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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Neuerungen Heinrichs VIII.
heftig, sondern er verband mit seinen Leidenschaften eine ganz
eigne Umsicht und Berechnung. Es widerstrebte ihm, den neuen
Meinungen, die großentheils gegen seine eignen Überzeugun-
gen anstießen, freien Lauf zu lassen. Am wenigsten wäre ihm
mit einem innern Hader in seinem Reiche, der dadurch hätte
eintreten müssen, gedient gewesen; sein Gedanke war viel-
mehr von Anfang an ein andrer.

Vor allem lag ihm daran, da er nun wohl sah daß
er in der Ehescheidungssache den römischen Hof niemals wie-
der für sich haben werde, eine so viel möglich legale Auto-
rität -- denn er wünschte von seiner neuen Ehe legitime, der
Nachfolge unzweifelhaft fähige Erben zu bekommen, -- in
seinem Reiche an die Stelle der päpstlichen treten zu lassen.

Allein dieß mußte ihn sogleich noch weiter führen.

Eins der wichtigsten Interessen bei der Bildung fester
Staatsgewalten, dessen man sich schon seit zwei Jahrhun-
derten mehr oder minder bewußt geworden, lag darin, den
Einfluß des römischen Hofes auf die Landesgeistlichkeiten zu
beschränken oder zu vernichten. Concordate, pragmatische
Sanctionen, so wie die Autorität, die man gern einem einge-
bornen Legaten übertrug, waren darauf berechnet. Wir wis-
sen, wie viel auch in Deutschland der Wunsch, den Eingriffen
der Curie zu begegnen, dazu beigetragen hatte, die reforma-
torische Bewegung hervorzurufen: nur war hier die hohe
Geistlichkeit selbst von der Neuerung verletzt worden, und
hatte sich eben darum dem römischen Hofe wieder genähert;
eine allgemeine Entzweiung war erfolgt. Wie dann, wenn
es einem großen Fürsten, wie der König von England war,
gelang eine solche Entzweiung zu vermeiden, und sein Land,

Neuerungen Heinrichs VIII.
heftig, ſondern er verband mit ſeinen Leidenſchaften eine ganz
eigne Umſicht und Berechnung. Es widerſtrebte ihm, den neuen
Meinungen, die großentheils gegen ſeine eignen Überzeugun-
gen anſtießen, freien Lauf zu laſſen. Am wenigſten wäre ihm
mit einem innern Hader in ſeinem Reiche, der dadurch hätte
eintreten müſſen, gedient geweſen; ſein Gedanke war viel-
mehr von Anfang an ein andrer.

Vor allem lag ihm daran, da er nun wohl ſah daß
er in der Eheſcheidungsſache den römiſchen Hof niemals wie-
der für ſich haben werde, eine ſo viel möglich legale Auto-
rität — denn er wünſchte von ſeiner neuen Ehe legitime, der
Nachfolge unzweifelhaft fähige Erben zu bekommen, — in
ſeinem Reiche an die Stelle der päpſtlichen treten zu laſſen.

Allein dieß mußte ihn ſogleich noch weiter führen.

Eins der wichtigſten Intereſſen bei der Bildung feſter
Staatsgewalten, deſſen man ſich ſchon ſeit zwei Jahrhun-
derten mehr oder minder bewußt geworden, lag darin, den
Einfluß des römiſchen Hofes auf die Landesgeiſtlichkeiten zu
beſchränken oder zu vernichten. Concordate, pragmatiſche
Sanctionen, ſo wie die Autorität, die man gern einem einge-
bornen Legaten übertrug, waren darauf berechnet. Wir wiſ-
ſen, wie viel auch in Deutſchland der Wunſch, den Eingriffen
der Curie zu begegnen, dazu beigetragen hatte, die reforma-
toriſche Bewegung hervorzurufen: nur war hier die hohe
Geiſtlichkeit ſelbſt von der Neuerung verletzt worden, und
hatte ſich eben darum dem römiſchen Hofe wieder genähert;
eine allgemeine Entzweiung war erfolgt. Wie dann, wenn
es einem großen Fürſten, wie der König von England war,
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[41/0053] Neuerungen Heinrichs VIII. heftig, ſondern er verband mit ſeinen Leidenſchaften eine ganz eigne Umſicht und Berechnung. Es widerſtrebte ihm, den neuen Meinungen, die großentheils gegen ſeine eignen Überzeugun- gen anſtießen, freien Lauf zu laſſen. Am wenigſten wäre ihm mit einem innern Hader in ſeinem Reiche, der dadurch hätte eintreten müſſen, gedient geweſen; ſein Gedanke war viel- mehr von Anfang an ein andrer. Vor allem lag ihm daran, da er nun wohl ſah daß er in der Eheſcheidungsſache den römiſchen Hof niemals wie- der für ſich haben werde, eine ſo viel möglich legale Auto- rität — denn er wünſchte von ſeiner neuen Ehe legitime, der Nachfolge unzweifelhaft fähige Erben zu bekommen, — in ſeinem Reiche an die Stelle der päpſtlichen treten zu laſſen. Allein dieß mußte ihn ſogleich noch weiter führen. Eins der wichtigſten Intereſſen bei der Bildung feſter Staatsgewalten, deſſen man ſich ſchon ſeit zwei Jahrhun- derten mehr oder minder bewußt geworden, lag darin, den Einfluß des römiſchen Hofes auf die Landesgeiſtlichkeiten zu beſchränken oder zu vernichten. Concordate, pragmatiſche Sanctionen, ſo wie die Autorität, die man gern einem einge- bornen Legaten übertrug, waren darauf berechnet. Wir wiſ- ſen, wie viel auch in Deutſchland der Wunſch, den Eingriffen der Curie zu begegnen, dazu beigetragen hatte, die reforma- toriſche Bewegung hervorzurufen: nur war hier die hohe Geiſtlichkeit ſelbſt von der Neuerung verletzt worden, und hatte ſich eben darum dem römiſchen Hofe wieder genähert; eine allgemeine Entzweiung war erfolgt. Wie dann, wenn es einem großen Fürſten, wie der König von England war, gelang eine ſolche Entzweiung zu vermeiden, und ſein Land,

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/53>, abgerufen am 21.11.2024.