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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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Spur kommen, wenn wir erst wüssten, was
Schlaf, was Wachen sey.

Was mag es wol für eine Revolution seyn,
die erst in der Organisation vor sich gehen muss,
ehe aus einem wachenden Menschen ein schlafen-
der, aus einem schlafenden ein wachender werden
kann? Zuverlässig eine sehr merkwürdige. In
dem Augenblick, wo der Schlaf entrückt, und
das Erwachen wirklich wird, muss der Nerven-
mensch mit seinen Anhängen in ein anderes Ver-
hältniss treten, eine ganz andere Sympathie zwi-
schen den Organen des Mikrokosmus sich begrün-
den und das + und -- der Erregbarkeit zwi-
schen den antagonisirenden Systemen umgekehrt
werden. Um uns davon zu überzeugen, dürfen
wir nur einmal mit Aufmerksamkeit das wieder
aufkeimende Leben beobachtet haben, welches
das Erwachen in jede Faser der abgestorbenen
Glieder giesst; nur einmal im Anfall des Alps,
nahe an der Grenze des Erwachens, mit dem
sehnlichsten Wunsch zu erwachen, herumgeirrt
seyn, ohne über dieselbe treten zu können; nur
einmal Zuschauer der blitzschnellen Rückkehr
von den heftigsten Anfällen der Raserey und von
den wildesten Zuckungen junger Mädchen, zur
Zeit der Entwickelung der Mannbarkeit, zum
vollen und frohen Bewusstseyn gewesen seyn.

Warum ist der Schlaf unentbehrlich? Nicht
etwan deswegen, damit der Organismus durch
Ruhe neue Kraft zum Wirken sammle. Gerade

Spur kommen, wenn wir erſt wüſsten, was
Schlaf, was Wachen ſey.

Was mag es wol für eine Revolution ſeyn,
die erſt in der Organiſation vor ſich gehen muſs,
ehe aus einem wachenden Menſchen ein ſchlafen-
der, aus einem ſchlafenden ein wachender werden
kann? Zuverläſſig eine ſehr merkwürdige. In
dem Augenblick, wo der Schlaf entrückt, und
das Erwachen wirklich wird, muſs der Nerven-
menſch mit ſeinen Anhängen in ein anderes Ver-
hältniſs treten, eine ganz andere Sympathie zwi-
ſchen den Organen des Mikrokosmus ſich begrün-
den und das + und — der Erregbarkeit zwi-
ſchen den antagoniſirenden Syſtemen umgekehrt
werden. Um uns davon zu überzeugen, dürfen
wir nur einmal mit Aufmerkſamkeit das wieder
aufkeimende Leben beobachtet haben, welches
das Erwachen in jede Faſer der abgeſtorbenen
Glieder gieſst; nur einmal im Anfall des Alps,
nahe an der Grenze des Erwachens, mit dem
ſehnlichſten Wunſch zu erwachen, herumgeirrt
ſeyn, ohne über dieſelbe treten zu können; nur
einmal Zuſchauer der blitzſchnellen Rückkehr
von den heftigſten Anfällen der Raſerey und von
den wildeſten Zuckungen junger Mädchen, zur
Zeit der Entwickelung der Mannbarkeit, zum
vollen und frohen Bewuſstſeyn geweſen ſeyn.

Warum iſt der Schlaf unentbehrlich? Nicht
etwan deswegen, damit der Organismus durch
Ruhe neue Kraft zum Wirken ſammle. Gerade

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[88/0093] Spur kommen, wenn wir erſt wüſsten, was Schlaf, was Wachen ſey. Was mag es wol für eine Revolution ſeyn, die erſt in der Organiſation vor ſich gehen muſs, ehe aus einem wachenden Menſchen ein ſchlafen- der, aus einem ſchlafenden ein wachender werden kann? Zuverläſſig eine ſehr merkwürdige. In dem Augenblick, wo der Schlaf entrückt, und das Erwachen wirklich wird, muſs der Nerven- menſch mit ſeinen Anhängen in ein anderes Ver- hältniſs treten, eine ganz andere Sympathie zwi- ſchen den Organen des Mikrokosmus ſich begrün- den und das + und — der Erregbarkeit zwi- ſchen den antagoniſirenden Syſtemen umgekehrt werden. Um uns davon zu überzeugen, dürfen wir nur einmal mit Aufmerkſamkeit das wieder aufkeimende Leben beobachtet haben, welches das Erwachen in jede Faſer der abgeſtorbenen Glieder gieſst; nur einmal im Anfall des Alps, nahe an der Grenze des Erwachens, mit dem ſehnlichſten Wunſch zu erwachen, herumgeirrt ſeyn, ohne über dieſelbe treten zu können; nur einmal Zuſchauer der blitzſchnellen Rückkehr von den heftigſten Anfällen der Raſerey und von den wildeſten Zuckungen junger Mädchen, zur Zeit der Entwickelung der Mannbarkeit, zum vollen und frohen Bewuſstſeyn geweſen ſeyn. Warum iſt der Schlaf unentbehrlich? Nicht etwan deswegen, damit der Organismus durch Ruhe neue Kraft zum Wirken ſammle. Gerade

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/93>, abgerufen am 24.11.2024.