nicht durchdringen. Die Weltlichen wollten sich diesem Zwang nicht wieder unterwerfen. Bei der Publication der Kirchenordnung ward der Paragraph weggelassen, der davon handelt. 1
War man doch in Wittenberg selbst nicht dafür! Lu- ther fand, 2 zu dem öffentlichen Bann werde eine vorherge- hende Untersuchung, und hernach allgemeine Meidung des Gebannten gehören; jenes lasse sich nicht wohl ein- richten, dieses werde namentlich in großen Städten Ver- wirrungen veranlassen. Er sah wohl ein, daß die Reli- gion nicht dazu da ist durch irgend eine eigene Zwangs- anstalt äußere Ordnung zu handhaben, was ja eben in das Gebiet des Staates gehört. Die Kirche in Witten- berg begnügte sich, öffentlichen Frevlern das Sacrament zu versagen, doch ohne daß dadurch die bürgerliche Ge- meinschaft gehindert wurde. In der Predigt verdammte man die Laster und ermahnte die Obrigkeit sie nicht zu dulden.
Weiter kam man auch anderwärts nicht. In Stras- burg ward im Jahre 1533 eine Provincialsynode einge- richtet, welche aber neben den geistlichen auch mehrere weltliche Elemente in sich einschloß, eine Commission des Rathes die sogar den Vorsitz führte, die Pfleger der Stadt- kirchen, die Doctoren der freien Künste und Lehrer. In den Artikeln, welche sie annahm, ward vor allen der Ob-
1 Bedenken der markgräfischen Theologen über die Kirchenord- nung bei Strobcl Miscellaneen II, p. 148. Noch 1741 wagte es der gute Hausmann nicht, über diese Sache zu sagen was er doch wußte. Hausmann bei Spengler p. 55, 297.
2 Bedenken bei D. W. IV, p. 389.
Sechstes Buch. Achtes Capitel.
nicht durchdringen. Die Weltlichen wollten ſich dieſem Zwang nicht wieder unterwerfen. Bei der Publication der Kirchenordnung ward der Paragraph weggelaſſen, der davon handelt. 1
War man doch in Wittenberg ſelbſt nicht dafür! Lu- ther fand, 2 zu dem öffentlichen Bann werde eine vorherge- hende Unterſuchung, und hernach allgemeine Meidung des Gebannten gehören; jenes laſſe ſich nicht wohl ein- richten, dieſes werde namentlich in großen Städten Ver- wirrungen veranlaſſen. Er ſah wohl ein, daß die Reli- gion nicht dazu da iſt durch irgend eine eigene Zwangs- anſtalt äußere Ordnung zu handhaben, was ja eben in das Gebiet des Staates gehört. Die Kirche in Witten- berg begnügte ſich, öffentlichen Frevlern das Sacrament zu verſagen, doch ohne daß dadurch die bürgerliche Ge- meinſchaft gehindert wurde. In der Predigt verdammte man die Laſter und ermahnte die Obrigkeit ſie nicht zu dulden.
Weiter kam man auch anderwärts nicht. In Stras- burg ward im Jahre 1533 eine Provincialſynode einge- richtet, welche aber neben den geiſtlichen auch mehrere weltliche Elemente in ſich einſchloß, eine Commiſſion des Rathes die ſogar den Vorſitz führte, die Pfleger der Stadt- kirchen, die Doctoren der freien Künſte und Lehrer. In den Artikeln, welche ſie annahm, ward vor allen der Ob-
1 Bedenken der markgraͤfiſchen Theologen uͤber die Kirchenord- nung bei Strobcl Miscellaneen II, p. 148. Noch 1741 wagte es der gute Hausmann nicht, uͤber dieſe Sache zu ſagen was er doch wußte. Hausmann bei Spengler p. 55, 297.
2 Bedenken bei D. W. IV, p. 389.
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Sechstes Buch. Achtes Capitel.
nicht durchdringen. Die Weltlichen wollten ſich dieſem
Zwang nicht wieder unterwerfen. Bei der Publication
der Kirchenordnung ward der Paragraph weggelaſſen, der
davon handelt. 1
War man doch in Wittenberg ſelbſt nicht dafür! Lu-
ther fand, 2 zu dem öffentlichen Bann werde eine vorherge-
hende Unterſuchung, und hernach allgemeine Meidung
des Gebannten gehören; jenes laſſe ſich nicht wohl ein-
richten, dieſes werde namentlich in großen Städten Ver-
wirrungen veranlaſſen. Er ſah wohl ein, daß die Reli-
gion nicht dazu da iſt durch irgend eine eigene Zwangs-
anſtalt äußere Ordnung zu handhaben, was ja eben in
das Gebiet des Staates gehört. Die Kirche in Witten-
berg begnügte ſich, öffentlichen Frevlern das Sacrament
zu verſagen, doch ohne daß dadurch die bürgerliche Ge-
meinſchaft gehindert wurde. In der Predigt verdammte
man die Laſter und ermahnte die Obrigkeit ſie nicht zu
dulden.
Weiter kam man auch anderwärts nicht. In Stras-
burg ward im Jahre 1533 eine Provincialſynode einge-
richtet, welche aber neben den geiſtlichen auch mehrere
weltliche Elemente in ſich einſchloß, eine Commiſſion des
Rathes die ſogar den Vorſitz führte, die Pfleger der Stadt-
kirchen, die Doctoren der freien Künſte und Lehrer. In
den Artikeln, welche ſie annahm, ward vor allen der Ob-
1 Bedenken der markgraͤfiſchen Theologen uͤber die Kirchenord-
nung bei Strobcl Miscellaneen II, p. 148. Noch 1741 wagte es der
gute Hausmann nicht, uͤber dieſe Sache zu ſagen was er doch wußte.
Hausmann bei Spengler p. 55, 297.
2 Bedenken bei D. W. IV, p. 389.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/490>, abgerufen am 24.11.2024.
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