Die kaiserlichen Räthe, ausdrücklich beauftragt wohl zu überlegen was sich wahrscheinlicherweise bei den Ständen erreichen lasse, kamen mit König Ferdinand überein, die Rück- sichten auf die Protestanten und auf die Altgläubigen, auf die frühere Abrede und auf das Concilium durch den Vor- schlag zu vereinigen, daß die Berathung über die Reforma- tionsentwürfe fürs Erste ausgesetzt werden möge, bis man sehe, welchen Gang das Concilium nehme, ob sich daselbst Hofnung zu einer Reformation zeige: sollte es daran bis zu Ende des Reichstags mangeln, so wolle man einen neuen ansetzen, um da das Werk der Reformation und Religion vor die Hand zu nehmen.
Das Recht, von Seiten des Reiches auch über die geist- lichen Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen, gaben Kaiser und König, wie man sieht, mit nichten auf; die Aussicht, in Deutschland doch noch zu einer Reformation zu schreiten, hielten sie ohne Zweifel für sehr geeignet, das Concilium zu derselben anzutreiben, womit alle weitern Gedanken des Kai- sers zusammenhiengen: das Wort Reformation ward von ihnen recht mit Fleiß wiederholt und vorangestellt.
Damit drangen sie jedoch schon bei den Altgläubigen nicht ganz durch, deren Meinung es blieb, daß alle Er- örterung der streitigen Religion schlechthin dem Concilium anheimzustellen sey: noch weit weniger aber bei den Pro- testanten. Vielmehr erhoben diese eine Frage, welche für
sollte der eine dieser Aufsätze die Unzuläßigkeit aller Laienberathung über geistliche Angelegenheiten beweisen; der andre hatte zum Gegen- stand: Protestantes, etsi cum Catholicis in omni doctrina consen- tiant, nolint autem Romano subesse pontifici, nihilominus pro schismaticis haereticisque ducendos.
Die kaiſerlichen Räthe, ausdrücklich beauftragt wohl zu überlegen was ſich wahrſcheinlicherweiſe bei den Ständen erreichen laſſe, kamen mit König Ferdinand überein, die Rück- ſichten auf die Proteſtanten und auf die Altgläubigen, auf die frühere Abrede und auf das Concilium durch den Vor- ſchlag zu vereinigen, daß die Berathung über die Reforma- tionsentwürfe fürs Erſte ausgeſetzt werden möge, bis man ſehe, welchen Gang das Concilium nehme, ob ſich daſelbſt Hofnung zu einer Reformation zeige: ſollte es daran bis zu Ende des Reichstags mangeln, ſo wolle man einen neuen anſetzen, um da das Werk der Reformation und Religion vor die Hand zu nehmen.
Das Recht, von Seiten des Reiches auch über die geiſt- lichen Angelegenheiten Beſchlüſſe zu faſſen, gaben Kaiſer und König, wie man ſieht, mit nichten auf; die Ausſicht, in Deutſchland doch noch zu einer Reformation zu ſchreiten, hielten ſie ohne Zweifel für ſehr geeignet, das Concilium zu derſelben anzutreiben, womit alle weitern Gedanken des Kai- ſers zuſammenhiengen: das Wort Reformation ward von ihnen recht mit Fleiß wiederholt und vorangeſtellt.
Damit drangen ſie jedoch ſchon bei den Altgläubigen nicht ganz durch, deren Meinung es blieb, daß alle Er- örterung der ſtreitigen Religion ſchlechthin dem Concilium anheimzuſtellen ſey: noch weit weniger aber bei den Pro- teſtanten. Vielmehr erhoben dieſe eine Frage, welche für
ſollte der eine dieſer Aufſaͤtze die Unzulaͤßigkeit aller Laienberathung uͤber geiſtliche Angelegenheiten beweiſen; der andre hatte zum Gegen- ſtand: Protestantes, etsi cum Catholicis in omni doctrina consen- tiant, nolint autem Romano subesse pontifici, nihilominus pro schismaticis haereticisque ducendos.
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Urſprung des Krieges. Concilium.
Die kaiſerlichen Räthe, ausdrücklich beauftragt wohl zu
überlegen was ſich wahrſcheinlicherweiſe bei den Ständen
erreichen laſſe, kamen mit König Ferdinand überein, die Rück-
ſichten auf die Proteſtanten und auf die Altgläubigen, auf
die frühere Abrede und auf das Concilium durch den Vor-
ſchlag zu vereinigen, daß die Berathung über die Reforma-
tionsentwürfe fürs Erſte ausgeſetzt werden möge, bis man
ſehe, welchen Gang das Concilium nehme, ob ſich daſelbſt
Hofnung zu einer Reformation zeige: ſollte es daran bis
zu Ende des Reichstags mangeln, ſo wolle man einen neuen
anſetzen, um da das Werk der Reformation und Religion
vor die Hand zu nehmen.
Das Recht, von Seiten des Reiches auch über die geiſt-
lichen Angelegenheiten Beſchlüſſe zu faſſen, gaben Kaiſer und
König, wie man ſieht, mit nichten auf; die Ausſicht, in
Deutſchland doch noch zu einer Reformation zu ſchreiten,
hielten ſie ohne Zweifel für ſehr geeignet, das Concilium zu
derſelben anzutreiben, womit alle weitern Gedanken des Kai-
ſers zuſammenhiengen: das Wort Reformation ward von
ihnen recht mit Fleiß wiederholt und vorangeſtellt.
Damit drangen ſie jedoch ſchon bei den Altgläubigen
nicht ganz durch, deren Meinung es blieb, daß alle Er-
örterung der ſtreitigen Religion ſchlechthin dem Concilium
anheimzuſtellen ſey: noch weit weniger aber bei den Pro-
teſtanten. Vielmehr erhoben dieſe eine Frage, welche für
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2 ſollte der eine dieſer Aufſaͤtze die Unzulaͤßigkeit aller Laienberathung
uͤber geiſtliche Angelegenheiten beweiſen; der andre hatte zum Gegen-
ſtand: Protestantes, etsi cum Catholicis in omni doctrina consen-
tiant, nolint autem Romano subesse pontifici, nihilominus pro
schismaticis haereticisque ducendos.
Ranke D. Geſch. IV. 23
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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