Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16).Goldsucher, welche sich sechs Jahre hindurch über das Land ergoss, bestand Goldsucher, welche sich sechs Jahre hindurch über das Land ergoss, bestand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="22"/> Goldsucher, welche sich sechs Jahre hindurch über das Land ergoss, bestand<lb/> vorwiegend aus erwachsenen Männern, sodass dort Ende 1899 nahezu doppelt<lb/> so viele Männer lebten als Frauen. Bei einer Bevölkerung von 171000 Per-<lb/> sonen gab es weniger als 59000 Frauen und von diesen waren mehr als die<lb/> Hälfte unter 15 Jahre und sieben Achtel unter 45 Jahre alt. Blos 610 Frauen<lb/> hatten einbekanntermassen das Alter von 65 Jahren überschritten, sodass die<lb/> abgenützten Scherze gegen die weiblichen Politiker in Westaustralien nur<lb/> wenig Anwendung finden konnten. Diese eigentümlich geringe Zahl Bejahrter<lb/> war keinesfalls einem ungesunden Klima zuzuschreiben, denn das Klima des<lb/> südwestlichen Teiles Australiens ist dem Erreichen eines hohen Alters eher<lb/> günstig als nicht. Sie bildete blos den Beweis der ausserordentlichen Jugend<lb/> des Staates. Während, wie eben erwähnt, die Hälfte der Weiber im Alter<lb/> von unter 15 Jahren stand, waren blos zwei Siebentel der Männer unter<lb/> diesem Alter. Bei der Erwägung der Möglichkeit des Frauenwahlrechtes<lb/> hatte Westaustralien daher keine so grosse Menge neuer unerfahrener Wähler<lb/> zu gewärtigen als andere Kolonien, denn es entfielen auf 70000 grossjährige<lb/> Männer bloss 20000 grossjährige Frauen. Dies hatte jedoch nicht viel mit<lb/> der unerwarteten Entscheidung zu tun gehabt. Die Ursache derselben lag<lb/> wohl in den eigentümlichen Bevölkerungsverhältnissen der Kolonie, aber<lb/> nicht in dem geringen Verhältnisse der weiblichen Wähler zu den männlichen.<lb/> Sie verdankte ihren Ursprung der Spaltung der Bevölkerung in zwei Klassen:<lb/> die alte und die neue, die Grundbesitzer und die Goldsucher, das angesiedelte<lb/> herrschende Element und die eingewanderten Ausländer. Die letzteren, die<lb/> Männer der Goldfelder, waren – nachdem sie Jahre hindurch für ein<lb/> grösseres Ausmass politischer Rechte gekämpft – 1899 nahe daran, sie zu<lb/> erhalten. Sie sollten eine kräftige Vertretung im Parlamente zu Perth be-<lb/> kommen. Sir John Forrest war auf dem Sprunge, abzudanken und wenige<lb/> Monate später sollte seine zehnjährige Diktatur ihr Ende erreichen. Die<lb/> alte Ordnung war dem Untergange nahe und die herrschenden Familien<lb/> fühlten den Boden unter ihren Füssen schwanken. Die Politiker der alten<lb/> Ansiedelungsbezirke lugten ängstlich nach Mitteln aus, welche die Kraft der<lb/> drohenden Flut zu brechen geeignet wären. Sie glaubten dieselben im<lb/> Wahlrechte der Frauen gefunden zu haben. Die erwachsenen Frauen<lb/> waren in den älteren Bezirken naturgemäss in weit grösserer Zahl vertreten,<lb/> als in den wilden Bergwerksansiedelungen der Wüstenei. Durch die Bewillig-<lb/> ung des Frauenwahlrechtes würde die Majorität der Farmer und Viehzucht-<lb/> Gegenden sowie der Seehäfen gesteigert und der Einfluss der Ausländer bis<lb/> zu einem gewissen Grade neutralisiert werden. Im Jahre 1893 wurde dem<lb/> Unterhause zu Perth ein Antrag betreffs Ausdehnung des Wahlrechts auf die<lb/> Frauen unterbreitet. Er wurde damals und in den späteren Sessionen zurück-<lb/> gewiesen und die Majorität gegen denselben war nicht geringer geworden.<lb/> Sir John Forrest hatte aus materiellen Gründen dagegen Stellung genommen<lb/> und war sogar so weit gegangen, 1898 die Erklärung abzugeben, dass er<lb/> wohl wisse, die Änderung würde den alten Distrikten mehr Macht verleihen,<lb/> dass er aber dieses für keinen genügenden Grund halte, dem Antrage zuzu-<lb/> stimmen. Andere Politiker waren anderer Ansicht. Zu gleicher Zeit der be-<lb/> vorstehenden Föderation und der wachsenden Stärke der Goldfelder sich gegen-<lb/> über sehend, beschloss der „alte Young“, als letzte Karte <hi rendition="#g">die Königin</hi><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0024]
Goldsucher, welche sich sechs Jahre hindurch über das Land ergoss, bestand
vorwiegend aus erwachsenen Männern, sodass dort Ende 1899 nahezu doppelt
so viele Männer lebten als Frauen. Bei einer Bevölkerung von 171000 Per-
sonen gab es weniger als 59000 Frauen und von diesen waren mehr als die
Hälfte unter 15 Jahre und sieben Achtel unter 45 Jahre alt. Blos 610 Frauen
hatten einbekanntermassen das Alter von 65 Jahren überschritten, sodass die
abgenützten Scherze gegen die weiblichen Politiker in Westaustralien nur
wenig Anwendung finden konnten. Diese eigentümlich geringe Zahl Bejahrter
war keinesfalls einem ungesunden Klima zuzuschreiben, denn das Klima des
südwestlichen Teiles Australiens ist dem Erreichen eines hohen Alters eher
günstig als nicht. Sie bildete blos den Beweis der ausserordentlichen Jugend
des Staates. Während, wie eben erwähnt, die Hälfte der Weiber im Alter
von unter 15 Jahren stand, waren blos zwei Siebentel der Männer unter
diesem Alter. Bei der Erwägung der Möglichkeit des Frauenwahlrechtes
hatte Westaustralien daher keine so grosse Menge neuer unerfahrener Wähler
zu gewärtigen als andere Kolonien, denn es entfielen auf 70000 grossjährige
Männer bloss 20000 grossjährige Frauen. Dies hatte jedoch nicht viel mit
der unerwarteten Entscheidung zu tun gehabt. Die Ursache derselben lag
wohl in den eigentümlichen Bevölkerungsverhältnissen der Kolonie, aber
nicht in dem geringen Verhältnisse der weiblichen Wähler zu den männlichen.
Sie verdankte ihren Ursprung der Spaltung der Bevölkerung in zwei Klassen:
die alte und die neue, die Grundbesitzer und die Goldsucher, das angesiedelte
herrschende Element und die eingewanderten Ausländer. Die letzteren, die
Männer der Goldfelder, waren – nachdem sie Jahre hindurch für ein
grösseres Ausmass politischer Rechte gekämpft – 1899 nahe daran, sie zu
erhalten. Sie sollten eine kräftige Vertretung im Parlamente zu Perth be-
kommen. Sir John Forrest war auf dem Sprunge, abzudanken und wenige
Monate später sollte seine zehnjährige Diktatur ihr Ende erreichen. Die
alte Ordnung war dem Untergange nahe und die herrschenden Familien
fühlten den Boden unter ihren Füssen schwanken. Die Politiker der alten
Ansiedelungsbezirke lugten ängstlich nach Mitteln aus, welche die Kraft der
drohenden Flut zu brechen geeignet wären. Sie glaubten dieselben im
Wahlrechte der Frauen gefunden zu haben. Die erwachsenen Frauen
waren in den älteren Bezirken naturgemäss in weit grösserer Zahl vertreten,
als in den wilden Bergwerksansiedelungen der Wüstenei. Durch die Bewillig-
ung des Frauenwahlrechtes würde die Majorität der Farmer und Viehzucht-
Gegenden sowie der Seehäfen gesteigert und der Einfluss der Ausländer bis
zu einem gewissen Grade neutralisiert werden. Im Jahre 1893 wurde dem
Unterhause zu Perth ein Antrag betreffs Ausdehnung des Wahlrechts auf die
Frauen unterbreitet. Er wurde damals und in den späteren Sessionen zurück-
gewiesen und die Majorität gegen denselben war nicht geringer geworden.
Sir John Forrest hatte aus materiellen Gründen dagegen Stellung genommen
und war sogar so weit gegangen, 1898 die Erklärung abzugeben, dass er
wohl wisse, die Änderung würde den alten Distrikten mehr Macht verleihen,
dass er aber dieses für keinen genügenden Grund halte, dem Antrage zuzu-
stimmen. Andere Politiker waren anderer Ansicht. Zu gleicher Zeit der be-
vorstehenden Föderation und der wachsenden Stärke der Goldfelder sich gegen-
über sehend, beschloss der „alte Young“, als letzte Karte die Königin
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(2018-12-06T12:34:34Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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