Am 16ten Mai 1545 traf derselbe in Worms ein, und nicht länger ließ sich die Entscheidung verschieben. In den Briefen an seine auswärtigen Gesandten bezeichnet es der Kaiser als den vornehmsten Gegenstand seiner Thätigkeit, die Protestanten zur Unterwerfung unter das Concil zu vermögen.
Für alle seine Pläne, für den großen Gang, in dem wir ihn begriffen sehen, war dieß eine unerläßliche Vorbereitung.
Wie wollte er Einfluß auf das Concilium ausüben, die Reform auch des Papstthums durchführen die er im Sinne hatte, wenn Diejenigen allen Beschlüssen sich im Voraus ent- zogen, um deren willen es berufen war? Er hatte unauf- hörlich auch seine südeuropäischen Reiche, ja die ganze Chri- stenheit im Sinn. Die deutschen Differenzen sollten ihm den Weg bahnen, eine allgemeine Ordnung zu machen: er konnte die Protestanten nicht im Voraus vor den dort zu fassenden Beschlüssen sicher stellen.
Aber auch den Protestanten ihrerseits war diese Unter- werfung nicht anzumuthen. Wir wissen, wenn sie jemals ein Concilium gewünscht, so hatten sie doch ein ganz andres, als ein solches gemeint, das unter päpstlichem Einfluß sich versammle. Die kaiserlichen Minister selbst bemerkten, wie wir aus ihren Briefen sehen, daß der Papst auf nichts an- ders denke, als die Leitung der Kirchenversammlung völlig in seine Hände zu bringen. Es ist wahr, daß sie dieß zu ver- hindern meinten: aber welche Sicherheit hatten die Prote- stanten, bei dem mannichfaltigen Wechsel des Übergewichts und der Macht den sie erlebt, daß es geschehen würde? Und selbst in diesem Falle, was durften sie erwarten? Sie sahen den Kaiser von päpstlich gesinnten Priestern umgeben; die
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Urſprung des Krieges. Concilium.
Am 16ten Mai 1545 traf derſelbe in Worms ein, und nicht länger ließ ſich die Entſcheidung verſchieben. In den Briefen an ſeine auswärtigen Geſandten bezeichnet es der Kaiſer als den vornehmſten Gegenſtand ſeiner Thätigkeit, die Proteſtanten zur Unterwerfung unter das Concil zu vermögen.
Für alle ſeine Pläne, für den großen Gang, in dem wir ihn begriffen ſehen, war dieß eine unerläßliche Vorbereitung.
Wie wollte er Einfluß auf das Concilium ausüben, die Reform auch des Papſtthums durchführen die er im Sinne hatte, wenn Diejenigen allen Beſchlüſſen ſich im Voraus ent- zogen, um deren willen es berufen war? Er hatte unauf- hörlich auch ſeine ſüdeuropäiſchen Reiche, ja die ganze Chri- ſtenheit im Sinn. Die deutſchen Differenzen ſollten ihm den Weg bahnen, eine allgemeine Ordnung zu machen: er konnte die Proteſtanten nicht im Voraus vor den dort zu faſſenden Beſchlüſſen ſicher ſtellen.
Aber auch den Proteſtanten ihrerſeits war dieſe Unter- werfung nicht anzumuthen. Wir wiſſen, wenn ſie jemals ein Concilium gewünſcht, ſo hatten ſie doch ein ganz andres, als ein ſolches gemeint, das unter päpſtlichem Einfluß ſich verſammle. Die kaiſerlichen Miniſter ſelbſt bemerkten, wie wir aus ihren Briefen ſehen, daß der Papſt auf nichts an- ders denke, als die Leitung der Kirchenverſammlung völlig in ſeine Hände zu bringen. Es iſt wahr, daß ſie dieß zu ver- hindern meinten: aber welche Sicherheit hatten die Prote- ſtanten, bei dem mannichfaltigen Wechſel des Übergewichts und der Macht den ſie erlebt, daß es geſchehen würde? Und ſelbſt in dieſem Falle, was durften ſie erwarten? Sie ſahen den Kaiſer von päpſtlich geſinnten Prieſtern umgeben; die
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Urſprung des Krieges. Concilium.
Am 16ten Mai 1545 traf derſelbe in Worms ein, und
nicht länger ließ ſich die Entſcheidung verſchieben. In den
Briefen an ſeine auswärtigen Geſandten bezeichnet es der
Kaiſer als den vornehmſten Gegenſtand ſeiner Thätigkeit, die
Proteſtanten zur Unterwerfung unter das Concil zu vermögen.
Für alle ſeine Pläne, für den großen Gang, in dem wir
ihn begriffen ſehen, war dieß eine unerläßliche Vorbereitung.
Wie wollte er Einfluß auf das Concilium ausüben, die
Reform auch des Papſtthums durchführen die er im Sinne
hatte, wenn Diejenigen allen Beſchlüſſen ſich im Voraus ent-
zogen, um deren willen es berufen war? Er hatte unauf-
hörlich auch ſeine ſüdeuropäiſchen Reiche, ja die ganze Chri-
ſtenheit im Sinn. Die deutſchen Differenzen ſollten ihm
den Weg bahnen, eine allgemeine Ordnung zu machen: er
konnte die Proteſtanten nicht im Voraus vor den dort zu
faſſenden Beſchlüſſen ſicher ſtellen.
Aber auch den Proteſtanten ihrerſeits war dieſe Unter-
werfung nicht anzumuthen. Wir wiſſen, wenn ſie jemals
ein Concilium gewünſcht, ſo hatten ſie doch ein ganz andres,
als ein ſolches gemeint, das unter päpſtlichem Einfluß ſich
verſammle. Die kaiſerlichen Miniſter ſelbſt bemerkten, wie
wir aus ihren Briefen ſehen, daß der Papſt auf nichts an-
ders denke, als die Leitung der Kirchenverſammlung völlig in
ſeine Hände zu bringen. Es iſt wahr, daß ſie dieß zu ver-
hindern meinten: aber welche Sicherheit hatten die Prote-
ſtanten, bei dem mannichfaltigen Wechſel des Übergewichts
und der Macht den ſie erlebt, daß es geſchehen würde? Und
ſelbſt in dieſem Falle, was durften ſie erwarten? Sie ſahen
den Kaiſer von päpſtlich geſinnten Prieſtern umgeben; die
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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