Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Sechstes Buch. Siebentes Capitel. König eine bedeutende Subsidie zu gewähren, so sey esbesser ihm gar keine zu bewilligen. Zum Verdruß der Ge- sandten war die Nachricht eingelaufen, daß der Landgraf bei seinem Eintritt ins Land nichts gegen die Kirchen thue. Der Papst erklärte hierauf, die Sache sey ein Privatkrieg, auf den er sich nicht einlassen wolle; sollten aber die Feinde die Kirche beleidigen, dann werde er daran denken, Hülfsgel- der zu zahlen. Der Gesandte bemerkte mit aller Lebhaftig- keit, die seine Ehrerbietung gestattete, wie viel an der Sache liege, wie theuer sie dem römischen Stuhle zu stehen kom- men könne, ja selbst der Stadt Rom und ganz Italien. Aber auch der Papst ward lebhaft, und beinahe zornig; er fragte, wo denn der Kaiser sey, warum er nicht Für- sorge getragen; er der Papst habe ihn ja längst schon auf die Bewegung, die von dem Landgrafen zu erwarten sey, aufmerksam gemacht. 1 Genug der Papst war zu keiner 1 Bericht des kön. Gesandten Sanchez an Ferdinand 15. Juni
1534 (Juli ist wohl ein Schreibfehler) bei Bucholz IX 247. Wo- bei mir nur auffallend ist, daß Bucholz damit meine Annahme, der Papst habe um die Waffenerhebung des Landgrafen im Voraus ge- wußt, zu widerlegen meint. Er hat alles, was der Papst dem Nun- tius zu seiner Beruhigung Freundliches sagte, unterstrichen, gleich als ob das Mindeste darauf ankomme, und nicht vielmehr der Historiker nur nach dem Verfahren zu urtheilen habe. Jener Sanchez war aber in der That nicht so devot, wie unser Bucholz. Er erzählt sei- nem Herrn den Verlauf der Dinge, ut melius Ms Vra istorum men- tes et cogitationes intelligat, quibus technis parent isti rem lon- gius differre. Er hat Verdacht: Suborta mihi fuit suspectio, Stem S. non satis efficaci fervore procedere; er geräth über die Ausflüchte, die man macht in Zorn: dolore et indignatione ac- census replicui, cum tamen reverentia debita und überzeugt sich am Ende, daß nichts geschehen werde opinor Papam daturum no- bis bona verba. Wenn ich übrigens hiebei noch eine Vermuthung wagen darf, so wäre es die, daß König Franz wirklich dem Papst das Wort gegeben hätte, daß die Unternehmung des Landgrafen keine kirch- Sechstes Buch. Siebentes Capitel. König eine bedeutende Subſidie zu gewähren, ſo ſey esbeſſer ihm gar keine zu bewilligen. Zum Verdruß der Ge- ſandten war die Nachricht eingelaufen, daß der Landgraf bei ſeinem Eintritt ins Land nichts gegen die Kirchen thue. Der Papſt erklärte hierauf, die Sache ſey ein Privatkrieg, auf den er ſich nicht einlaſſen wolle; ſollten aber die Feinde die Kirche beleidigen, dann werde er daran denken, Hülfsgel- der zu zahlen. Der Geſandte bemerkte mit aller Lebhaftig- keit, die ſeine Ehrerbietung geſtattete, wie viel an der Sache liege, wie theuer ſie dem römiſchen Stuhle zu ſtehen kom- men könne, ja ſelbſt der Stadt Rom und ganz Italien. Aber auch der Papſt ward lebhaft, und beinahe zornig; er fragte, wo denn der Kaiſer ſey, warum er nicht Für- ſorge getragen; er der Papſt habe ihn ja längſt ſchon auf die Bewegung, die von dem Landgrafen zu erwarten ſey, aufmerkſam gemacht. 1 Genug der Papſt war zu keiner 1 Bericht des koͤn. Geſandten Sanchez an Ferdinand 15. Juni
1534 (Juli iſt wohl ein Schreibfehler) bei Bucholz IX 247. Wo- bei mir nur auffallend iſt, daß Bucholz damit meine Annahme, der Papſt habe um die Waffenerhebung des Landgrafen im Voraus ge- wußt, zu widerlegen meint. Er hat alles, was der Papſt dem Nun- tius zu ſeiner Beruhigung Freundliches ſagte, unterſtrichen, gleich als ob das Mindeſte darauf ankomme, und nicht vielmehr der Hiſtoriker nur nach dem Verfahren zu urtheilen habe. Jener Sanchez war aber in der That nicht ſo devot, wie unſer Bucholz. Er erzaͤhlt ſei- nem Herrn den Verlauf der Dinge, ut melius Ms Vra istorum men- tes et cogitationes intelligat, quibus technis parent isti rem lon- gius differre. Er hat Verdacht: Suborta mihi fuit suspectio, Stem S. non satis efficaci fervore procedere; er geraͤth uͤber die Ausfluͤchte, die man macht in Zorn: dolore et indignatione ac- census replicui, cum tamen reverentia debita und uͤberzeugt ſich am Ende, daß nichts geſchehen werde opinor Papam daturum no- bis bona verba. Wenn ich uͤbrigens hiebei noch eine Vermuthung wagen darf, ſo waͤre es die, daß Koͤnig Franz wirklich dem Papſt das Wort gegeben haͤtte, daß die Unternehmung des Landgrafen keine kirch- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0480" n="464"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/> König eine bedeutende Subſidie zu gewähren, ſo ſey es<lb/> beſſer ihm gar keine zu bewilligen. Zum Verdruß der Ge-<lb/> ſandten war die Nachricht eingelaufen, daß der Landgraf<lb/> bei ſeinem Eintritt ins Land nichts gegen die Kirchen thue.<lb/> Der Papſt erklärte hierauf, die Sache ſey ein Privatkrieg, auf<lb/> den er ſich nicht einlaſſen wolle; ſollten aber die Feinde die<lb/> Kirche beleidigen, dann werde er daran denken, Hülfsgel-<lb/> der zu zahlen. Der Geſandte bemerkte mit aller Lebhaftig-<lb/> keit, die ſeine Ehrerbietung geſtattete, wie viel an der Sache<lb/> liege, wie theuer ſie dem römiſchen Stuhle zu ſtehen kom-<lb/> men könne, ja ſelbſt der Stadt Rom und ganz Italien.<lb/> Aber auch der Papſt ward lebhaft, und beinahe zornig;<lb/> er fragte, wo denn der Kaiſer ſey, warum er nicht Für-<lb/> ſorge getragen; er der Papſt habe ihn ja längſt ſchon auf<lb/> die Bewegung, die von dem Landgrafen zu erwarten ſey,<lb/> aufmerkſam gemacht. <note xml:id="seg2pn_34_1" next="#seg2pn_34_2" place="foot" n="1">Bericht des koͤn. Geſandten Sanchez an Ferdinand 15. Juni<lb/> 1534 (Juli iſt wohl ein Schreibfehler) bei Bucholz <hi rendition="#aq">IX</hi> 247. Wo-<lb/> bei mir nur auffallend iſt, daß Bucholz damit meine Annahme, der<lb/> Papſt habe um die Waffenerhebung des Landgrafen im Voraus ge-<lb/> wußt, zu widerlegen meint. Er hat alles, was der Papſt dem Nun-<lb/> tius zu ſeiner Beruhigung Freundliches ſagte, unterſtrichen, gleich als<lb/> ob das Mindeſte darauf ankomme, und nicht vielmehr der Hiſtoriker<lb/> nur nach dem Verfahren zu urtheilen habe. Jener Sanchez war<lb/> aber in der That nicht ſo devot, wie unſer Bucholz. Er erzaͤhlt ſei-<lb/> nem Herrn den Verlauf der Dinge, <hi rendition="#aq">ut melius Ms Vra istorum men-<lb/> tes et cogitationes intelligat, quibus technis parent isti rem lon-<lb/> gius differre.</hi> Er hat Verdacht: <hi rendition="#aq">Suborta mihi fuit suspectio,<lb/> Stem S. non satis efficaci fervore procedere;</hi> er geraͤth uͤber<lb/> die Ausfluͤchte, die man macht in Zorn: <hi rendition="#aq">dolore et indignatione ac-<lb/> census replicui, cum tamen reverentia debita</hi> und uͤberzeugt ſich<lb/> am Ende, daß nichts geſchehen werde <hi rendition="#aq">opinor Papam daturum no-<lb/> bis bona verba.</hi> Wenn ich uͤbrigens hiebei noch eine Vermuthung<lb/> wagen darf, ſo waͤre es die, daß Koͤnig Franz wirklich dem Papſt das<lb/> Wort gegeben haͤtte, daß die Unternehmung des Landgrafen keine kirch-</note> Genug der Papſt war zu keiner<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [464/0480]
Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
König eine bedeutende Subſidie zu gewähren, ſo ſey es
beſſer ihm gar keine zu bewilligen. Zum Verdruß der Ge-
ſandten war die Nachricht eingelaufen, daß der Landgraf
bei ſeinem Eintritt ins Land nichts gegen die Kirchen thue.
Der Papſt erklärte hierauf, die Sache ſey ein Privatkrieg, auf
den er ſich nicht einlaſſen wolle; ſollten aber die Feinde die
Kirche beleidigen, dann werde er daran denken, Hülfsgel-
der zu zahlen. Der Geſandte bemerkte mit aller Lebhaftig-
keit, die ſeine Ehrerbietung geſtattete, wie viel an der Sache
liege, wie theuer ſie dem römiſchen Stuhle zu ſtehen kom-
men könne, ja ſelbſt der Stadt Rom und ganz Italien.
Aber auch der Papſt ward lebhaft, und beinahe zornig;
er fragte, wo denn der Kaiſer ſey, warum er nicht Für-
ſorge getragen; er der Papſt habe ihn ja längſt ſchon auf
die Bewegung, die von dem Landgrafen zu erwarten ſey,
aufmerkſam gemacht. 1 Genug der Papſt war zu keiner
1 Bericht des koͤn. Geſandten Sanchez an Ferdinand 15. Juni
1534 (Juli iſt wohl ein Schreibfehler) bei Bucholz IX 247. Wo-
bei mir nur auffallend iſt, daß Bucholz damit meine Annahme, der
Papſt habe um die Waffenerhebung des Landgrafen im Voraus ge-
wußt, zu widerlegen meint. Er hat alles, was der Papſt dem Nun-
tius zu ſeiner Beruhigung Freundliches ſagte, unterſtrichen, gleich als
ob das Mindeſte darauf ankomme, und nicht vielmehr der Hiſtoriker
nur nach dem Verfahren zu urtheilen habe. Jener Sanchez war
aber in der That nicht ſo devot, wie unſer Bucholz. Er erzaͤhlt ſei-
nem Herrn den Verlauf der Dinge, ut melius Ms Vra istorum men-
tes et cogitationes intelligat, quibus technis parent isti rem lon-
gius differre. Er hat Verdacht: Suborta mihi fuit suspectio,
Stem S. non satis efficaci fervore procedere; er geraͤth uͤber
die Ausfluͤchte, die man macht in Zorn: dolore et indignatione ac-
census replicui, cum tamen reverentia debita und uͤberzeugt ſich
am Ende, daß nichts geſchehen werde opinor Papam daturum no-
bis bona verba. Wenn ich uͤbrigens hiebei noch eine Vermuthung
wagen darf, ſo waͤre es die, daß Koͤnig Franz wirklich dem Papſt das
Wort gegeben haͤtte, daß die Unternehmung des Landgrafen keine kirch-
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