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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Fünftes Capitel.
Sache sey, vielen Eindruck. Moritz ist von seinen Amtleu-
ten erinnert worden, wenn er in Glaubenssachen auf die bis-
herige Weise vorschreite, so werde ihm von hundert Men-
schen nicht einer gehorsam bleiben.

Mit neuem Eifer schaarten sich die Geister, und viel-
leicht eben darum, weil ihnen eine Richtung nach der ent-
gegengesetzten Seite gegeben werden sollte, um das Banner
des evangelischen Glaubens. Nie waren die Kirchen in den
Städten, wo die Predigt noch erscholl, gefüllter gewesen;
wir vernehmen von Augsburg, Straßburg, Regensburg, daß
die katholische Geistlichkeit verzweifelte das Volk ohne Ge-
walt in Zaum zu halten; so wird es auch anderwärts ge-
gangen seyn. In den Kirchengebeten durfte man begreiflicher
Weise Magdeburg nicht nennen: aber der dortige Kampf
war die große Angelegenheit welche die Gemüther beschäftigte:
man bediente sich allgemeinerer Ausdrücke, die jedoch keine
andre Beziehung haben konnten als eben auf diesen Kampf.

Und indessen triumphirte der Bischof von Arras, daß
ihm an dem Reichstage alle sein Vorhaben, besonders in
religiöser Beziehung, gelungen: von den verjagten Predigern
rede man so wenig als seyen sie nie da gewesen. In die-
sem Lande, rief er aus, sey alles möglich.

In der That, noch vieles hatte er vor.

Ihm konnte wohl nicht verborgen seyn, wie man die
Successionsentwürfe in Deutschland ansehe. "Ich finde Nie-
mand," schreibt selber Carlowitz, "weder hohen noch nie-
dern Standes, unter den Deutschen, der damit zufrieden
wäre." Ohne die mindeste Rücksicht darauf setzte der Hof
die Unterhandlungen mit dem größten Eifer fort, und wandte

Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Sache ſey, vielen Eindruck. Moritz iſt von ſeinen Amtleu-
ten erinnert worden, wenn er in Glaubensſachen auf die bis-
herige Weiſe vorſchreite, ſo werde ihm von hundert Men-
ſchen nicht einer gehorſam bleiben.

Mit neuem Eifer ſchaarten ſich die Geiſter, und viel-
leicht eben darum, weil ihnen eine Richtung nach der ent-
gegengeſetzten Seite gegeben werden ſollte, um das Banner
des evangeliſchen Glaubens. Nie waren die Kirchen in den
Städten, wo die Predigt noch erſcholl, gefüllter geweſen;
wir vernehmen von Augsburg, Straßburg, Regensburg, daß
die katholiſche Geiſtlichkeit verzweifelte das Volk ohne Ge-
walt in Zaum zu halten; ſo wird es auch anderwärts ge-
gangen ſeyn. In den Kirchengebeten durfte man begreiflicher
Weiſe Magdeburg nicht nennen: aber der dortige Kampf
war die große Angelegenheit welche die Gemüther beſchäftigte:
man bediente ſich allgemeinerer Ausdrücke, die jedoch keine
andre Beziehung haben konnten als eben auf dieſen Kampf.

Und indeſſen triumphirte der Biſchof von Arras, daß
ihm an dem Reichstage alle ſein Vorhaben, béſonders in
religiöſer Beziehung, gelungen: von den verjagten Predigern
rede man ſo wenig als ſeyen ſie nie da geweſen. In die-
ſem Lande, rief er aus, ſey alles möglich.

In der That, noch vieles hatte er vor.

Ihm konnte wohl nicht verborgen ſeyn, wie man die
Succeſſionsentwürfe in Deutſchland anſehe. „Ich finde Nie-
mand,“ ſchreibt ſelber Carlowitz, „weder hohen noch nie-
dern Standes, unter den Deutſchen, der damit zufrieden
wäre.“ Ohne die mindeſte Rückſicht darauf ſetzte der Hof
die Unterhandlungen mit dem größten Eifer fort, und wandte

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[200/0212] Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel. Sache ſey, vielen Eindruck. Moritz iſt von ſeinen Amtleu- ten erinnert worden, wenn er in Glaubensſachen auf die bis- herige Weiſe vorſchreite, ſo werde ihm von hundert Men- ſchen nicht einer gehorſam bleiben. Mit neuem Eifer ſchaarten ſich die Geiſter, und viel- leicht eben darum, weil ihnen eine Richtung nach der ent- gegengeſetzten Seite gegeben werden ſollte, um das Banner des evangeliſchen Glaubens. Nie waren die Kirchen in den Städten, wo die Predigt noch erſcholl, gefüllter geweſen; wir vernehmen von Augsburg, Straßburg, Regensburg, daß die katholiſche Geiſtlichkeit verzweifelte das Volk ohne Ge- walt in Zaum zu halten; ſo wird es auch anderwärts ge- gangen ſeyn. In den Kirchengebeten durfte man begreiflicher Weiſe Magdeburg nicht nennen: aber der dortige Kampf war die große Angelegenheit welche die Gemüther beſchäftigte: man bediente ſich allgemeinerer Ausdrücke, die jedoch keine andre Beziehung haben konnten als eben auf dieſen Kampf. Und indeſſen triumphirte der Biſchof von Arras, daß ihm an dem Reichstage alle ſein Vorhaben, béſonders in religiöſer Beziehung, gelungen: von den verjagten Predigern rede man ſo wenig als ſeyen ſie nie da geweſen. In die- ſem Lande, rief er aus, ſey alles möglich. In der That, noch vieles hatte er vor. Ihm konnte wohl nicht verborgen ſeyn, wie man die Succeſſionsentwürfe in Deutſchland anſehe. „Ich finde Nie- mand,“ ſchreibt ſelber Carlowitz, „weder hohen noch nie- dern Standes, unter den Deutſchen, der damit zufrieden wäre.“ Ohne die mindeſte Rückſicht darauf ſetzte der Hof die Unterhandlungen mit dem größten Eifer fort, und wandte

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/212>, abgerufen am 22.05.2024.