Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Protestantische Kirchenverfassung. Einst hatten die Bischöfe die weltliche Macht zu ver- Die Theologen fanden, daß eine solche Ausdehnung dem Das hängt auch damit zusammen, daß die Reforma- An einen Gegensatz der verschiedenen Stände war hier Jahrzahl 1538 bezeichnet; ferner ein Schreiben des Churfürsten, Creuz- burg Donnerstag nach Dorotheä (11 Febr.) an die eben bezeichneten Mitglieder. (Weim. Arch.) 1 Eine Stelle Esaiä 49 "die Könige werden der Kirchen Näh-
rer seyn" mag nun wohl diesen Sinn ursprünglich nicht haben: man verstand sie aber in aller Aufrichtigkeit nicht anders. Proteſtantiſche Kirchenverfaſſung. Einſt hatten die Biſchöfe die weltliche Macht zu ver- Die Theologen fanden, daß eine ſolche Ausdehnung dem Das hängt auch damit zuſammen, daß die Reforma- An einen Gegenſatz der verſchiedenen Stände war hier Jahrzahl 1538 bezeichnet; ferner ein Schreiben des Churfuͤrſten, Creuz- burg Donnerſtag nach Dorotheaͤ (11 Febr.) an die eben bezeichneten Mitglieder. (Weim. Arch.) 1 Eine Stelle Eſaiaͤ 49 „die Koͤnige werden der Kirchen Naͤh-
rer ſeyn“ mag nun wohl dieſen Sinn urſpruͤnglich nicht haben: man verſtand ſie aber in aller Aufrichtigkeit nicht anders. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0451" n="439"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Proteſtantiſche Kirchenverfaſſung</hi>.</fw><lb/> <p>Einſt hatten die Biſchöfe die weltliche Macht zu ver-<lb/> drängen gewußt, zuweilen ganze Diöceſen zu Fürſtenthümern<lb/> umgewandelt. Jetzt trat in weltlichen Gebieten die umge-<lb/> kehrte Entwickelung ein: die fürſtliche Macht dehnte ihre Ju-<lb/> risdiction über geiſtliche und gemiſchte Fälle aus, die bisher<lb/> ein geiſtliches Forum gehabt.</p><lb/> <p>Die Theologen fanden, daß eine ſolche Ausdehnung dem<lb/> urſprünglichen Begriffe der Obrigkeit, wie er in der h. Schrift<lb/> vorliege, nicht allein vollkommen entſpreche, ſondern durch<lb/> dieſelbe vorausgeſetzt, gefordert werde. Durch Stellen des<lb/> alten und des neuen Teſtaments bewieſen ſie, daß die Obrig-<lb/> keit auch in geiſtlicher Beziehung Schutz gewähren und das<lb/> Böſe beſtrafen müſſe. <note place="foot" n="1">Eine Stelle Eſaiaͤ 49 „die Koͤnige werden der Kirchen Naͤh-<lb/> rer ſeyn“ mag nun wohl dieſen Sinn urſpruͤnglich nicht haben: man<lb/> verſtand ſie aber in aller Aufrichtigkeit nicht anders.</note></p><lb/> <p>Das hängt auch damit zuſammen, daß die Reforma-<lb/> toren die Kirche nicht mehr in den Biſchöfen, dem geiſtlichen<lb/> Stande ſahen, ſondern eine Theilnahme der Laien, nament-<lb/> lich der angeſehenſten, an ihren Geſchäften für zuträglich und<lb/> nothwendig hielten.</p><lb/> <p>An einen Gegenſatz der verſchiedenen Stände war hier<lb/> nicht zu denken, da alle vereinigt, nur ein und eben daſſelbe<lb/> Ziel hatten. Die fürſtliche Autorität war nicht zu entbeh-<lb/> ren, um die kirchliche Ordnung wieder aufzurichten. Doch<lb/> hätte ſie allein nicht vorſchreiten können; ſie bedurfte der<lb/> Mitwirkung der Geiſtlichen, und zwar aus dem eigenen, von<lb/> keinem Auftrage des Fürſten ſtammenden Prinzipe derſelben.<lb/><note xml:id="seg2pn_29_2" prev="#seg2pn_29_1" place="foot" n="1">Jahrzahl 1538 bezeichnet; ferner ein Schreiben des Churfuͤrſten, Creuz-<lb/> burg Donnerſtag nach Dorotheaͤ (11 Febr.) an die eben bezeichneten<lb/> Mitglieder. (Weim. Arch.)</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [439/0451]
Proteſtantiſche Kirchenverfaſſung.
Einſt hatten die Biſchöfe die weltliche Macht zu ver-
drängen gewußt, zuweilen ganze Diöceſen zu Fürſtenthümern
umgewandelt. Jetzt trat in weltlichen Gebieten die umge-
kehrte Entwickelung ein: die fürſtliche Macht dehnte ihre Ju-
risdiction über geiſtliche und gemiſchte Fälle aus, die bisher
ein geiſtliches Forum gehabt.
Die Theologen fanden, daß eine ſolche Ausdehnung dem
urſprünglichen Begriffe der Obrigkeit, wie er in der h. Schrift
vorliege, nicht allein vollkommen entſpreche, ſondern durch
dieſelbe vorausgeſetzt, gefordert werde. Durch Stellen des
alten und des neuen Teſtaments bewieſen ſie, daß die Obrig-
keit auch in geiſtlicher Beziehung Schutz gewähren und das
Böſe beſtrafen müſſe. 1
Das hängt auch damit zuſammen, daß die Reforma-
toren die Kirche nicht mehr in den Biſchöfen, dem geiſtlichen
Stande ſahen, ſondern eine Theilnahme der Laien, nament-
lich der angeſehenſten, an ihren Geſchäften für zuträglich und
nothwendig hielten.
An einen Gegenſatz der verſchiedenen Stände war hier
nicht zu denken, da alle vereinigt, nur ein und eben daſſelbe
Ziel hatten. Die fürſtliche Autorität war nicht zu entbeh-
ren, um die kirchliche Ordnung wieder aufzurichten. Doch
hätte ſie allein nicht vorſchreiten können; ſie bedurfte der
Mitwirkung der Geiſtlichen, und zwar aus dem eigenen, von
keinem Auftrage des Fürſten ſtammenden Prinzipe derſelben.
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1 Eine Stelle Eſaiaͤ 49 „die Koͤnige werden der Kirchen Naͤh-
rer ſeyn“ mag nun wohl dieſen Sinn urſpruͤnglich nicht haben: man
verſtand ſie aber in aller Aufrichtigkeit nicht anders.
1 Jahrzahl 1538 bezeichnet; ferner ein Schreiben des Churfuͤrſten, Creuz-
burg Donnerſtag nach Dorotheaͤ (11 Febr.) an die eben bezeichneten
Mitglieder. (Weim. Arch.)
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