die Geistlichkeit inbegriffen, mit Einem Schlag von Rom zu trennen? Dann wäre nicht allein jene Absicht ohne Mühe er- reicht worden: die nationale Macht des Landes mußte da- durch auf alle Zukunft consolidirt und befestigt werden.
Ich weiß nicht, in wie weit es wahr ist, was Cardi- nal Poole mit Bestimmtheit behauptet, Heinrich VIII sey schon geneigt gewesen sich dem römischen Hofe zu unter- werfen, als ein alter Vertrauter Wolseys, ein Mann der den größten Theil von Europa gesehen, und sich dabei mit dem antipäpstlichen Geiste durchdrungen, der damals fast alle Literaturen beherrschte, Cromwell, ihm einen Entwurf mitge- theilt habe, wie er auch wider den Willen von Rom zu sei- ner Absicht gelangen könne: -- eben den nemlich, daß er sich selbst an die Spitze seiner Geistlichkeit stellen und mit ihr von Rom losreißen solle; 1 -- aber das läßt sich nicht leugnen, daß Heinrich VIII diesen Plan wirklich gefaßt hat: wenn überhaupt jemals von den folgerechten Maaßregeln eines Mannes auf seinen Plan geschlossen werden kann.
Es ist auch hier ein Fall der öfter vorkommt, daß ein ganz allgemeines Interesse durch ein persönliches gefördert wird. Wahrhaftig, kein Mensch könnte den Ursprung der Absichten Heinrichs VIII vertheidigen; aber durch den all- gemeinen Geist der Zeit und das Interesse des Landes be- kam seine Feindseligkeit gegen den römischen Hof eine von den Beweggründen derselben unabhängige Bedeutung.
Daran nun wäre nicht zu denken gewesen, daß er durch seinen souveränen Willen hätte zum Ziele kommen können: schon an sich, noch mehr aber bei dem in England herr-
die Geiſtlichkeit inbegriffen, mit Einem Schlag von Rom zu trennen? Dann wäre nicht allein jene Abſicht ohne Mühe er- reicht worden: die nationale Macht des Landes mußte da- durch auf alle Zukunft conſolidirt und befeſtigt werden.
Ich weiß nicht, in wie weit es wahr iſt, was Cardi- nal Poole mit Beſtimmtheit behauptet, Heinrich VIII ſey ſchon geneigt geweſen ſich dem römiſchen Hofe zu unter- werfen, als ein alter Vertrauter Wolſeys, ein Mann der den größten Theil von Europa geſehen, und ſich dabei mit dem antipäpſtlichen Geiſte durchdrungen, der damals faſt alle Literaturen beherrſchte, Cromwell, ihm einen Entwurf mitge- theilt habe, wie er auch wider den Willen von Rom zu ſei- ner Abſicht gelangen könne: — eben den nemlich, daß er ſich ſelbſt an die Spitze ſeiner Geiſtlichkeit ſtellen und mit ihr von Rom losreißen ſolle; 1 — aber das läßt ſich nicht leugnen, daß Heinrich VIII dieſen Plan wirklich gefaßt hat: wenn überhaupt jemals von den folgerechten Maaßregeln eines Mannes auf ſeinen Plan geſchloſſen werden kann.
Es iſt auch hier ein Fall der öfter vorkommt, daß ein ganz allgemeines Intereſſe durch ein perſönliches gefördert wird. Wahrhaftig, kein Menſch könnte den Urſprung der Abſichten Heinrichs VIII vertheidigen; aber durch den all- gemeinen Geiſt der Zeit und das Intereſſe des Landes be- kam ſeine Feindſeligkeit gegen den römiſchen Hof eine von den Beweggründen derſelben unabhängige Bedeutung.
Daran nun wäre nicht zu denken geweſen, daß er durch ſeinen ſouveränen Willen hätte zum Ziele kommen können: ſchon an ſich, noch mehr aber bei dem in England herr-
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Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
die Geiſtlichkeit inbegriffen, mit Einem Schlag von Rom zu
trennen? Dann wäre nicht allein jene Abſicht ohne Mühe er-
reicht worden: die nationale Macht des Landes mußte da-
durch auf alle Zukunft conſolidirt und befeſtigt werden.
Ich weiß nicht, in wie weit es wahr iſt, was Cardi-
nal Poole mit Beſtimmtheit behauptet, Heinrich VIII ſey
ſchon geneigt geweſen ſich dem römiſchen Hofe zu unter-
werfen, als ein alter Vertrauter Wolſeys, ein Mann der
den größten Theil von Europa geſehen, und ſich dabei mit
dem antipäpſtlichen Geiſte durchdrungen, der damals faſt alle
Literaturen beherrſchte, Cromwell, ihm einen Entwurf mitge-
theilt habe, wie er auch wider den Willen von Rom zu ſei-
ner Abſicht gelangen könne: — eben den nemlich, daß er
ſich ſelbſt an die Spitze ſeiner Geiſtlichkeit ſtellen und mit
ihr von Rom losreißen ſolle; 1 — aber das läßt ſich nicht
leugnen, daß Heinrich VIII dieſen Plan wirklich gefaßt hat:
wenn überhaupt jemals von den folgerechten Maaßregeln
eines Mannes auf ſeinen Plan geſchloſſen werden kann.
Es iſt auch hier ein Fall der öfter vorkommt, daß ein
ganz allgemeines Intereſſe durch ein perſönliches gefördert
wird. Wahrhaftig, kein Menſch könnte den Urſprung der
Abſichten Heinrichs VIII vertheidigen; aber durch den all-
gemeinen Geiſt der Zeit und das Intereſſe des Landes be-
kam ſeine Feindſeligkeit gegen den römiſchen Hof eine von
den Beweggründen derſelben unabhängige Bedeutung.
Daran nun wäre nicht zu denken geweſen, daß er durch
ſeinen ſouveränen Willen hätte zum Ziele kommen können:
ſchon an ſich, noch mehr aber bei dem in England herr-
1 Apologia Reginaldi Poli ad Carolum V Caesarem. Epp I, 126.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/54>, abgerufen am 21.11.2024.
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