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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Theologische Streitigkeiten. (Calvin.)
der Furcht, durch eine fernere Trennung von Zürich allen
Rückhalt zu verlieren: mit jenem Unglück trat eine Re-
action gegen die lutheranisirenden Meinungen in Bern ein.
Man besetzte entstehende Vacanzen trotz des Widerspruchs
der angestellten Geistlichkeit mit Anhängern des reinen Zwing-
lianismus; die Zöglinge der theologischen Schule wurden
einst einer Prüfung unterworfen, und von sechszehn nur ihrer
drei als ächte Anhänger Zwinglis befunden, alle übrigen in
gefängliche Haft genommen; nach einiger Zeit wurden Sul-
zer und dessen nächste Freunde durch förmlichen Rathsschluß
ihrer Stellen entsetzt, und bald sollte auch in der Waat nichts
anders anerkannt werden als was mit den Schlüssen der
Berner Disputation übereinstimme. 1 Calvins nächste Freunde
und er selbst sahen sich in Bern bedroht und mißhandelt.
Man eiferte dort über Calvinismus und Bucerianismus, was
man für einerlei hielt; man warf Calvin dunkle lutherani-
sirende Lehren, den Begriff der Impanation vor; man ta-
delte ihn heftig, als er einst nach Lausanne gekommen um
da zu predigen; in Genf selbst, sagten seine Feinde, müsse
er aus dem Kirchendienst gestoßen werden.

Bei den politischen Verhältnissen Genfs, das nur un-
ter dem Schutze von Bern die Reformation angenommen,
ließ sich in der That nicht denken, daß sich dort eine Lehre
halten könne, die hier verdammt wurde.

Wie ein Seufzer aus tiefster Seele bricht in einem Briefe
Calvins der Ausruf hervor: es wäre ehrenvoller gewesen die
geistliche Herrschaft von Rom zu dulden als die von Bern. 2


1 Hundeshagen: Die Conflicte des Zwinglianismus, Luther-
thums und Calvinismus in der bernischen Landeskirche p. 200.
2 Utrum generosius saltem fuit, Romae an Bernae sub-

Theologiſche Streitigkeiten. (Calvin.)
der Furcht, durch eine fernere Trennung von Zürich allen
Rückhalt zu verlieren: mit jenem Unglück trat eine Re-
action gegen die lutheraniſirenden Meinungen in Bern ein.
Man beſetzte entſtehende Vacanzen trotz des Widerſpruchs
der angeſtellten Geiſtlichkeit mit Anhängern des reinen Zwing-
lianismus; die Zöglinge der theologiſchen Schule wurden
einſt einer Prüfung unterworfen, und von ſechszehn nur ihrer
drei als ächte Anhänger Zwinglis befunden, alle übrigen in
gefängliche Haft genommen; nach einiger Zeit wurden Sul-
zer und deſſen nächſte Freunde durch förmlichen Rathsſchluß
ihrer Stellen entſetzt, und bald ſollte auch in der Waat nichts
anders anerkannt werden als was mit den Schlüſſen der
Berner Disputation übereinſtimme. 1 Calvins nächſte Freunde
und er ſelbſt ſahen ſich in Bern bedroht und mißhandelt.
Man eiferte dort über Calvinismus und Bucerianismus, was
man für einerlei hielt; man warf Calvin dunkle lutherani-
ſirende Lehren, den Begriff der Impanation vor; man ta-
delte ihn heftig, als er einſt nach Lauſanne gekommen um
da zu predigen; in Genf ſelbſt, ſagten ſeine Feinde, müſſe
er aus dem Kirchendienſt geſtoßen werden.

Bei den politiſchen Verhältniſſen Genfs, das nur un-
ter dem Schutze von Bern die Reformation angenommen,
ließ ſich in der That nicht denken, daß ſich dort eine Lehre
halten könne, die hier verdammt wurde.

Wie ein Seufzer aus tiefſter Seele bricht in einem Briefe
Calvins der Ausruf hervor: es wäre ehrenvoller geweſen die
geiſtliche Herrſchaft von Rom zu dulden als die von Bern. 2


1 Hundeshagen: Die Conflicte des Zwinglianismus, Luther-
thums und Calvinismus in der berniſchen Landeskirche p. 200.
2 Utrum generosius saltem fuit, Romae an Bernae sub-
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[453/0465] Theologiſche Streitigkeiten. (Calvin.) der Furcht, durch eine fernere Trennung von Zürich allen Rückhalt zu verlieren: mit jenem Unglück trat eine Re- action gegen die lutheraniſirenden Meinungen in Bern ein. Man beſetzte entſtehende Vacanzen trotz des Widerſpruchs der angeſtellten Geiſtlichkeit mit Anhängern des reinen Zwing- lianismus; die Zöglinge der theologiſchen Schule wurden einſt einer Prüfung unterworfen, und von ſechszehn nur ihrer drei als ächte Anhänger Zwinglis befunden, alle übrigen in gefängliche Haft genommen; nach einiger Zeit wurden Sul- zer und deſſen nächſte Freunde durch förmlichen Rathsſchluß ihrer Stellen entſetzt, und bald ſollte auch in der Waat nichts anders anerkannt werden als was mit den Schlüſſen der Berner Disputation übereinſtimme. 1 Calvins nächſte Freunde und er ſelbſt ſahen ſich in Bern bedroht und mißhandelt. Man eiferte dort über Calvinismus und Bucerianismus, was man für einerlei hielt; man warf Calvin dunkle lutherani- ſirende Lehren, den Begriff der Impanation vor; man ta- delte ihn heftig, als er einſt nach Lauſanne gekommen um da zu predigen; in Genf ſelbſt, ſagten ſeine Feinde, müſſe er aus dem Kirchendienſt geſtoßen werden. Bei den politiſchen Verhältniſſen Genfs, das nur un- ter dem Schutze von Bern die Reformation angenommen, ließ ſich in der That nicht denken, daß ſich dort eine Lehre halten könne, die hier verdammt wurde. Wie ein Seufzer aus tiefſter Seele bricht in einem Briefe Calvins der Ausruf hervor: es wäre ehrenvoller geweſen die geiſtliche Herrſchaft von Rom zu dulden als die von Bern. 2 1 Hundeshagen: Die Conflicte des Zwinglianismus, Luther- thums und Calvinismus in der berniſchen Landeskirche p. 200. 2 Utrum generosius saltem fuit, Romae an Bernae sub-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/465>, abgerufen am 22.11.2024.