Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch. Viertes Capitel.
staunte. Alles Alte sollte gerechtfertigt, behauptet werden. In
der Justificationstheorie gelang es, diese wichtige Frage, welche
alle Geister beschäftigte und dem alten System verderblich zu
werden gedroht hatte, auf eine Weise zu beantworten, daß
sie demselben nicht allein nicht widersprach, sondern vielmehr
einen neuen Gegensatz gegen den Protestantismus bildete.

Eben darum konnte aber dem Kaiser nicht damit ge-
dient seyn.

Wollte er die Protestanten zur Unterwerfung unter das
Concil bewegen, so war es ein Hinderniß auf seinem Wege,
wenn dieß ihre Tendenz und Ansicht so vollkommen verwarf.
Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge-
walt allein nicht zum Ziele kommen würde.

Da man aber dennoch fortgeschritten, und die Beschlüsse
gefaßt hatte, so forderte er wenigstens einen Aufschub in der
öffentlichen Bekanntmachung.

Die Trienter Versammlung wandte ein, ihr Ansehen
werde leiden, wenn Beschlüsse über die so lange Berathung
gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai-
ser bestand darauf, daß man die Deutschen nicht mit De-
creten eines ihnen so widerwärtigen Inhalts in Aufregung
bringen dürfe, zumal da diese Nation keinen Antheil an de-
ren Abfassung genommen, weder der katholische noch der
protestantische Theil. Ungern, aber am Ende fügten sich der
Papst und seine Prälaten diesen Vorstellungen. 1

Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch
in andern Dingen einander entgegen.


1 Auszug aus dem Schreiben Farneses bei Mendham (Coun-
cil of Trent) p.
95 und bei Pallavicini VIII, 16.

Achtes Buch. Viertes Capitel.
ſtaunte. Alles Alte ſollte gerechtfertigt, behauptet werden. In
der Juſtificationstheorie gelang es, dieſe wichtige Frage, welche
alle Geiſter beſchäftigte und dem alten Syſtem verderblich zu
werden gedroht hatte, auf eine Weiſe zu beantworten, daß
ſie demſelben nicht allein nicht widerſprach, ſondern vielmehr
einen neuen Gegenſatz gegen den Proteſtantismus bildete.

Eben darum konnte aber dem Kaiſer nicht damit ge-
dient ſeyn.

Wollte er die Proteſtanten zur Unterwerfung unter das
Concil bewegen, ſo war es ein Hinderniß auf ſeinem Wege,
wenn dieß ihre Tendenz und Anſicht ſo vollkommen verwarf.
Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge-
walt allein nicht zum Ziele kommen würde.

Da man aber dennoch fortgeſchritten, und die Beſchlüſſe
gefaßt hatte, ſo forderte er wenigſtens einen Aufſchub in der
öffentlichen Bekanntmachung.

Die Trienter Verſammlung wandte ein, ihr Anſehen
werde leiden, wenn Beſchlüſſe über die ſo lange Berathung
gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai-
ſer beſtand darauf, daß man die Deutſchen nicht mit De-
creten eines ihnen ſo widerwärtigen Inhalts in Aufregung
bringen dürfe, zumal da dieſe Nation keinen Antheil an de-
ren Abfaſſung genommen, weder der katholiſche noch der
proteſtantiſche Theil. Ungern, aber am Ende fügten ſich der
Papſt und ſeine Prälaten dieſen Vorſtellungen. 1

Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch
in andern Dingen einander entgegen.


1 Auszug aus dem Schreiben Farneſes bei Mendham (Coun-
cil of Trent) p.
95 und bei Pallavicini VIII, 16.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0498" n="486"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achtes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;taunte. Alles Alte &#x017F;ollte gerechtfertigt, behauptet werden. In<lb/>
der Ju&#x017F;tificationstheorie gelang es, die&#x017F;e wichtige Frage, welche<lb/>
alle Gei&#x017F;ter be&#x017F;chäftigte und dem alten Sy&#x017F;tem verderblich zu<lb/>
werden gedroht hatte, auf eine Wei&#x017F;e zu beantworten, daß<lb/>
&#x017F;ie dem&#x017F;elben nicht allein nicht wider&#x017F;prach, &#x017F;ondern vielmehr<lb/>
einen neuen Gegen&#x017F;atz gegen den Prote&#x017F;tantismus bildete.</p><lb/>
          <p>Eben darum konnte aber dem Kai&#x017F;er nicht damit ge-<lb/>
dient &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Wollte er die Prote&#x017F;tanten zur Unterwerfung unter das<lb/>
Concil bewegen, &#x017F;o war es ein Hinderniß auf &#x017F;einem Wege,<lb/>
wenn dieß ihre Tendenz und An&#x017F;icht &#x017F;o vollkommen verwarf.<lb/>
Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge-<lb/>
walt allein nicht zum Ziele kommen würde.</p><lb/>
          <p>Da man aber dennoch fortge&#x017F;chritten, und die Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gefaßt hatte, &#x017F;o forderte er wenig&#x017F;tens einen Auf&#x017F;chub in der<lb/>
öffentlichen Bekanntmachung.</p><lb/>
          <p>Die Trienter Ver&#x017F;ammlung wandte ein, ihr An&#x017F;ehen<lb/>
werde leiden, wenn Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e über die &#x017F;o lange Berathung<lb/>
gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai-<lb/>
&#x017F;er be&#x017F;tand darauf, daß man die Deut&#x017F;chen nicht mit De-<lb/>
creten eines ihnen &#x017F;o widerwärtigen Inhalts in Aufregung<lb/>
bringen dürfe, zumal da die&#x017F;e Nation keinen Antheil an de-<lb/>
ren Abfa&#x017F;&#x017F;ung genommen, weder der katholi&#x017F;che noch der<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;che Theil. Ungern, aber am Ende fügten &#x017F;ich der<lb/>
Pap&#x017F;t und &#x017F;eine Prälaten die&#x017F;en Vor&#x017F;tellungen. <note place="foot" n="1">Auszug aus dem Schreiben <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118686151">Farne&#x017F;es</persName> bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119374986">Mendham</persName> <hi rendition="#aq">(Coun-<lb/>
cil of <placeName>Trent</placeName>) p.</hi> 95 und bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119030691">Pallavicini</persName> <hi rendition="#aq">VIII,</hi> 16.</note></p><lb/>
          <p>Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch<lb/>
in andern Dingen einander entgegen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[486/0498] Achtes Buch. Viertes Capitel. ſtaunte. Alles Alte ſollte gerechtfertigt, behauptet werden. In der Juſtificationstheorie gelang es, dieſe wichtige Frage, welche alle Geiſter beſchäftigte und dem alten Syſtem verderblich zu werden gedroht hatte, auf eine Weiſe zu beantworten, daß ſie demſelben nicht allein nicht widerſprach, ſondern vielmehr einen neuen Gegenſatz gegen den Proteſtantismus bildete. Eben darum konnte aber dem Kaiſer nicht damit ge- dient ſeyn. Wollte er die Proteſtanten zur Unterwerfung unter das Concil bewegen, ſo war es ein Hinderniß auf ſeinem Wege, wenn dieß ihre Tendenz und Anſicht ſo vollkommen verwarf. Denn das wußte er wohl, daß er mit Anwendung der Ge- walt allein nicht zum Ziele kommen würde. Da man aber dennoch fortgeſchritten, und die Beſchlüſſe gefaßt hatte, ſo forderte er wenigſtens einen Aufſchub in der öffentlichen Bekanntmachung. Die Trienter Verſammlung wandte ein, ihr Anſehen werde leiden, wenn Beſchlüſſe über die ſo lange Berathung gepflogen worden, geheim gehalten würden. Aber der Kai- ſer beſtand darauf, daß man die Deutſchen nicht mit De- creten eines ihnen ſo widerwärtigen Inhalts in Aufregung bringen dürfe, zumal da dieſe Nation keinen Antheil an de- ren Abfaſſung genommen, weder der katholiſche noch der proteſtantiſche Theil. Ungern, aber am Ende fügten ſich der Papſt und ſeine Prälaten dieſen Vorſtellungen. 1 Schon traten nun aber die beiden Oberhäupter auch in andern Dingen einander entgegen. 1 Auszug aus dem Schreiben Farneſes bei Mendham (Coun- cil of Trent) p. 95 und bei Pallavicini VIII, 16.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/498
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/498>, abgerufen am 22.11.2024.