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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.

Und von diesem Puncte gieng nun alles Weitere aus.

Es leuchtet schon an sich ein, daß in diesem sehr un-
gleichen Bunde, wie die Dinge der Welt nun einmal standen,
das Übergewicht dem König zufallen mußte. Heinrich VIII
scheute kein Mittel um dieß Verhältniß zu entwickeln und
zu befestigen.

Nicht ungewöhnlich war es in England, daß die Re-
gierung vergessene Gesetze in Erinnerung brachte, um die auf
Übertretung derselben gesetzten Geldstrafen einzutreiben. Das
aber was Heinrich VIII that, hätte doch niemand erwarten
sollen. Er, der König, der die Legatengewalt Wolseys sel-
ber befördert hatte, machte jetzt die Anerkennung derselben,
die durch ein früheres Gesetz verpönt war, dem Clerus zum
Verbrechen. Der Gerichtshof der Kingsbench unterstützte ihn
hierin: "denn das Gesetz sey und bleibe in Kraft trotz aller
Connivenz des Königs; der König behalte allezeit das Recht,
die Geistlichkeit wegen ihres ungesetzlichen Verhaltens außer-
halb seines Friedens zu setzen." Dießmal aber war es ihm
nicht um die Geldbuße zu thun. Mit der Strafgewalt be-
waffnet, die ihm durch den Gerichtshof zugesprochen wor-
den, legte er der Geistlichkeit eine Frage vor, welche den Mit-
telpunct aller ihrer Beziehungen berührte. In jenem Schrei-
ben der Lords an den Papst war der Ausdruck vorgekom-
men, der König sey ihre Seele, ihr Haupt. Manchem mochte
dieß nur eben als eine Redensart erschienen seyn: der König
aber, daran anknüpfend, forderte jetzt eine noch unzweideu-
tigere Anerkennung seiner Hoheit über die Kirche. Denn
nur einen solchen Clerus wollte er beschützen oder begnadi-
gen, der sich ihm unterwürfig zeigte. War es nun blos die

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.

Und von dieſem Puncte gieng nun alles Weitere aus.

Es leuchtet ſchon an ſich ein, daß in dieſem ſehr un-
gleichen Bunde, wie die Dinge der Welt nun einmal ſtanden,
das Übergewicht dem König zufallen mußte. Heinrich VIII
ſcheute kein Mittel um dieß Verhältniß zu entwickeln und
zu befeſtigen.

Nicht ungewöhnlich war es in England, daß die Re-
gierung vergeſſene Geſetze in Erinnerung brachte, um die auf
Übertretung derſelben geſetzten Geldſtrafen einzutreiben. Das
aber was Heinrich VIII that, hätte doch niemand erwarten
ſollen. Er, der König, der die Legatengewalt Wolſeys ſel-
ber befördert hatte, machte jetzt die Anerkennung derſelben,
die durch ein früheres Geſetz verpönt war, dem Clerus zum
Verbrechen. Der Gerichtshof der Kingsbench unterſtützte ihn
hierin: „denn das Geſetz ſey und bleibe in Kraft trotz aller
Connivenz des Königs; der König behalte allezeit das Recht,
die Geiſtlichkeit wegen ihres ungeſetzlichen Verhaltens außer-
halb ſeines Friedens zu ſetzen.“ Dießmal aber war es ihm
nicht um die Geldbuße zu thun. Mit der Strafgewalt be-
waffnet, die ihm durch den Gerichtshof zugeſprochen wor-
den, legte er der Geiſtlichkeit eine Frage vor, welche den Mit-
telpunct aller ihrer Beziehungen berührte. In jenem Schrei-
ben der Lords an den Papſt war der Ausdruck vorgekom-
men, der König ſey ihre Seele, ihr Haupt. Manchem mochte
dieß nur eben als eine Redensart erſchienen ſeyn: der König
aber, daran anknüpfend, forderte jetzt eine noch unzweideu-
tigere Anerkennung ſeiner Hoheit über die Kirche. Denn
nur einen ſolchen Clerus wollte er beſchützen oder begnadi-
gen, der ſich ihm unterwürfig zeigte. War es nun blos die

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[44/0056] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. Und von dieſem Puncte gieng nun alles Weitere aus. Es leuchtet ſchon an ſich ein, daß in dieſem ſehr un- gleichen Bunde, wie die Dinge der Welt nun einmal ſtanden, das Übergewicht dem König zufallen mußte. Heinrich VIII ſcheute kein Mittel um dieß Verhältniß zu entwickeln und zu befeſtigen. Nicht ungewöhnlich war es in England, daß die Re- gierung vergeſſene Geſetze in Erinnerung brachte, um die auf Übertretung derſelben geſetzten Geldſtrafen einzutreiben. Das aber was Heinrich VIII that, hätte doch niemand erwarten ſollen. Er, der König, der die Legatengewalt Wolſeys ſel- ber befördert hatte, machte jetzt die Anerkennung derſelben, die durch ein früheres Geſetz verpönt war, dem Clerus zum Verbrechen. Der Gerichtshof der Kingsbench unterſtützte ihn hierin: „denn das Geſetz ſey und bleibe in Kraft trotz aller Connivenz des Königs; der König behalte allezeit das Recht, die Geiſtlichkeit wegen ihres ungeſetzlichen Verhaltens außer- halb ſeines Friedens zu ſetzen.“ Dießmal aber war es ihm nicht um die Geldbuße zu thun. Mit der Strafgewalt be- waffnet, die ihm durch den Gerichtshof zugeſprochen wor- den, legte er der Geiſtlichkeit eine Frage vor, welche den Mit- telpunct aller ihrer Beziehungen berührte. In jenem Schrei- ben der Lords an den Papſt war der Ausdruck vorgekom- men, der König ſey ihre Seele, ihr Haupt. Manchem mochte dieß nur eben als eine Redensart erſchienen ſeyn: der König aber, daran anknüpfend, forderte jetzt eine noch unzweideu- tigere Anerkennung ſeiner Hoheit über die Kirche. Denn nur einen ſolchen Clerus wollte er beſchützen oder begnadi- gen, der ſich ihm unterwürfig zeigte. War es nun blos die

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/56>, abgerufen am 24.11.2024.