sen, nur dass der Zweck falsch ist. Ich erwartete, sagt ein von Willis geheilter Wahnsinniger, meine Anfälle mit Ungeduld, denn ich genoss wäh- rend derselben einer Art von Seligkeit. Alles schien mir leicht, kein Hinderniss hemmte mich, weder in der Theorie noch in der Ausführung. Mein Gedächtniss bekam auf einmal eine beson- dere Vollkommenheit. Ich erinnerte mich lan- ger Stellen aus lateinischen Schriftstellern. Es kostete mir im gewöhnlichen Leben viel Mühe gelegentlich Reime zu finden, aber in der Krank- heit schrieb ich so geläufig in Versen als in Prosa. Ich war verschmitzt, sogar boshaft und frucht- bar an Hülfsmitteln aller Art *). In andern Fäl- len scheint alle Energie der Seele erloschen zu seyn; sie starrt wie eine Bildsäule auf einen Ge- genstand hin, fasst die einfachsten Verhältnisse nicht mehr, kann zu keinen Entschlüssen gelangen oder dieselben nicht ausführen. Sonderbar ist es, dass diese Zustände der Sthenie und Asthenie oft schnell und ohne bekannte Ursache, nach dem Lauf der Anfälle, oder gar nahe vor dem Tode in hitzi- gen Fiebern, mit einander wechseln **). In der
Sthenie
*)Pinel S. 30 und 370.
**) Mens vaticinando idonea. Primum quidem seipsos de vita migraturos praesentiunt, deinde praesentibus sutura denuntiant. Nonnulli vero interdum eorum dictis fidem non habendam pu- tant, sed dictorum eventus homines in eorum admirationem concitat. Aliqui praeterea ex his
cum
ſen, nur daſs der Zweck falſch iſt. Ich erwartete, ſagt ein von Willis geheilter Wahnſinniger, meine Anfälle mit Ungeduld, denn ich genoſs wäh- rend derſelben einer Art von Seligkeit. Alles ſchien mir leicht, kein Hinderniſs hemmte mich, weder in der Theorie noch in der Ausführung. Mein Gedächtniſs bekam auf einmal eine beſon- dere Vollkommenheit. Ich erinnerte mich lan- ger Stellen aus lateiniſchen Schriftſtellern. Es koſtete mir im gewöhnlichen Leben viel Mühe gelegentlich Reime zu finden, aber in der Krank- heit ſchrieb ich ſo geläufig in Verſen als in Proſa. Ich war verſchmitzt, ſogar boshaft und frucht- bar an Hülfsmitteln aller Art *). In andern Fäl- len ſcheint alle Energie der Seele erloſchen zu ſeyn; ſie ſtarrt wie eine Bildſäule auf einen Ge- genſtand hin, faſst die einfachſten Verhältniſſe nicht mehr, kann zu keinen Entſchlüſſen gelangen oder dieſelben nicht ausführen. Sonderbar iſt es, daſs dieſe Zuſtände der Sthenie und Aſthenie oft ſchnell und ohne bekannte Urſache, nach dem Lauf der Anfälle, oder gar nahe vor dem Tode in hitzi- gen Fiebern, mit einander wechſeln **). In der
Sthenie
*)Pinel S. 30 und 370.
**) Mens vaticinando idonea. Primum quidem ſeipſos de vita migraturos praeſentiunt, deinde praeſentibus ſutura denuntiant. Nonnulli vero interdum eorum dictis fidem non habendam pu- tant, ſed dictorum eventus homines in eorum admirationem concitat. Aliqui praeterea ex his
cum
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ſen, nur daſs der Zweck falſch iſt. Ich erwartete,
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meine Anfälle mit Ungeduld, denn ich genoſs wäh-
rend derſelben einer Art von Seligkeit. Alles
ſchien mir leicht, kein Hinderniſs hemmte mich,
weder in der Theorie noch in der Ausführung.
Mein Gedächtniſs bekam auf einmal eine beſon-
dere Vollkommenheit. Ich erinnerte mich lan-
ger Stellen aus lateiniſchen Schriftſtellern. Es
koſtete mir im gewöhnlichen Leben viel Mühe
gelegentlich Reime zu finden, aber in der Krank-
heit ſchrieb ich ſo geläufig in Verſen als in Proſa.
Ich war verſchmitzt, ſogar boshaft und frucht-
bar an Hülfsmitteln aller Art *). In andern Fäl-
len ſcheint alle Energie der Seele erloſchen zu
ſeyn; ſie ſtarrt wie eine Bildſäule auf einen Ge-
genſtand hin, faſst die einfachſten Verhältniſſe
nicht mehr, kann zu keinen Entſchlüſſen gelangen
oder dieſelben nicht ausführen. Sonderbar iſt es,
daſs dieſe Zuſtände der Sthenie und Aſthenie oft
ſchnell und ohne bekannte Urſache, nach dem Lauf
der Anfälle, oder gar nahe vor dem Tode in hitzi-
gen Fiebern, mit einander wechſeln **). In der
Sthenie
*) Pinel S. 30 und 370.
**) Mens vaticinando idonea. Primum quidem
ſeipſos de vita migraturos praeſentiunt, deinde
praeſentibus ſutura denuntiant. Nonnulli vero
interdum eorum dictis fidem non habendam pu-
tant, ſed dictorum eventus homines in eorum
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/309>, abgerufen am 22.11.2024.
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