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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
fürst zeigte sich täglich entschiedener. Butzer predigte in Bonn,
Sarcerius in Andernach: das Abendmahl ward unter bei-
derlei Gestalt ausgetheilt: den Priestern ward die Ehe gestat-
tet: der katechetische Unterricht andrer evangelischer Länder
ward auf den Niederrhein übertragen; da Churfürst Her-
mann
zugleich als Erzbischof und als Landesfürst handelte,
so glaubte man an dem Erfolg nicht zweifeln zu dürfen.

In diesem Verhältniß lagen doch aber auch wieder Mo-
mente die den Widerspruch hervorriefen. Hauptsächlich in
dem Rathe der Stadt und in dem Capitel hatte derselbe
seinen Sitz.

Was den Rath der Stadt Cölln bisher vermocht hatte
sich allen Bestrebungen der Neuerung zu widersetzen, war des
Beispiel so vieler andern Städte, wo die reformatorische Be-
wegung zugleich die alten Verfassungen modificirte oder um-
stürzte. Er hatte sofort die strengste Aufsicht angeordnet, um
jeder Regung zuvorzukommen. In den Protocollen der Stadt
findet sich, wie alle Rathmannen verpflichtet werden denjeni-
gen anzugeben, von dem sie hören daß er sich zu dem lu-
therischen Handel neige; die Thormeister sollen einen Jeden
anhalten, der von auswärts kommend sich durch irgend eine
Äußerung verdächtig mache; die Stimmeister werden beauf-
tragt, mit Leuten dieser Art nach Gebühr zu verfahren. Wir
finden ferner, daß sich alle diese städtischen Behörden, Bür-
germeister, Rentmeister, Stimmeister, Wegemeister, zusam-
men in das Augustinerkloster begeben, ohne der kirchlichen
Immunität zu achten, um den Predigten ein Ende zu ma-
chen, die ein Mitglied desselben in Luthers Sinne zu halten
angefangen. Damit waren sie auch zu ihrem Zwecke ge-

Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
fürſt zeigte ſich täglich entſchiedener. Butzer predigte in Bonn,
Sarcerius in Andernach: das Abendmahl ward unter bei-
derlei Geſtalt ausgetheilt: den Prieſtern ward die Ehe geſtat-
tet: der katechetiſche Unterricht andrer evangeliſcher Länder
ward auf den Niederrhein übertragen; da Churfürſt Her-
mann
zugleich als Erzbiſchof und als Landesfürſt handelte,
ſo glaubte man an dem Erfolg nicht zweifeln zu dürfen.

In dieſem Verhältniß lagen doch aber auch wieder Mo-
mente die den Widerſpruch hervorriefen. Hauptſächlich in
dem Rathe der Stadt und in dem Capitel hatte derſelbe
ſeinen Sitz.

Was den Rath der Stadt Cölln bisher vermocht hatte
ſich allen Beſtrebungen der Neuerung zu widerſetzen, war des
Beiſpiel ſo vieler andern Städte, wo die reformatoriſche Be-
wegung zugleich die alten Verfaſſungen modificirte oder um-
ſtürzte. Er hatte ſofort die ſtrengſte Aufſicht angeordnet, um
jeder Regung zuvorzukommen. In den Protocollen der Stadt
findet ſich, wie alle Rathmannen verpflichtet werden denjeni-
gen anzugeben, von dem ſie hören daß er ſich zu dem lu-
theriſchen Handel neige; die Thormeiſter ſollen einen Jeden
anhalten, der von auswärts kommend ſich durch irgend eine
Äußerung verdächtig mache; die Stimmeiſter werden beauf-
tragt, mit Leuten dieſer Art nach Gebühr zu verfahren. Wir
finden ferner, daß ſich alle dieſe ſtädtiſchen Behörden, Bür-
germeiſter, Rentmeiſter, Stimmeiſter, Wegemeiſter, zuſam-
men in das Auguſtinerkloſter begeben, ohne der kirchlichen
Immunität zu achten, um den Predigten ein Ende zu ma-
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angefangen. Damit waren ſie auch zu ihrem Zwecke ge-

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[334/0346] Siebentes Buch. Neuntes Capitel. fürſt zeigte ſich täglich entſchiedener. Butzer predigte in Bonn, Sarcerius in Andernach: das Abendmahl ward unter bei- derlei Geſtalt ausgetheilt: den Prieſtern ward die Ehe geſtat- tet: der katechetiſche Unterricht andrer evangeliſcher Länder ward auf den Niederrhein übertragen; da Churfürſt Her- mann zugleich als Erzbiſchof und als Landesfürſt handelte, ſo glaubte man an dem Erfolg nicht zweifeln zu dürfen. In dieſem Verhältniß lagen doch aber auch wieder Mo- mente die den Widerſpruch hervorriefen. Hauptſächlich in dem Rathe der Stadt und in dem Capitel hatte derſelbe ſeinen Sitz. Was den Rath der Stadt Cölln bisher vermocht hatte ſich allen Beſtrebungen der Neuerung zu widerſetzen, war des Beiſpiel ſo vieler andern Städte, wo die reformatoriſche Be- wegung zugleich die alten Verfaſſungen modificirte oder um- ſtürzte. Er hatte ſofort die ſtrengſte Aufſicht angeordnet, um jeder Regung zuvorzukommen. In den Protocollen der Stadt findet ſich, wie alle Rathmannen verpflichtet werden denjeni- gen anzugeben, von dem ſie hören daß er ſich zu dem lu- theriſchen Handel neige; die Thormeiſter ſollen einen Jeden anhalten, der von auswärts kommend ſich durch irgend eine Äußerung verdächtig mache; die Stimmeiſter werden beauf- tragt, mit Leuten dieſer Art nach Gebühr zu verfahren. Wir finden ferner, daß ſich alle dieſe ſtädtiſchen Behörden, Bür- germeiſter, Rentmeiſter, Stimmeiſter, Wegemeiſter, zuſam- men in das Auguſtinerkloſter begeben, ohne der kirchlichen Immunität zu achten, um den Predigten ein Ende zu ma- chen, die ein Mitglied deſſelben in Luthers Sinne zu halten angefangen. Damit waren ſie auch zu ihrem Zwecke ge-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/346>, abgerufen am 22.11.2024.