nöthigen, wenn er nicht ganz gefesselt ist. Bey diesem ganzen Vorgang betrachten wir ihn zur Zeit als blossen passiven Zuschauer.
Der erste Schritt ist gethan; wir rücken einen weiter vorwärts. Wir wählen andere Reiz- mittel, die immer noch so stark seyn müssen, dass sie den Kranken nicht in seine Unbesonnen- heit zurück fallen lassen, aber dabey ihn zur eignen Thätigkeit nöthigen. Er darf jetzt nicht mehr blosser passiver Zuschauer blei- ben, sondern muss handelndes Subject werden. Dadurch wird nicht allein die äussere sondern auch die innere Besonnenheit und das Selbstbewusstseyn geweckt. Die Mittel dazu sind theils der Art, dass sie ohne Leidenschaft, theils der Art, dass sie durch erregte heftige Leiden- schaften zur Thätigkeit treiben. Die letzten Mittel passen nur für Kranke, die durch gelindere nicht zu halten sind, können empfindlichen Per- sonen schaden und müssen daher anfangs in geringen Gaben und mit Behutsamkeit angewandt werden.
Man trifft eine Veranstaltung, die den Kranken nöthiget mit scheinbaren Gefah- ren zu kämpfen. Dies beschäfftigt seine Einbildungskraft, erregt seine Leidenschaften, nöthigt seinen Verstand, Mittel zur Rettung für sich zu erfinden und dieselben zweckmässig aus- zuführen. Ich werde bloss einige Phantasieen hinwerfen, die dem praktischen Arzt als Regula-
nöthigen, wenn er nicht ganz gefeſſelt iſt. Bey dieſem ganzen Vorgang betrachten wir ihn zur Zeit als bloſsen paſſiven Zuſchauer.
Der erſte Schritt iſt gethan; wir rücken einen weiter vorwärts. Wir wählen andere Reiz- mittel, die immer noch ſo ſtark ſeyn müſſen, daſs ſie den Kranken nicht in ſeine Unbeſonnen- heit zurück fallen laſſen, aber dabey ihn zur eignen Thätigkeit nöthigen. Er darf jetzt nicht mehr bloſser paſſiver Zuſchauer blei- ben, ſondern muſs handelndes Subject werden. Dadurch wird nicht allein die äuſsere ſondern auch die innere Beſonnenheit und das Selbſtbewuſstſeyn geweckt. Die Mittel dazu ſind theils der Art, daſs ſie ohne Leidenſchaft, theils der Art, daſs ſie durch erregte heftige Leiden- ſchaften zur Thätigkeit treiben. Die letzten Mittel paſſen nur für Kranke, die durch gelindere nicht zu halten ſind, können empfindlichen Per- ſonen ſchaden und müſſen daher anfangs in geringen Gaben und mit Behutſamkeit angewandt werden.
Man trifft eine Veranſtaltung, die den Kranken nöthiget mit ſcheinbaren Gefah- ren zu kämpfen. Dies beſchäfftigt ſeine Einbildungskraft, erregt ſeine Leidenſchaften, nöthigt ſeinen Verſtand, Mittel zur Rettung für ſich zu erfinden und dieſelben zweckmäſsig aus- zuführen. Ich werde bloſs einige Phantaſieen hinwerfen, die dem praktiſchen Arzt als Regula-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0242"n="237"/>
nöthigen, wenn er nicht ganz gefeſſelt iſt. Bey<lb/>
dieſem ganzen Vorgang betrachten wir ihn zur<lb/>
Zeit als bloſsen <hirendition="#g">paſſiven Zuſchauer</hi>.</p><lb/><p>Der erſte Schritt iſt gethan; wir rücken<lb/>
einen weiter vorwärts. Wir wählen andere Reiz-<lb/>
mittel, die immer noch ſo ſtark ſeyn müſſen,<lb/>
daſs ſie den Kranken nicht in ſeine Unbeſonnen-<lb/>
heit zurück fallen laſſen, aber dabey <hirendition="#g">ihn zur<lb/>
eignen Thätigkeit nöthigen</hi>. Er darf<lb/>
jetzt nicht mehr bloſser paſſiver Zuſchauer blei-<lb/>
ben, ſondern muſs <hirendition="#g">handelndes Subject</hi><lb/>
werden. Dadurch wird nicht allein die äuſsere<lb/>ſondern auch die innere Beſonnenheit und das<lb/>
Selbſtbewuſstſeyn geweckt. Die Mittel dazu ſind<lb/>
theils der Art, daſs ſie ohne Leidenſchaft, theils<lb/>
der Art, daſs ſie durch erregte heftige Leiden-<lb/>ſchaften zur Thätigkeit treiben. Die letzten<lb/>
Mittel paſſen nur für Kranke, die durch gelindere<lb/>
nicht zu halten ſind, können empfindlichen Per-<lb/>ſonen ſchaden und müſſen daher anfangs in<lb/>
geringen Gaben und mit Behutſamkeit angewandt<lb/>
werden.</p><lb/><p>Man trifft eine Veranſtaltung, die den<lb/>
Kranken nöthiget <hirendition="#g">mit ſcheinbaren Gefah-<lb/>
ren zu kämpfen</hi>. Dies beſchäfftigt ſeine<lb/>
Einbildungskraft, erregt ſeine Leidenſchaften,<lb/>
nöthigt ſeinen Verſtand, Mittel zur Rettung für<lb/>ſich zu erfinden und dieſelben zweckmäſsig aus-<lb/>
zuführen. Ich werde bloſs einige Phantaſieen<lb/>
hinwerfen, die dem praktiſchen Arzt als Regula-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0242]
nöthigen, wenn er nicht ganz gefeſſelt iſt. Bey
dieſem ganzen Vorgang betrachten wir ihn zur
Zeit als bloſsen paſſiven Zuſchauer.
Der erſte Schritt iſt gethan; wir rücken
einen weiter vorwärts. Wir wählen andere Reiz-
mittel, die immer noch ſo ſtark ſeyn müſſen,
daſs ſie den Kranken nicht in ſeine Unbeſonnen-
heit zurück fallen laſſen, aber dabey ihn zur
eignen Thätigkeit nöthigen. Er darf
jetzt nicht mehr bloſser paſſiver Zuſchauer blei-
ben, ſondern muſs handelndes Subject
werden. Dadurch wird nicht allein die äuſsere
ſondern auch die innere Beſonnenheit und das
Selbſtbewuſstſeyn geweckt. Die Mittel dazu ſind
theils der Art, daſs ſie ohne Leidenſchaft, theils
der Art, daſs ſie durch erregte heftige Leiden-
ſchaften zur Thätigkeit treiben. Die letzten
Mittel paſſen nur für Kranke, die durch gelindere
nicht zu halten ſind, können empfindlichen Per-
ſonen ſchaden und müſſen daher anfangs in
geringen Gaben und mit Behutſamkeit angewandt
werden.
Man trifft eine Veranſtaltung, die den
Kranken nöthiget mit ſcheinbaren Gefah-
ren zu kämpfen. Dies beſchäfftigt ſeine
Einbildungskraft, erregt ſeine Leidenſchaften,
nöthigt ſeinen Verſtand, Mittel zur Rettung für
ſich zu erfinden und dieſelben zweckmäſsig aus-
zuführen. Ich werde bloſs einige Phantaſieen
hinwerfen, die dem praktiſchen Arzt als Regula-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/242>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.