sel in seiner Thätigkeit und hebt durch die neu erregte den Zug auf, auf welchen der Kranke hinstarrt.
2) Der obigen Krankheit stehen die Ideen- züge und ihr höherer Grad die Gedankenjagd entgegen. In derselben leidet das Vorstellungs- vermögen an einem doppelten Gebrechen. Die Ideen scheinen theils isolirt und ohne Verknüp- fung zu seyn, die sie nach den Gesetzen der Asso- ciation haben sollten, theils folgen sie sich im Verhältniss mit dem Kraft-Maass des Kranken so schnell, dass es ihm an Weile fehlt, sie festzu- halten, zu beäugeln, zu vergleichen, zu trennen. Es keimen Bilder der Erinnerung, neue Schöp- fungen der Phantasie und tolle und verwirrte Rai- sonnements auf, die die Seele weder fixiren noch lenken kann. Sie gleicht einem Schiffe, das sein Ruder verlohren hat, und dem Spiele der Mee- reswogen gezwungen folgen muss. Die Phanta- sie hüpft ungezähmt, und mit wilder Schnellig- keit von einem Gegenstand auf den andern, so dass ihr regelloses und rasches Spiel bald alle Kräfte verzehrt. Bild auf Bild jagt sich, Ideen und Gedanken drängen ungerufen zu, aben- theuerliche Gestalten kommen aus dem Hinter- grunde der Seele hervor, treiben losgebunden umher und fliehen gleichsam wie leichte Körper im Sturm, oder wie Hecken und Bäume beim schnellen Fahren vorüber. Ihre Eile ist so gross, dass die Worte nicht Geschwindigkeit genug ha-
ſel in ſeiner Thätigkeit und hebt durch die neu erregte den Zug auf, auf welchen der Kranke hinſtarrt.
2) Der obigen Krankheit ſtehen die Ideen- züge und ihr höherer Grad die Gedankenjagd entgegen. In derſelben leidet das Vorſtellungs- vermögen an einem doppelten Gebrechen. Die Ideen ſcheinen theils iſolirt und ohne Verknüp- fung zu ſeyn, die ſie nach den Geſetzen der Aſſo- ciation haben ſollten, theils folgen ſie ſich im Verhältniſs mit dem Kraft-Maaſs des Kranken ſo ſchnell, daſs es ihm an Weile fehlt, ſie feſtzu- halten, zu beäugeln, zu vergleichen, zu trennen. Es keimen Bilder der Erinnerung, neue Schöp- fungen der Phantaſie und tolle und verwirrte Rai- ſonnements auf, die die Seele weder fixiren noch lenken kann. Sie gleicht einem Schiffe, das ſein Ruder verlohren hat, und dem Spiele der Mee- reswogen gezwungen folgen muſs. Die Phanta- ſie hüpft ungezähmt, und mit wilder Schnellig- keit von einem Gegenſtand auf den andern, ſo daſs ihr regelloſes und raſches Spiel bald alle Kräfte verzehrt. Bild auf Bild jagt ſich, Ideen und Gedanken drängen ungerufen zu, aben- theuerliche Geſtalten kommen aus dem Hinter- grunde der Seele hervor, treiben losgebunden umher und fliehen gleichſam wie leichte Körper im Sturm, oder wie Hecken und Bäume beim ſchnellen Fahren vorüber. Ihre Eile iſt ſo groſs, daſs die Worte nicht Geſchwindigkeit genug ha-
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ſel in ſeiner Thätigkeit und hebt durch die neu
erregte den Zug auf, auf welchen der Kranke
hinſtarrt.
2) Der obigen Krankheit ſtehen die Ideen-
züge und ihr höherer Grad die Gedankenjagd
entgegen. In derſelben leidet das Vorſtellungs-
vermögen an einem doppelten Gebrechen. Die
Ideen ſcheinen theils iſolirt und ohne Verknüp-
fung zu ſeyn, die ſie nach den Geſetzen der Aſſo-
ciation haben ſollten, theils folgen ſie ſich im
Verhältniſs mit dem Kraft-Maaſs des Kranken
ſo ſchnell, daſs es ihm an Weile fehlt, ſie feſtzu-
halten, zu beäugeln, zu vergleichen, zu trennen.
Es keimen Bilder der Erinnerung, neue Schöp-
fungen der Phantaſie und tolle und verwirrte Rai-
ſonnements auf, die die Seele weder fixiren noch
lenken kann. Sie gleicht einem Schiffe, das ſein
Ruder verlohren hat, und dem Spiele der Mee-
reswogen gezwungen folgen muſs. Die Phanta-
ſie hüpft ungezähmt, und mit wilder Schnellig-
keit von einem Gegenſtand auf den andern, ſo
daſs ihr regelloſes und raſches Spiel bald alle
Kräfte verzehrt. Bild auf Bild jagt ſich, Ideen
und Gedanken drängen ungerufen zu, aben-
theuerliche Geſtalten kommen aus dem Hinter-
grunde der Seele hervor, treiben losgebunden
umher und fliehen gleichſam wie leichte Körper
im Sturm, oder wie Hecken und Bäume beim
ſchnellen Fahren vorüber. Ihre Eile iſt ſo groſs,
daſs die Worte nicht Geſchwindigkeit genug ha-
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/137>, abgerufen am 23.11.2024.
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