in den Tollhäusern unnachlässig; ist es unnach- lässig, sie durch Zwang an ein System der Ord- nung und Nothwendigkeit. zu gewöhnen, damit sie für dieselbe empfänglich werden. Für eine kurze Zeit, und zu besondern Zwecken kann dies angenehme Lebensgefühl durch Mohnsaft, Wein und überhaupt durch flüchtige Reizmittel, in deren Gefolge eine transitorische Spannung der Kräfte entsteht, geweckt werden.
Der Wein und der Mohnsaft, beson- ders der Mohnsaft in kleinen Gaben, der den Magen nicht wie der Wein belästiget, spannen die Kräfte, wie bereits gesagt ist, und dies nimmt die Seele mit Wohlgefallen wahr. Der Mohnsaft steigert in der Regel denjenigen Ton der Seele, auf welchen sie eben gestimmt ist. Er macht uns froh, wenn wir zur Freude, traurig wenn wir zur Traurigkeit, zornig, wenn wir zum Zorn geneigt sind. Dem fixen Wahn theilt er gleichsam Thatkraft mit; er treibt die Kranken an, dieje- nigen Handlungen wirklich zu vollbringen, die ihr Irrsinn ihnen vorspiegelt. Der an Lebens- überdruss leidende Indianer nimmt Mohnsaft und wird dadurch zu einer wüthenden Bestie, die alles mordet, was ihr in den Weg kömmt. Ein solcher Wüthrig wird ein Hamuck genannt, bey dessen Erscheinung alle Wehrlose fliehen und bewaffnete Menschen herbeieilen, um das Unge- heuer zu erlegen *). Daher ist Vorsicht in seinem
*) Kämpferi Amönitatum Fasc. III.
in den Tollhäuſern unnachläſſig; iſt es unnach- läſſig, ſie durch Zwang an ein Syſtem der Ord- nung und Nothwendigkeit. zu gewöhnen, damit ſie für dieſelbe empfänglich werden. Für eine kurze Zeit, und zu beſondern Zwecken kann dies angenehme Lebensgefühl durch Mohnſaft, Wein und überhaupt durch flüchtige Reizmittel, in deren Gefolge eine tranſitoriſche Spannung der Kräfte entſteht, geweckt werden.
Der Wein und der Mohnſaft, beſon- ders der Mohnſaft in kleinen Gaben, der den Magen nicht wie der Wein beläſtiget, ſpannen die Kräfte, wie bereits geſagt iſt, und dies nimmt die Seele mit Wohlgefallen wahr. Der Mohnſaft ſteigert in der Regel denjenigen Ton der Seele, auf welchen ſie eben geſtimmt iſt. Er macht uns froh, wenn wir zur Freude, traurig wenn wir zur Traurigkeit, zornig, wenn wir zum Zorn geneigt ſind. Dem fixen Wahn theilt er gleichſam Thatkraft mit; er treibt die Kranken an, dieje- nigen Handlungen wirklich zu vollbringen, die ihr Irrſinn ihnen vorſpiegelt. Der an Lebens- überdruſs leidende Indianer nimmt Mohnſaft und wird dadurch zu einer wüthenden Beſtie, die alles mordet, was ihr in den Weg kömmt. Ein ſolcher Wüthrig wird ein Hamuck genannt, bey deſſen Erſcheinung alle Wehrloſe fliehen und bewaffnete Menſchen herbeieilen, um das Unge- heuer zu erlegen *). Daher iſt Vorſicht in ſeinem
*) Kämpferi Amönitatum Faſc. III.
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in den Tollhäuſern unnachläſſig; iſt es unnach-
läſſig, ſie durch Zwang an ein Syſtem der Ord-
nung und Nothwendigkeit. zu gewöhnen, damit
ſie für dieſelbe empfänglich werden. Für eine
kurze Zeit, und zu beſondern Zwecken kann
dies angenehme Lebensgefühl durch Mohnſaft,
Wein und überhaupt durch flüchtige Reizmittel,
in deren Gefolge eine tranſitoriſche Spannung der
Kräfte entſteht, geweckt werden.
Der Wein und der Mohnſaft, beſon-
ders der Mohnſaft in kleinen Gaben, der den
Magen nicht wie der Wein beläſtiget, ſpannen
die Kräfte, wie bereits geſagt iſt, und dies nimmt
die Seele mit Wohlgefallen wahr. Der Mohnſaft
ſteigert in der Regel denjenigen Ton der Seele,
auf welchen ſie eben geſtimmt iſt. Er macht uns
froh, wenn wir zur Freude, traurig wenn wir
zur Traurigkeit, zornig, wenn wir zum Zorn
geneigt ſind. Dem fixen Wahn theilt er gleichſam
Thatkraft mit; er treibt die Kranken an, dieje-
nigen Handlungen wirklich zu vollbringen, die
ihr Irrſinn ihnen vorſpiegelt. Der an Lebens-
überdruſs leidende Indianer nimmt Mohnſaft und
wird dadurch zu einer wüthenden Beſtie,
die alles mordet, was ihr in den Weg kömmt. Ein
ſolcher Wüthrig wird ein Hamuck genannt,
bey deſſen Erſcheinung alle Wehrloſe fliehen und
bewaffnete Menſchen herbeieilen, um das Unge-
heuer zu erlegen *). Daher iſt Vorſicht in ſeinem
*) Kämpferi Amönitatum Faſc. III.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/188>, abgerufen am 18.12.2024.
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