Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Neuntes Buch. Zweites Capitel. zu seyn, hörten sie stillschweigend zu und entfernten sich ohneeine Antwort zu geben. Nur die geistig-unbedeutendern aber unterwarfen sich. Veit Diedrich ward durch den Tod diesem Sturme entrissen. Osiander meinte, er wolle weichen bis das Wetter vorübergezogen, und verließ Nürnberg; die Stadt kündigte seiner Frau das Bürgerrecht auf. In Ulm trotzte Frecht auf den Artikel seiner Vocation, Johann Brenz in Schwäbisch-Hall saß mit Frau und 1 Auf Fürbitte der Stadt antwortet Arras dem Ulmischen Ge-
sandten Marchtaler: "daß sie sich in irer antwurt so übel gehalten, das sie nit werd weren, das sich die von Ulm jrer annemen." (March- taler I Sept. 1548.) Neuntes Buch. Zweites Capitel. zu ſeyn, hörten ſie ſtillſchweigend zu und entfernten ſich ohneeine Antwort zu geben. Nur die geiſtig-unbedeutendern aber unterwarfen ſich. Veit Diedrich ward durch den Tod dieſem Sturme entriſſen. Oſiander meinte, er wolle weichen bis das Wetter vorübergezogen, und verließ Nürnberg; die Stadt kündigte ſeiner Frau das Bürgerrecht auf. In Ulm trotzte Frecht auf den Artikel ſeiner Vocation, Johann Brenz in Schwäbiſch-Hall ſaß mit Frau und 1 Auf Fuͤrbitte der Stadt antwortet Arras dem Ulmiſchen Ge-
ſandten Marchtaler: „daß ſie ſich in irer antwurt ſo uͤbel gehalten, das ſie nit werd weren, das ſich die von Ulm jrer annemen.“ (March- taler I Sept. 1548.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/> zu ſeyn, hörten ſie ſtillſchweigend zu und entfernten ſich ohne<lb/> eine Antwort zu geben. Nur die geiſtig-unbedeutendern<lb/> aber unterwarfen ſich. Veit Diedrich ward durch den Tod<lb/> dieſem Sturme entriſſen. Oſiander meinte, er wolle weichen<lb/> bis das Wetter vorübergezogen, und verließ Nürnberg; die<lb/> Stadt kündigte ſeiner Frau das Bürgerrecht auf.</p><lb/> <p>In Ulm trotzte Frecht auf den Artikel ſeiner Vocation,<lb/> daß er das Evangelium ohne allen Zuſatz von Menſchenlehre<lb/> predigen ſolle; er ließ ſich auch die Anweſenheit des Kaiſers<lb/> nicht daran hindern. Dafür ward er ſammt ſeinen vornehm-<lb/> ſten Amtsgenoſſen in Ketten und Bande gelegt und unter der<lb/> Obhut einer ſpaniſchen Wacht dem kaiſerlichen Hoflager nach-<lb/> gefahren. Hinter dem Wagen lief ein Schulknabe her, der<lb/> es ſich nicht nehmen laſſen wollte, ſeinen geiſtlichen Meiſtern<lb/> in ihrem Gefängniß Dienſte zu leiſten. <note place="foot" n="1">Auf Fuͤrbitte der Stadt antwortet Arras dem Ulmiſchen Ge-<lb/> ſandten Marchtaler: „daß ſie ſich in irer antwurt ſo uͤbel gehalten,<lb/> das ſie nit werd weren, das ſich die von Ulm jrer annemen.“ (March-<lb/> taler <hi rendition="#aq">I</hi> Sept. 1548.)</note></p><lb/> <p>Johann Brenz in Schwäbiſch-Hall ſaß mit Frau und<lb/> Kindern bei Tiſch, als er erfuhr, ein ſpaniſcher Hauptmann<lb/> ſey angekommen und dringe auf ſeine Auslieferung. Er that<lb/> als wolle er einen Kranken in der Vorſtadt beſuchen, und<lb/> eilte davon zu kommen. Auf einem Edelhofe in der Nähe<lb/> fand er eine Zuflucht, und auch ſeine Familie folgte ihm da-<lb/> hin nach; doch wagte er nur die Nächte daſelbſt zuzubringen,<lb/> denn fortwährend ward er geſucht; bei Tage hielt er ſich in<lb/> dem dichten Dunkel einer unwegſamen Waldung auf. Eine<lb/> beſſere Freiſtatt fand er endlich in dem würtenbergiſchen Schloß<lb/> Wettlingen auf dem Gipfel des Hohberges. Er hat daſelbſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0078]
Neuntes Buch. Zweites Capitel.
zu ſeyn, hörten ſie ſtillſchweigend zu und entfernten ſich ohne
eine Antwort zu geben. Nur die geiſtig-unbedeutendern
aber unterwarfen ſich. Veit Diedrich ward durch den Tod
dieſem Sturme entriſſen. Oſiander meinte, er wolle weichen
bis das Wetter vorübergezogen, und verließ Nürnberg; die
Stadt kündigte ſeiner Frau das Bürgerrecht auf.
In Ulm trotzte Frecht auf den Artikel ſeiner Vocation,
daß er das Evangelium ohne allen Zuſatz von Menſchenlehre
predigen ſolle; er ließ ſich auch die Anweſenheit des Kaiſers
nicht daran hindern. Dafür ward er ſammt ſeinen vornehm-
ſten Amtsgenoſſen in Ketten und Bande gelegt und unter der
Obhut einer ſpaniſchen Wacht dem kaiſerlichen Hoflager nach-
gefahren. Hinter dem Wagen lief ein Schulknabe her, der
es ſich nicht nehmen laſſen wollte, ſeinen geiſtlichen Meiſtern
in ihrem Gefängniß Dienſte zu leiſten. 1
Johann Brenz in Schwäbiſch-Hall ſaß mit Frau und
Kindern bei Tiſch, als er erfuhr, ein ſpaniſcher Hauptmann
ſey angekommen und dringe auf ſeine Auslieferung. Er that
als wolle er einen Kranken in der Vorſtadt beſuchen, und
eilte davon zu kommen. Auf einem Edelhofe in der Nähe
fand er eine Zuflucht, und auch ſeine Familie folgte ihm da-
hin nach; doch wagte er nur die Nächte daſelbſt zuzubringen,
denn fortwährend ward er geſucht; bei Tage hielt er ſich in
dem dichten Dunkel einer unwegſamen Waldung auf. Eine
beſſere Freiſtatt fand er endlich in dem würtenbergiſchen Schloß
Wettlingen auf dem Gipfel des Hohberges. Er hat daſelbſt
1 Auf Fuͤrbitte der Stadt antwortet Arras dem Ulmiſchen Ge-
ſandten Marchtaler: „daß ſie ſich in irer antwurt ſo uͤbel gehalten,
das ſie nit werd weren, das ſich die von Ulm jrer annemen.“ (March-
taler I Sept. 1548.)
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