
übrigen Städte und Aemter. Auch die Schlö&#x017F;&#x017F;er hielten<lb/>
&#x017F;ich nicht für Ferdinand. Entweder waren die Befehlsha-<lb/>
ber in ihrem Herzen dem zurückkehrenden Landesfür&#x017F;ten ge-<lb/>
wogen, oder &#x017F;ie fürchteten für ihre Güter, die den Siegern<lb/>
bereits in die Hände gefallen waren, oder &#x017F;ie wurden mit<lb/>
Gewalt genöthigt. Auch der Asperg ergab &#x017F;ich am 8. Juni.</p><lb/>
          <p>So ward Wirtemberg wieder wirtembergi&#x017F;ch. Her-<lb/>
zog Ulrich war von &#x017F;einen Gegnern wohl mit dem Spott-<lb/>
namen der Be&#x017F;enmacher belegt worden. Man &#x017F;cherzte jetzt<lb/>
von der andern Seite, nun &#x017F;ey er gekommen, um die Spin-<lb/>
neweben im Lande auszufegen. Mit Freuden &#x017F;ah man das<lb/>
Jägerhorn wieder, nach dem man &#x017F;ich &#x017F;o lange ge&#x017F;ehnt,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0478] Sechstes Buch. Siebentes Capitel. Ein Schlachttag iſt in der Regel auch deshalb merk- würdig, weil da die geſammten Momente der innern Ent- wickelung zuſammengreifen und ſich gegen einander verſu- chen. Landgraf Philipp hatte die glücklichſte Combination der europäiſchen Verhältniſſe, die geheime oder offene Zu- ſtimmung von ganz Deutſchland, die religiöſen Sympathien für ſich. Ferdinand war auf ſich allein angewieſen, ver- focht nur ein zweifelhaftes Recht und unpopuläre Ideen, er blieb in dem Lande das er beſaß der Schwächere. Dieſer Schlachttag verdient nun aber auch ſeiner Fol- gen wegen alle Aufmerkſamkeit. Er entſchied über das Schickſal eines der wichtigſten deutſchen Fürſtenthümer. Das Land fiel ohne weiteres den Siegern anheim. Her- zog Ulrich erſchien nach ſo langer Abweſenheit wieder; nach- dem er den Tübinger Vertrag beſtätigt hatte, huldigte ihm die Bürgerſchaft ſeiner Hauptſtadt Stuttgart auf einer Wieſe an der Straße nach Canſtadt; ihrem Beiſpiel folgten die übrigen Städte und Aemter. Auch die Schlöſſer hielten ſich nicht für Ferdinand. Entweder waren die Befehlsha- ber in ihrem Herzen dem zurückkehrenden Landesfürſten ge- wogen, oder ſie fürchteten für ihre Güter, die den Siegern bereits in die Hände gefallen waren, oder ſie wurden mit Gewalt genöthigt. Auch der Asperg ergab ſich am 8. Juni. So ward Wirtemberg wieder wirtembergiſch. Her- zog Ulrich war von ſeinen Gegnern wohl mit dem Spott- namen der Beſenmacher belegt worden. Man ſcherzte jetzt von der andern Seite, nun ſey er gekommen, um die Spin- neweben im Lande auszufegen. Mit Freuden ſah man das Jägerhorn wieder, nach dem man ſich ſo lange geſehnt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/478
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/478>, abgerufen am 24.11.2024.