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Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 5. Erfurt, 1754.

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5. Cap. Vom Hanfe
gende lächerliche Meinung angegeben: daß der
Lein, welcher aus einem Hause, darinnen eben je-
mand gestorben, genommen werde, zur Saat, wie
viele unzweiflich glauben, allerdings untüchtig sey,
massen er im Felde verläge und nicht aufgehe,
wieder welchen Schaden gut sey, wenn man ihn zu
einer andern Thür, durch welche der Tode nicht
getragen werde, oder, welches noch rathsamer und
gewisser, noch vor entstehendem Todes-Falle zeit-
lich hinaus bringe, und bis zur Saat anderswo
aufbehalte. Man muß sich billig sehr wundern,
daß kluge Leute dergleichen Fabeln so hingeschrie-
ben, und die einfältigen Bauers-Leute in solchen
Aberglauben bestärken, welche ohnediß mit aller-
hand Vorurtheilen angefüllet sind. Warum ge-
schiehet dieses nicht auch mit vielen andern Sä-
mereyen? Es sind in meinem Hause nach und
nach wohl über zehen Personen gestorben, und gleich-
wohl habe niemahlen einen Fehler, wegen des Auf-
gehens, weder an dem Leine noch andern Samen,
deren ich wohl über 150 Sorten liegend gehabt, an-
gemerket.

Glaublich ist es, daß dieses Vorgeben mit dem
Lein-Samen daher gekommen, weil man alten und
verlegenen Lein ergriffen, oder die Jahres-Witte-
rung das Aufgehen verhindert hat, zur selbigen
Zeit aber zufälliger Weise, jemand im Hause ge-
storben, woraus hernach der Schluß gemacht wor-
den, daß die Schuld der Leiche beyzumessen sey.
Es ist auch wohl kein Wunder, daß es bey dem
Lein und Flachse so viel Aberglauben und ungegrün-

dete

5. Cap. Vom Hanfe
gende laͤcherliche Meinung angegeben: daß der
Lein, welcher aus einem Hauſe, darinnen eben je-
mand geſtorben, genommen werde, zur Saat, wie
viele unzweiflich glauben, allerdings untuͤchtig ſey,
maſſen er im Felde verlaͤge und nicht aufgehe,
wieder welchen Schaden gut ſey, wenn man ihn zu
einer andern Thuͤr, durch welche der Tode nicht
getragen werde, oder, welches noch rathſamer und
gewiſſer, noch vor entſtehendem Todes-Falle zeit-
lich hinaus bringe, und bis zur Saat anderswo
aufbehalte. Man muß ſich billig ſehr wundern,
daß kluge Leute dergleichen Fabeln ſo hingeſchrie-
ben, und die einfaͤltigen Bauers-Leute in ſolchen
Aberglauben beſtaͤrken, welche ohnediß mit aller-
hand Vorurtheilen angefuͤllet ſind. Warum ge-
ſchiehet dieſes nicht auch mit vielen andern Saͤ-
mereyen? Es ſind in meinem Hauſe nach und
nach wohl uͤber zehen Perſonen geſtorben, und gleich-
wohl habe niemahlen einen Fehler, wegen des Auf-
gehens, weder an dem Leine noch andern Samen,
deren ich wohl uͤber 150 Sorten liegend gehabt, an-
gemerket.

Glaublich iſt es, daß dieſes Vorgeben mit dem
Lein-Samen daher gekommen, weil man alten und
verlegenen Lein ergriffen, oder die Jahres-Witte-
rung das Aufgehen verhindert hat, zur ſelbigen
Zeit aber zufaͤlliger Weiſe, jemand im Hauſe ge-
ſtorben, woraus hernach der Schluß gemacht wor-
den, daß die Schuld der Leiche beyzumeſſen ſey.
Es iſt auch wohl kein Wunder, daß es bey dem
Lein und Flachſe ſo viel Aberglauben und ungegruͤn-

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[174/0209] 5. Cap. Vom Hanfe gende laͤcherliche Meinung angegeben: daß der Lein, welcher aus einem Hauſe, darinnen eben je- mand geſtorben, genommen werde, zur Saat, wie viele unzweiflich glauben, allerdings untuͤchtig ſey, maſſen er im Felde verlaͤge und nicht aufgehe, wieder welchen Schaden gut ſey, wenn man ihn zu einer andern Thuͤr, durch welche der Tode nicht getragen werde, oder, welches noch rathſamer und gewiſſer, noch vor entſtehendem Todes-Falle zeit- lich hinaus bringe, und bis zur Saat anderswo aufbehalte. Man muß ſich billig ſehr wundern, daß kluge Leute dergleichen Fabeln ſo hingeſchrie- ben, und die einfaͤltigen Bauers-Leute in ſolchen Aberglauben beſtaͤrken, welche ohnediß mit aller- hand Vorurtheilen angefuͤllet ſind. Warum ge- ſchiehet dieſes nicht auch mit vielen andern Saͤ- mereyen? Es ſind in meinem Hauſe nach und nach wohl uͤber zehen Perſonen geſtorben, und gleich- wohl habe niemahlen einen Fehler, wegen des Auf- gehens, weder an dem Leine noch andern Samen, deren ich wohl uͤber 150 Sorten liegend gehabt, an- gemerket. Glaublich iſt es, daß dieſes Vorgeben mit dem Lein-Samen daher gekommen, weil man alten und verlegenen Lein ergriffen, oder die Jahres-Witte- rung das Aufgehen verhindert hat, zur ſelbigen Zeit aber zufaͤlliger Weiſe, jemand im Hauſe ge- ſtorben, woraus hernach der Schluß gemacht wor- den, daß die Schuld der Leiche beyzumeſſen ſey. Es iſt auch wohl kein Wunder, daß es bey dem Lein und Flachſe ſo viel Aberglauben und ungegruͤn- dete

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Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 5. Erfurt, 1754, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz05_1754/209>, abgerufen am 23.11.2024.