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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Viertes Capitel.
schen Protestanten brach, alsdann aber der König von Frank-
reich
seine Versprechungen nicht erfüllte, und von der andern
Seite die Osmanen zu einem Angriff schritten?

Zu diesen allgemeinen Befürchtungen aber kamen noch
andre von besonders dringender Natur, die in den Verhält-
nissen von Cleve und Geldern ihren Grund hatten.

Werfen wir einen Blick auf diese Sache, in der sich
in diesem Momente die Bewegungen der europäischen Poli-
tik begegneten.

Den Herzog Carl von Geldern hatte das Haus Bur-
gund
immer als Usurpator betrachtet, und nur bestehn las-
sen, weil es mußte, aber dabei niemals aufgehört die Er-
werbung des Landes bei seinem Tod mit Bestimmtheit ins
Auge zu fassen. Dagegen hielt auch Herzog Carl seinerseits
die Feindseligkeit mit Bewußtseyn fest. In dem Saale sei-
nes Pallastes zu Arnheim las man an jedem Balken die
Worte: "Verachtung macht den Guelfen zum Gibellinen:"
denn hauptsächlich von der schlechten Behandlung der kai-
serlichen Minister leitete er seine Feindschaft her; er suchte
sein Land an die Feinde von Östreich zu bringen. Im
Jahr 1534 übertrug er es durch förmliche Donation auf
den König von Frankreich, der ihm dagegen den lebens-
länglichen Nießbrauch zugestand; 1 und bald darauf erschien
wirklich ein französischer Abgeordneter, dem die Militärbe-
fehlshaber in sämmtlichen festen Plätzen einen Eidschwur lei-
steten. Hiemit war jedoch die Landschaft keinesweges ein-
verstanden. Die kriegerischen Hausleute des Herzogs, eine

1 Articuli inter regem Franciae et Carolum ducem Geldriae
4ta mensis Octobris.

Siebentes Buch. Viertes Capitel.
ſchen Proteſtanten brach, alsdann aber der König von Frank-
reich
ſeine Verſprechungen nicht erfüllte, und von der andern
Seite die Osmanen zu einem Angriff ſchritten?

Zu dieſen allgemeinen Befürchtungen aber kamen noch
andre von beſonders dringender Natur, die in den Verhält-
niſſen von Cleve und Geldern ihren Grund hatten.

Werfen wir einen Blick auf dieſe Sache, in der ſich
in dieſem Momente die Bewegungen der europäiſchen Poli-
tik begegneten.

Den Herzog Carl von Geldern hatte das Haus Bur-
gund
immer als Uſurpator betrachtet, und nur beſtehn laſ-
ſen, weil es mußte, aber dabei niemals aufgehört die Er-
werbung des Landes bei ſeinem Tod mit Beſtimmtheit ins
Auge zu faſſen. Dagegen hielt auch Herzog Carl ſeinerſeits
die Feindſeligkeit mit Bewußtſeyn feſt. In dem Saale ſei-
nes Pallaſtes zu Arnheim las man an jedem Balken die
Worte: „Verachtung macht den Guelfen zum Gibellinen:“
denn hauptſächlich von der ſchlechten Behandlung der kai-
ſerlichen Miniſter leitete er ſeine Feindſchaft her; er ſuchte
ſein Land an die Feinde von Öſtreich zu bringen. Im
Jahr 1534 übertrug er es durch förmliche Donation auf
den König von Frankreich, der ihm dagegen den lebens-
länglichen Nießbrauch zugeſtand; 1 und bald darauf erſchien
wirklich ein franzöſiſcher Abgeordneter, dem die Militärbe-
fehlshaber in ſämmtlichen feſten Plätzen einen Eidſchwur lei-
ſteten. Hiemit war jedoch die Landſchaft keinesweges ein-
verſtanden. Die kriegeriſchen Hausleute des Herzogs, eine

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[178/0190] Siebentes Buch. Viertes Capitel. ſchen Proteſtanten brach, alsdann aber der König von Frank- reich ſeine Verſprechungen nicht erfüllte, und von der andern Seite die Osmanen zu einem Angriff ſchritten? Zu dieſen allgemeinen Befürchtungen aber kamen noch andre von beſonders dringender Natur, die in den Verhält- niſſen von Cleve und Geldern ihren Grund hatten. Werfen wir einen Blick auf dieſe Sache, in der ſich in dieſem Momente die Bewegungen der europäiſchen Poli- tik begegneten. Den Herzog Carl von Geldern hatte das Haus Bur- gund immer als Uſurpator betrachtet, und nur beſtehn laſ- ſen, weil es mußte, aber dabei niemals aufgehört die Er- werbung des Landes bei ſeinem Tod mit Beſtimmtheit ins Auge zu faſſen. Dagegen hielt auch Herzog Carl ſeinerſeits die Feindſeligkeit mit Bewußtſeyn feſt. In dem Saale ſei- nes Pallaſtes zu Arnheim las man an jedem Balken die Worte: „Verachtung macht den Guelfen zum Gibellinen:“ denn hauptſächlich von der ſchlechten Behandlung der kai- ſerlichen Miniſter leitete er ſeine Feindſchaft her; er ſuchte ſein Land an die Feinde von Öſtreich zu bringen. Im Jahr 1534 übertrug er es durch förmliche Donation auf den König von Frankreich, der ihm dagegen den lebens- länglichen Nießbrauch zugeſtand; 1 und bald darauf erſchien wirklich ein franzöſiſcher Abgeordneter, dem die Militärbe- fehlshaber in ſämmtlichen feſten Plätzen einen Eidſchwur lei- ſteten. Hiemit war jedoch die Landſchaft keinesweges ein- verſtanden. Die kriegeriſchen Hausleute des Herzogs, eine 1 Articuli inter regem Franciae et Carolum ducem Geldriae 4ta mensis Octobris.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/190>, abgerufen am 24.11.2024.