tiv zur Erfindung ähnlicher Mittel in concreten Fällen dienen mögen. Man bringe den Kranken in ein geschlossenes Terrain, wo dem Auge die Uebersicht des Ganzen überall durch Hecken und Irrgänge verrennt ist. In demselben droht jede Partie Gefahr. Hier fällt eine Traufe auf ihn; er sucht zu entrinnen, aber umsonst, verborgene Sprützen verfolgen ihn mit Wassergüssen. In der Nähe verspricht ein anmuthiges Plätzchen Ruhe und Schutz; er sucht es zu gewinnen, aber ein scheinbar reissendes Thier empfängt ihn, das ihn ängstiget, ohne ihm zu schaden. Er bemüht sich über einen Hügel zu entfliehn, von dessen Spitze er wieder herunter rollt, wenn er sie kaum er- reicht hat. An einem anderen Ort sinkt der Grund, er fällt in eine Grube, aus welcher er nur mit Mühe einen Ausgang findet. Kurz alle Punkte des Lokals sind so eingerichtet, dass sie überall scheinbare Gefahren drohen, die gerade den Grad von Stärke haben, der zur Erhaltung der Aufmerksamkeit zureicht. Sie müssen den Kranken weder verwirrt noch muthlos machen, sondern ihm Hoffnung zu Rettung anbieten und durch dieselbe seine Vermögen in Thätigkeit setzen. Sie müssen ihm Ruhepunkte zur Erholung lassen, wenn er ermüdet ist, mit gelinderen wech- seln und in dem Maasse an Intensität des Ein- drucks abnehmen, als die Besonnenheit zuge- nommen hat.
tiv zur Erfindung ähnlicher Mittel in concreten Fällen dienen mögen. Man bringe den Kranken in ein geſchloſſenes Terrain, wo dem Auge die Ueberſicht des Ganzen überall durch Hecken und Irrgänge verrennt iſt. In demſelben droht jede Partie Gefahr. Hier fällt eine Traufe auf ihn; er ſucht zu entrinnen, aber umſonſt, verborgene Sprützen verfolgen ihn mit Waſſergüſſen. In der Nähe verſpricht ein anmuthiges Plätzchen Ruhe und Schutz; er ſucht es zu gewinnen, aber ein ſcheinbar reiſsendes Thier empfängt ihn, das ihn ängſtiget, ohne ihm zu ſchaden. Er bemüht ſich über einen Hügel zu entfliehn, von deſſen Spitze er wieder herunter rollt, wenn er ſie kaum er- reicht hat. An einem anderen Ort ſinkt der Grund, er fällt in eine Grube, aus welcher er nur mit Mühe einen Ausgang findet. Kurz alle Punkte des Lokals ſind ſo eingerichtet, daſs ſie überall ſcheinbare Gefahren drohen, die gerade den Grad von Stärke haben, der zur Erhaltung der Aufmerkſamkeit zureicht. Sie müſſen den Kranken weder verwirrt noch muthlos machen, ſondern ihm Hoffnung zu Rettung anbieten und durch dieſelbe ſeine Vermögen in Thätigkeit ſetzen. Sie müſſen ihm Ruhepunkte zur Erholung laſſen, wenn er ermüdet iſt, mit gelinderen wech- ſeln und in dem Maaſse an Intenſität des Ein- drucks abnehmen, als die Beſonnenheit zuge- nommen hat.
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tiv zur Erfindung ähnlicher Mittel in concreten
Fällen dienen mögen. Man bringe den Kranken
in ein geſchloſſenes Terrain, wo dem Auge die
Ueberſicht des Ganzen überall durch Hecken und
Irrgänge verrennt iſt. In demſelben droht jede
Partie Gefahr. Hier fällt eine Traufe auf ihn;
er ſucht zu entrinnen, aber umſonſt, verborgene
Sprützen verfolgen ihn mit Waſſergüſſen. In der
Nähe verſpricht ein anmuthiges Plätzchen Ruhe
und Schutz; er ſucht es zu gewinnen, aber ein
ſcheinbar reiſsendes Thier empfängt ihn, das ihn
ängſtiget, ohne ihm zu ſchaden. Er bemüht ſich
über einen Hügel zu entfliehn, von deſſen Spitze
er wieder herunter rollt, wenn er ſie kaum er-
reicht hat. An einem anderen Ort ſinkt der
Grund, er fällt in eine Grube, aus welcher er nur
mit Mühe einen Ausgang findet. Kurz alle
Punkte des Lokals ſind ſo eingerichtet, daſs ſie
überall ſcheinbare Gefahren drohen, die gerade
den Grad von Stärke haben, der zur Erhaltung
der Aufmerkſamkeit zureicht. Sie müſſen den
Kranken weder verwirrt noch muthlos machen,
ſondern ihm Hoffnung zu Rettung anbieten und
durch dieſelbe ſeine Vermögen in Thätigkeit
ſetzen. Sie müſſen ihm Ruhepunkte zur Erholung
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/243>, abgerufen am 09.11.2024.
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