Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefangennehmung Landgraf Philipps.
lassen. Mit dem Gefühl eines glücklichen Jägers sah er den
Landgrafen in das Netz gehn. Man hatte ihn nie vergnüg-
ter gesehen als an dem Tage dieses Fußfalls.

Es war am 19ten Juni, Nachmittags vier Uhr, auf
dem neuen Bau, der sogenannten Residenz zu Halle, daß
diese Cerimonie vollzogen wurde. Ein mit Goldstoff bedeck-
ter Thron, unter einem Baldachin, war aufgerichtet, ein gro-
ßer Teppich davor ausgebreitet; der Kaiser hatte schon Platz
genommen, als der Landgraf, der diesen ganzen Tag über
einige Nebenpuncte der Capitulation mit den kaiserlichen Rä-
then verhandeln müssen, noch auf sich warten ließ. End-
lich stiegen die Fürsten im Hofe von ihren Pferden: der
Landgraf erschien zwischen den beiden Churfürsten in schwarz-
sammtnem Überkleid, unter welchem man eine querüberge-
hende rothe Feldbinde wahrnahm -- roth war die Farbe
von Östreich --: er schien sehr wohlgemuth, sprach mit
seinen Begleitern, und man bemerkte daß er lächle. So
kniete er vor dem Teppich auf dem Estrich des Saales
nieder, neben ihm sein Canzler Günterrode. Günterrode ver-
las die Abbitte; der kaiserliche Canzler die Antwort, von
der man im Getümmel nicht alle einzelne Worte auffas-
sen konnte: doch enthielt sie allerdings die Formel, der Kai-
ser wolle den Landgrafen über die getroffene Abrede nicht
mit ewigem Gefängniß und Confiscation seiner Güter heim-
suchen; Günterrode erwiederte mit einer Danksagung. Hie-
mit glaubte der Landgraf seiner Pflicht Genüge gethan zu
haben. Als der Kaiser einen Augenblick zögerte zu win-
ken, stand Philipp, ungeheißen, von selbst auf. Der Kai-
ser pflegte sonst den Versöhnten die Hand zu reichen: dieß

Ranke D. Gesch. IV. 34

Gefangennehmung Landgraf Philipps.
laſſen. Mit dem Gefühl eines glücklichen Jägers ſah er den
Landgrafen in das Netz gehn. Man hatte ihn nie vergnüg-
ter geſehen als an dem Tage dieſes Fußfalls.

Es war am 19ten Juni, Nachmittags vier Uhr, auf
dem neuen Bau, der ſogenannten Reſidenz zu Halle, daß
dieſe Cerimonie vollzogen wurde. Ein mit Goldſtoff bedeck-
ter Thron, unter einem Baldachin, war aufgerichtet, ein gro-
ßer Teppich davor ausgebreitet; der Kaiſer hatte ſchon Platz
genommen, als der Landgraf, der dieſen ganzen Tag über
einige Nebenpuncte der Capitulation mit den kaiſerlichen Rä-
then verhandeln müſſen, noch auf ſich warten ließ. End-
lich ſtiegen die Fürſten im Hofe von ihren Pferden: der
Landgraf erſchien zwiſchen den beiden Churfürſten in ſchwarz-
ſammtnem Überkleid, unter welchem man eine querüberge-
hende rothe Feldbinde wahrnahm — roth war die Farbe
von Öſtreich —: er ſchien ſehr wohlgemuth, ſprach mit
ſeinen Begleitern, und man bemerkte daß er lächle. So
kniete er vor dem Teppich auf dem Eſtrich des Saales
nieder, neben ihm ſein Canzler Günterrode. Günterrode ver-
las die Abbitte; der kaiſerliche Canzler die Antwort, von
der man im Getümmel nicht alle einzelne Worte auffaſ-
ſen konnte: doch enthielt ſie allerdings die Formel, der Kai-
ſer wolle den Landgrafen über die getroffene Abrede nicht
mit ewigem Gefängniß und Confiſcation ſeiner Güter heim-
ſuchen; Günterrode erwiederte mit einer Dankſagung. Hie-
mit glaubte der Landgraf ſeiner Pflicht Genüge gethan zu
haben. Als der Kaiſer einen Augenblick zögerte zu win-
ken, ſtand Philipp, ungeheißen, von ſelbſt auf. Der Kai-
ſer pflegte ſonſt den Verſöhnten die Hand zu reichen: dieß

Ranke D. Geſch. IV. 34
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0541" n="529"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gefangennehmung Landgraf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipps</persName></hi>.</fw><lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Mit dem Gefühl eines glücklichen Jägers &#x017F;ah er den<lb/>
Landgrafen in das Netz gehn. Man hatte ihn nie vergnüg-<lb/>
ter ge&#x017F;ehen als an dem Tage die&#x017F;es Fußfalls.</p><lb/>
            <p>Es war am 19ten Juni, Nachmittags vier Uhr, auf<lb/>
dem neuen Bau, der &#x017F;ogenannten Re&#x017F;idenz zu <placeName>Halle</placeName>, daß<lb/>
die&#x017F;e Cerimonie vollzogen wurde. Ein mit Gold&#x017F;toff bedeck-<lb/>
ter Thron, unter einem Baldachin, war aufgerichtet, ein gro-<lb/>
ßer Teppich davor ausgebreitet; der Kai&#x017F;er hatte &#x017F;chon Platz<lb/>
genommen, als der Landgraf, der die&#x017F;en ganzen Tag über<lb/>
einige Nebenpuncte der Capitulation mit den kai&#x017F;erlichen Rä-<lb/>
then verhandeln mü&#x017F;&#x017F;en, noch auf &#x017F;ich warten ließ. End-<lb/>
lich &#x017F;tiegen die Für&#x017F;ten im Hofe von ihren Pferden: der<lb/>
Landgraf er&#x017F;chien zwi&#x017F;chen den beiden Churfür&#x017F;ten in &#x017F;chwarz-<lb/>
&#x017F;ammtnem Überkleid, unter welchem man eine querüberge-<lb/>
hende rothe Feldbinde wahrnahm &#x2014; roth war die Farbe<lb/>
von <placeName>Ö&#x017F;treich</placeName> &#x2014;: er &#x017F;chien &#x017F;ehr wohlgemuth, &#x017F;prach mit<lb/>
&#x017F;einen Begleitern, und man bemerkte daß er lächle. So<lb/>
kniete er vor dem Teppich auf dem E&#x017F;trich des Saales<lb/>
nieder, neben ihm &#x017F;ein Canzler <persName ref="http://d-nb.info/gnd/136152228">Günterrode</persName>. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/136152228">Günterrode</persName> ver-<lb/>
las die Abbitte; der kai&#x017F;erliche Canzler die Antwort, von<lb/>
der man im Getümmel nicht alle einzelne Worte auffa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en konnte: doch enthielt &#x017F;ie allerdings die Formel, der Kai-<lb/>
&#x017F;er wolle den Landgrafen über die getroffene Abrede nicht<lb/>
mit ewigem Gefängniß und Confi&#x017F;cation &#x017F;einer Güter heim-<lb/>
&#x017F;uchen; Günterrode erwiederte mit einer Dank&#x017F;agung. Hie-<lb/>
mit glaubte der Landgraf &#x017F;einer Pflicht Genüge gethan zu<lb/>
haben. Als der Kai&#x017F;er einen Augenblick zögerte zu win-<lb/>
ken, &#x017F;tand <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName>, ungeheißen, von &#x017F;elb&#x017F;t auf. Der Kai-<lb/>
&#x017F;er pflegte &#x017F;on&#x017F;t den Ver&#x017F;öhnten die Hand zu reichen: dieß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118598279">Ranke</persName> D. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 34</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[529/0541] Gefangennehmung Landgraf Philipps. laſſen. Mit dem Gefühl eines glücklichen Jägers ſah er den Landgrafen in das Netz gehn. Man hatte ihn nie vergnüg- ter geſehen als an dem Tage dieſes Fußfalls. Es war am 19ten Juni, Nachmittags vier Uhr, auf dem neuen Bau, der ſogenannten Reſidenz zu Halle, daß dieſe Cerimonie vollzogen wurde. Ein mit Goldſtoff bedeck- ter Thron, unter einem Baldachin, war aufgerichtet, ein gro- ßer Teppich davor ausgebreitet; der Kaiſer hatte ſchon Platz genommen, als der Landgraf, der dieſen ganzen Tag über einige Nebenpuncte der Capitulation mit den kaiſerlichen Rä- then verhandeln müſſen, noch auf ſich warten ließ. End- lich ſtiegen die Fürſten im Hofe von ihren Pferden: der Landgraf erſchien zwiſchen den beiden Churfürſten in ſchwarz- ſammtnem Überkleid, unter welchem man eine querüberge- hende rothe Feldbinde wahrnahm — roth war die Farbe von Öſtreich —: er ſchien ſehr wohlgemuth, ſprach mit ſeinen Begleitern, und man bemerkte daß er lächle. So kniete er vor dem Teppich auf dem Eſtrich des Saales nieder, neben ihm ſein Canzler Günterrode. Günterrode ver- las die Abbitte; der kaiſerliche Canzler die Antwort, von der man im Getümmel nicht alle einzelne Worte auffaſ- ſen konnte: doch enthielt ſie allerdings die Formel, der Kai- ſer wolle den Landgrafen über die getroffene Abrede nicht mit ewigem Gefängniß und Confiſcation ſeiner Güter heim- ſuchen; Günterrode erwiederte mit einer Dankſagung. Hie- mit glaubte der Landgraf ſeiner Pflicht Genüge gethan zu haben. Als der Kaiſer einen Augenblick zögerte zu win- ken, ſtand Philipp, ungeheißen, von ſelbſt auf. Der Kai- ſer pflegte ſonſt den Verſöhnten die Hand zu reichen: dieß Ranke D. Geſch. IV. 34

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/541
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/541>, abgerufen am 24.11.2024.