Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Neuntes Buch. Drittes Capitel. der alten Einheit fehlte es eigentlich an nichts, als an demVerständniß mit dem geistlichen Oberhaupt. Und war nicht schon das ein großes Resultat daß Carl V den alten Kampf der weltlichen Macht gegen die geistliche, nicht wie frühere oder spätere Könige mit beschränkten Gesichtspuncten, son- dern ganz im Allgemeinen, in den Angelegenheiten desjeni- gen Conciliums das wirklich die katholische Rechtgläubigkeit und Kirchenverfassung auf die folgenden Jahrhunderte fixirt hat, wiederaufnehmen konnte? Einer seiner ursprünglichen Gedanken, mit dem er bei seiner ersten Ankunft in Deutsch- land auftrat, war die Reinigung und Reform der Kirche, freilich in einem andern Sinn als in welchem Luther sie unternahm, in einem solchen, bei dem er als das weltliche Oberhaupt der lateinischen Christenheit bestehn oder vielmehr erst wahrhaft auftreten konnte. Hiefür war es ihm lieb, sich auf die Bedürfnisse und die Autorität des Reiches stützen zu können. Die Anordnungen geistlichen Inhalts die er unter Autorisation des Reiches getroffen hat, gaben ihm eine geistliche Berechtigung. Jetzt nun lebte und webte er in diesem Gedan- ken: seine geistlichen Einrichtungen im Reiche durchzuführen, an den conciliaren Angelegenheiten eingreifenden Antheil zu nehmen, besonders die Reform ins Werk zu setzen, die auch den römischen Hof betreffen mußte: Absichten die nur dem allgemeinen Wohle zu gelten schienen, aber dabei doch die größte Machterwerbung herbeizuführen, den Fortsetzer Carls des Kühnen wirklich zum Oberhaupt des Occidents zu ma- chen versprachen. Wohl lag in dem ursprünglichen Begriffe des deutschen Neuntes Buch. Drittes Capitel. der alten Einheit fehlte es eigentlich an nichts, als an demVerſtändniß mit dem geiſtlichen Oberhaupt. Und war nicht ſchon das ein großes Reſultat daß Carl V den alten Kampf der weltlichen Macht gegen die geiſtliche, nicht wie frühere oder ſpätere Könige mit beſchränkten Geſichtspuncten, ſon- dern ganz im Allgemeinen, in den Angelegenheiten desjeni- gen Conciliums das wirklich die katholiſche Rechtgläubigkeit und Kirchenverfaſſung auf die folgenden Jahrhunderte fixirt hat, wiederaufnehmen konnte? Einer ſeiner urſprünglichen Gedanken, mit dem er bei ſeiner erſten Ankunft in Deutſch- land auftrat, war die Reinigung und Reform der Kirche, freilich in einem andern Sinn als in welchem Luther ſie unternahm, in einem ſolchen, bei dem er als das weltliche Oberhaupt der lateiniſchen Chriſtenheit beſtehn oder vielmehr erſt wahrhaft auftreten konnte. Hiefür war es ihm lieb, ſich auf die Bedürfniſſe und die Autorität des Reiches ſtützen zu können. Die Anordnungen geiſtlichen Inhalts die er unter Autoriſation des Reiches getroffen hat, gaben ihm eine geiſtliche Berechtigung. Jetzt nun lebte und webte er in dieſem Gedan- ken: ſeine geiſtlichen Einrichtungen im Reiche durchzuführen, an den conciliaren Angelegenheiten eingreifenden Antheil zu nehmen, beſonders die Reform ins Werk zu ſetzen, die auch den römiſchen Hof betreffen mußte: Abſichten die nur dem allgemeinen Wohle zu gelten ſchienen, aber dabei doch die größte Machterwerbung herbeizuführen, den Fortſetzer Carls des Kühnen wirklich zum Oberhaupt des Occidents zu ma- chen verſprachen. Wohl lag in dem urſprünglichen Begriffe des deutſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> der alten Einheit fehlte es eigentlich an nichts, als an dem<lb/> Verſtändniß mit dem geiſtlichen Oberhaupt. 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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
der alten Einheit fehlte es eigentlich an nichts, als an dem
Verſtändniß mit dem geiſtlichen Oberhaupt. Und war nicht
ſchon das ein großes Reſultat daß Carl V den alten Kampf
der weltlichen Macht gegen die geiſtliche, nicht wie frühere
oder ſpätere Könige mit beſchränkten Geſichtspuncten, ſon-
dern ganz im Allgemeinen, in den Angelegenheiten desjeni-
gen Conciliums das wirklich die katholiſche Rechtgläubigkeit
und Kirchenverfaſſung auf die folgenden Jahrhunderte fixirt
hat, wiederaufnehmen konnte? Einer ſeiner urſprünglichen
Gedanken, mit dem er bei ſeiner erſten Ankunft in Deutſch-
land auftrat, war die Reinigung und Reform der Kirche,
freilich in einem andern Sinn als in welchem Luther ſie
unternahm, in einem ſolchen, bei dem er als das weltliche
Oberhaupt der lateiniſchen Chriſtenheit beſtehn oder vielmehr
erſt wahrhaft auftreten konnte. Hiefür war es ihm lieb,
ſich auf die Bedürfniſſe und die Autorität des Reiches ſtützen
zu können. Die Anordnungen geiſtlichen Inhalts die er unter
Autoriſation des Reiches getroffen hat, gaben ihm eine geiſtliche
Berechtigung. Jetzt nun lebte und webte er in dieſem Gedan-
ken: ſeine geiſtlichen Einrichtungen im Reiche durchzuführen,
an den conciliaren Angelegenheiten eingreifenden Antheil zu
nehmen, beſonders die Reform ins Werk zu ſetzen, die auch
den römiſchen Hof betreffen mußte: Abſichten die nur dem
allgemeinen Wohle zu gelten ſchienen, aber dabei doch die
größte Machterwerbung herbeizuführen, den Fortſetzer Carls
des Kühnen wirklich zum Oberhaupt des Occidents zu ma-
chen verſprachen.
Wohl lag in dem urſprünglichen Begriffe des deutſchen
Kaiſerthums die Möglichkeit einer ähnlichen Stellung. Wäre
Carl V ein Deutſcher geweſen, von den nationalen Ideen
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