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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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dem er es an der Hand fasste, ich bin zwar nicht
das, was man gesund nennt, doch hoffe ich es
bald zu werden, da meine Besserung von Stunde
zu Stunde zunimmt. Den grossen Arzt seine
eigne Gefahr verkennen, und den zärtlichen Va-
ter vielleicht so bald von seinem Liebling getrennt
zu sehen, rührte die Anwesenden so sehr, dass
sie in Thränen ausbrachen, und einer nach dem
andern die Stube verliess. Diese Scene machte
auf den Patienten einen so starken Eindruck,
dass er dadurch augenblicklich zum vollen Be-
wusstseyn seines Zustandes kam. Der Contrast,
sagte er mir, den die traurigen Gesichter mit
meiner geäusserten Hoffnung einer baldigen Ge-
nesung machten, wirkte so lebhaft auf mich, dass
ich auf einmal aus meiner Verirrung in Ansehung
meiner selbst zu mir kam. Ich habe mir diese
Nacht viel mit einem gefährlichen Kranken zu
schaffen gemacht, an dessen Genesung mir und
meiner Familie sehr gelegen war. Ich wusste es,
dass er in meinem Hause lag, suchte ihn von
einem Zimmer zum andern, nahm eine Person
nach der andern von meinen Hausgenossen vor,
fand ihn aber nirgends. Jetzt sehe ich, dass ich
selbst der Kranke gewesen bin. Dann nahm er
verschiedne Geschäffte vor, die theils viele See-
lenkraft, theils eine genaue Besonnenheit auf alle
Umstände der Personen voraussetzten, mit wel-
chen er sie verhandelte, und fiel nachher wieder
in seinen vorigen Zustand von Bewusstlosigkeit

dem er es an der Hand faſste, ich bin zwar nicht
das, was man geſund nennt, doch hoffe ich es
bald zu werden, da meine Beſſerung von Stunde
zu Stunde zunimmt. Den groſsen Arzt ſeine
eigne Gefahr verkennen, und den zärtlichen Va-
ter vielleicht ſo bald von ſeinem Liebling getrennt
zu ſehen, rührte die Anweſenden ſo ſehr, daſs
ſie in Thränen ausbrachen, und einer nach dem
andern die Stube verlieſs. Dieſe Scene machte
auf den Patienten einen ſo ſtarken Eindruck,
daſs er dadurch augenblicklich zum vollen Be-
wuſstſeyn ſeines Zuſtandes kam. Der Contraſt,
ſagte er mir, den die traurigen Geſichter mit
meiner geäuſserten Hoffnung einer baldigen Ge-
neſung machten, wirkte ſo lebhaft auf mich, daſs
ich auf einmal aus meiner Verirrung in Anſehung
meiner ſelbſt zu mir kam. Ich habe mir dieſe
Nacht viel mit einem gefährlichen Kranken zu
ſchaffen gemacht, an deſſen Geneſung mir und
meiner Familie ſehr gelegen war. Ich wuſste es,
daſs er in meinem Hauſe lag, ſuchte ihn von
einem Zimmer zum andern, nahm eine Perſon
nach der andern von meinen Hausgenoſſen vor,
fand ihn aber nirgends. Jetzt ſehe ich, daſs ich
ſelbſt der Kranke geweſen bin. Dann nahm er
verſchiedne Geſchäffte vor, die theils viele See-
lenkraft, theils eine genaue Beſonnenheit auf alle
Umſtände der Perſonen vorausſetzten, mit wel-
chen er ſie verhandelte, und fiel nachher wieder
in ſeinen vorigen Zuſtand von Bewuſstloſigkeit

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[70/0075] dem er es an der Hand faſste, ich bin zwar nicht das, was man geſund nennt, doch hoffe ich es bald zu werden, da meine Beſſerung von Stunde zu Stunde zunimmt. Den groſsen Arzt ſeine eigne Gefahr verkennen, und den zärtlichen Va- ter vielleicht ſo bald von ſeinem Liebling getrennt zu ſehen, rührte die Anweſenden ſo ſehr, daſs ſie in Thränen ausbrachen, und einer nach dem andern die Stube verlieſs. Dieſe Scene machte auf den Patienten einen ſo ſtarken Eindruck, daſs er dadurch augenblicklich zum vollen Be- wuſstſeyn ſeines Zuſtandes kam. Der Contraſt, ſagte er mir, den die traurigen Geſichter mit meiner geäuſserten Hoffnung einer baldigen Ge- neſung machten, wirkte ſo lebhaft auf mich, daſs ich auf einmal aus meiner Verirrung in Anſehung meiner ſelbſt zu mir kam. Ich habe mir dieſe Nacht viel mit einem gefährlichen Kranken zu ſchaffen gemacht, an deſſen Geneſung mir und meiner Familie ſehr gelegen war. Ich wuſste es, daſs er in meinem Hauſe lag, ſuchte ihn von einem Zimmer zum andern, nahm eine Perſon nach der andern von meinen Hausgenoſſen vor, fand ihn aber nirgends. Jetzt ſehe ich, daſs ich ſelbſt der Kranke geweſen bin. Dann nahm er verſchiedne Geſchäffte vor, die theils viele See- lenkraft, theils eine genaue Beſonnenheit auf alle Umſtände der Perſonen vorausſetzten, mit wel- chen er ſie verhandelte, und fiel nachher wieder in ſeinen vorigen Zuſtand von Bewuſstloſigkeit

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/75>, abgerufen am 26.11.2024.