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Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16).

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In den Gesellschaftsräumen der behaglichen zweistöckigen Holzhäuser, wie
sie selbst von den wohlhabendsten Klassen bewohnt wurden, konnte man ver-
einerten Damen begegnen, die blos der Kostüme der Regentschaft bedurften,
um den Gedanken zu erwecken, dass die Frauengestalten Jane Austens zu
neuem Leben erstanden seien. Handarbeiten, Musik, Haushaltungsarbeit,
Blumenzucht bildeten ihre Künste; sie kleideten sich einfach, jedoch nicht
ohne Sorgfalt und Geschmack; gepuderte und geschminkte Frauengesichter
hätten bei ihren gesellschaftlichen Zusammenkünften denselben grotesken Ein-
druck hervorgerufen, wie livrierte Lakaien mit gepudertem Haar. Sie lasen
Bücher - vorwiegend englische Romane. Die jüngeren Damen liebten das
Radfahren und das Lawn-Tennisspiel ebenso wie ihre Schwestern in England
und sie hatten auch begonnen Golf zu spielen. Beim Radeln trugen sie Rock-
schösse. Sie tanzten viel und gut und sassen weit öfter zu Pferde als welche
Engländerin immer ausserhalb der Aristokratie und des Landadels. Die Uni-
versitätskollegien standen ihnen ebenso wie in Schottland offen und einige
Dutzend Frauen hatten denn auch akademische Grade erworben. Doch gab
es keine weiblichen Arzte oder Rechtsanwälte. Diejenigen, die in den Kampf
ums Leben eintreten mussten, erwarben ihr Brot als Schulmeisterinnen, Fa-
briks- oder Heimstättenarbeiterinnen oder als Dienstmädchen.

Im Jahre 1893 verdienten etwa 14000 weibliche Wesen ihr Brot als
Dienstboten. Das Dienstmädchen der Kolonie bildet den Gegenstand zahl-
reicher Mythen. Von ihm werden zumindest ebenso viele Geschichten erzählt,
wie von den Schlangen Australiens oder den Winden Neuseelands. Es ist die
alte Fabel von Asops Bildhauer, der in einer Marmorgruppe einen Löwen von
einem Manne erwürgen lässt; hätte ein Löwe eine Marmorgruppe erzeugen
können, so wäre das Resultat gewiss das umgekehrte gewesen. Die Artikel,
welche man über den häuslichen Dienst in den Kolonien liest, sind nicht von
Köchinnen und Mägden geschrieben worden. Ihre Verfasser sind die "gnä'
Frau" oder andere zur selben Klasse wie die "Herrschaften" gehörende Per-
sonen. Deshalb hören wir auch so vieles über die Faulheit, Unbeständigkeit,
Ungeschicklichkeit und Widerspänstigkeit der Dienstmädchen. Achtbare Welt-
bummler versichern, dass diese Haushaltungstyrannen übermässige Löhne
fordern und erhalten, dass nichts Bescheidenes an ihnen ist als die Summe
ihrer Dienstleistungen, welche sie für genügend halten. Es wird erzählt,
dass sie keine Häubchen tragen wollen und diese Abzeichen der Knechtschaft
verächtlich zu Boden schleudern, wenn eine vermessene, frisch aus England
eingeschiffte Dame ihnen dasselbe anbietet. Wenn sie einen Platz suchen, so
lachen sie über Anfragen nach Referenzen früherer Herrinnen und erklären
der Sitte, von den Bewerberinnen "Zeugnisse" ihrer früheren Herrschaften zu
verlangen, den Krieg. Der Satz Popes: "Most women have no character at
all" ist hinsichtlich der Dienstmädchen in Australien oft genug zitiert wor-
den. Sie sollen ihre Abende angeblich zu grossen Gelagen ausserhalb des
Hauses oder zur Gewährung von Gastfreundschaft im Hause verwenden.
Weihnachten, lokale Wettrennen, kleinere Festlichkeiten bieten den launen-
haften Dienstboten Ausreden in Fülle, zu kündigen oder ohne Geräusch und
viele Worte auszutreten. Zeigt einmal die eine oder die andere Bereitwillig-
keit, Geschick und Verwendbarkeit, so wird sie sicherlich von irgend einem
kraftstrotzenden jungen Kolonisten weggeschnappt, der auf der Suche nach

In den Gesellschaftsräumen der behaglichen zweistöckigen Holzhäuser, wie
sie selbst von den wohlhabendsten Klassen bewohnt wurden, konnte man ver-
einerten Damen begegnen, die blos der Kostüme der Regentschaft bedurften,
um den Gedanken zu erwecken, dass die Frauengestalten Jane Austens zu
neuem Leben erstanden seien. Handarbeiten, Musik, Haushaltungsarbeit,
Blumenzucht bildeten ihre Künste; sie kleideten sich einfach, jedoch nicht
ohne Sorgfalt und Geschmack; gepuderte und geschminkte Frauengesichter
hätten bei ihren gesellschaftlichen Zusammenkünften denselben grotesken Ein-
druck hervorgerufen, wie livrierte Lakaien mit gepudertem Haar. Sie lasen
Bücher – vorwiegend englische Romane. Die jüngeren Damen liebten das
Radfahren und das Lawn-Tennisspiel ebenso wie ihre Schwestern in England
und sie hatten auch begonnen Golf zu spielen. Beim Radeln trugen sie Rock-
schösse. Sie tanzten viel und gut und sassen weit öfter zu Pferde als welche
Engländerin immer ausserhalb der Aristokratie und des Landadels. Die Uni-
versitätskollegien standen ihnen ebenso wie in Schottland offen und einige
Dutzend Frauen hatten denn auch akademische Grade erworben. Doch gab
es keine weiblichen Arzte oder Rechtsanwälte. Diejenigen, die in den Kampf
ums Leben eintreten mussten, erwarben ihr Brot als Schulmeisterinnen, Fa-
briks- oder Heimstättenarbeiterinnen oder als Dienstmädchen.

Im Jahre 1893 verdienten etwa 14000 weibliche Wesen ihr Brot als
Dienstboten. Das Dienstmädchen der Kolonie bildet den Gegenstand zahl-
reicher Mythen. Von ihm werden zumindest ebenso viele Geschichten erzählt,
wie von den Schlangen Australiens oder den Winden Neuseelands. Es ist die
alte Fabel von Asops Bildhauer, der in einer Marmorgruppe einen Löwen von
einem Manne erwürgen lässt; hätte ein Löwe eine Marmorgruppe erzeugen
können, so wäre das Resultat gewiss das umgekehrte gewesen. Die Artikel,
welche man über den häuslichen Dienst in den Kolonien liest, sind nicht von
Köchinnen und Mägden geschrieben worden. Ihre Verfasser sind die „gnä’
Frau“ oder andere zur selben Klasse wie die „Herrschaften“ gehörende Per-
sonen. Deshalb hören wir auch so vieles über die Faulheit, Unbeständigkeit,
Ungeschicklichkeit und Widerspänstigkeit der Dienstmädchen. Achtbare Welt-
bummler versichern, dass diese Haushaltungstyrannen übermässige Löhne
fordern und erhalten, dass nichts Bescheidenes an ihnen ist als die Summe
ihrer Dienstleistungen, welche sie für genügend halten. Es wird erzählt,
dass sie keine Häubchen tragen wollen und diese Abzeichen der Knechtschaft
verächtlich zu Boden schleudern, wenn eine vermessene, frisch aus England
eingeschiffte Dame ihnen dasselbe anbietet. Wenn sie einen Platz suchen, so
lachen sie über Anfragen nach Referenzen früherer Herrinnen und erklären
der Sitte, von den Bewerberinnen „Zeugnisse“ ihrer früheren Herrschaften zu
verlangen, den Krieg. Der Satz Popes: „Most women have no character at
all“ ist hinsichtlich der Dienstmädchen in Australien oft genug zitiert wor-
den. Sie sollen ihre Abende angeblich zu grossen Gelagen ausserhalb des
Hauses oder zur Gewährung von Gastfreundschaft im Hause verwenden.
Weihnachten, lokale Wettrennen, kleinere Festlichkeiten bieten den launen-
haften Dienstboten Ausreden in Fülle, zu kündigen oder ohne Geräusch und
viele Worte auszutreten. Zeigt einmal die eine oder die andere Bereitwillig-
keit, Geschick und Verwendbarkeit, so wird sie sicherlich von irgend einem
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[13/0015] In den Gesellschaftsräumen der behaglichen zweistöckigen Holzhäuser, wie sie selbst von den wohlhabendsten Klassen bewohnt wurden, konnte man ver- einerten Damen begegnen, die blos der Kostüme der Regentschaft bedurften, um den Gedanken zu erwecken, dass die Frauengestalten Jane Austens zu neuem Leben erstanden seien. Handarbeiten, Musik, Haushaltungsarbeit, Blumenzucht bildeten ihre Künste; sie kleideten sich einfach, jedoch nicht ohne Sorgfalt und Geschmack; gepuderte und geschminkte Frauengesichter hätten bei ihren gesellschaftlichen Zusammenkünften denselben grotesken Ein- druck hervorgerufen, wie livrierte Lakaien mit gepudertem Haar. Sie lasen Bücher – vorwiegend englische Romane. Die jüngeren Damen liebten das Radfahren und das Lawn-Tennisspiel ebenso wie ihre Schwestern in England und sie hatten auch begonnen Golf zu spielen. Beim Radeln trugen sie Rock- schösse. Sie tanzten viel und gut und sassen weit öfter zu Pferde als welche Engländerin immer ausserhalb der Aristokratie und des Landadels. Die Uni- versitätskollegien standen ihnen ebenso wie in Schottland offen und einige Dutzend Frauen hatten denn auch akademische Grade erworben. Doch gab es keine weiblichen Arzte oder Rechtsanwälte. Diejenigen, die in den Kampf ums Leben eintreten mussten, erwarben ihr Brot als Schulmeisterinnen, Fa- briks- oder Heimstättenarbeiterinnen oder als Dienstmädchen. Im Jahre 1893 verdienten etwa 14000 weibliche Wesen ihr Brot als Dienstboten. Das Dienstmädchen der Kolonie bildet den Gegenstand zahl- reicher Mythen. Von ihm werden zumindest ebenso viele Geschichten erzählt, wie von den Schlangen Australiens oder den Winden Neuseelands. Es ist die alte Fabel von Asops Bildhauer, der in einer Marmorgruppe einen Löwen von einem Manne erwürgen lässt; hätte ein Löwe eine Marmorgruppe erzeugen können, so wäre das Resultat gewiss das umgekehrte gewesen. Die Artikel, welche man über den häuslichen Dienst in den Kolonien liest, sind nicht von Köchinnen und Mägden geschrieben worden. Ihre Verfasser sind die „gnä’ Frau“ oder andere zur selben Klasse wie die „Herrschaften“ gehörende Per- sonen. Deshalb hören wir auch so vieles über die Faulheit, Unbeständigkeit, Ungeschicklichkeit und Widerspänstigkeit der Dienstmädchen. Achtbare Welt- bummler versichern, dass diese Haushaltungstyrannen übermässige Löhne fordern und erhalten, dass nichts Bescheidenes an ihnen ist als die Summe ihrer Dienstleistungen, welche sie für genügend halten. Es wird erzählt, dass sie keine Häubchen tragen wollen und diese Abzeichen der Knechtschaft verächtlich zu Boden schleudern, wenn eine vermessene, frisch aus England eingeschiffte Dame ihnen dasselbe anbietet. Wenn sie einen Platz suchen, so lachen sie über Anfragen nach Referenzen früherer Herrinnen und erklären der Sitte, von den Bewerberinnen „Zeugnisse“ ihrer früheren Herrschaften zu verlangen, den Krieg. Der Satz Popes: „Most women have no character at all“ ist hinsichtlich der Dienstmädchen in Australien oft genug zitiert wor- den. Sie sollen ihre Abende angeblich zu grossen Gelagen ausserhalb des Hauses oder zur Gewährung von Gastfreundschaft im Hause verwenden. Weihnachten, lokale Wettrennen, kleinere Festlichkeiten bieten den launen- haften Dienstboten Ausreden in Fülle, zu kündigen oder ohne Geräusch und viele Worte auszutreten. Zeigt einmal die eine oder die andere Bereitwillig- keit, Geschick und Verwendbarkeit, so wird sie sicherlich von irgend einem kraftstrotzenden jungen Kolonisten weggeschnappt, der auf der Suche nach

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-06T12:34:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-06T12:34:34Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16), S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reeves_wahlrecht_1904/15>, abgerufen am 21.11.2024.