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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Periode. Von Yoritomo's Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
Grunde gerichtet hatten, übergehen zu lassen. Sie erbat sich daher
und erhielt vom Exmikado Go-Toba den zweijährigen Sohn des Sa-
daijin zum Shogun und führte für denselben bis zu ihrem Tode 1225
formell die Regentschaft. Dieser junge, "die Barbaren vertreibende
Obergeneral" hiess Fujiwara-no-Yoshitsune. Die Abneigung
des ganzen Hofes in Kioto gegen die Hojo überhaupt und gegen
Yoshitoki insbesondere war so gross, dass Toba II. sich endlich
entschloss, sich womöglich der Tyrannen zu entledigen. Er er-
klärte Yoshitoki für einen Vaterlandsverräther, den Mörder der
Minamoto, und rief das Volk gegen ihn zu den Waffen. Doch, wo
Gewalt Recht hat, hat Recht wenig Gewalt, sagt ein englisches
Sprüchwort. Nur eine schwache, undisciplinierte Schaar folgte seinem
Aufrufe; dagegen sammelte sich bald ein stattliches Heer um die
Fahne der Hojo. Den Oberbefehl übertrug Yoshitoki seinem Bruder
Tokifusa und gesellte demselben seinen Sohn Yasutoki zu (1221).
Bald war Tokifusa Herr von Kioto, und nun liess Yoshitoki die kaiser-
liche Familie seine Macht fühlen. Der Exmikado Toba II. wurde
nach Oki verbannt, wo er als sechzigjähriger Greis 1239 im Gefäng-
niss starb; sein Sohn Tsuchi-Tenno, ebenfalls Exmikado, ging
nach Tosa in die Verbannung, später nach Awa auf Shikoku und
starb daselbst, 37 Jahre alt (1231), obgleich er an den Unternehmungen
gegen die Hojo nicht betheiligt gewesen war, sogar davon abgerathen
hatte. Auch der dritte und jüngste Exmikado, Bruder des vorigen,
Namens Juntoku-Tenno, wurde exiliert und zwar nach der Insel
Sado, der herrschende (85.), Namens Chukio-Tenno, aber abge-
setzt und an seine Stelle ein Verwandter erhoben, der unter dem
posthumen Namen Go-Horikawa-Tenno als 86. Mikado von 1221
--1232 in den Annalen erscheint.

Yoshitoki verbannte auch die meisten derer, welche mit dem
Kaiserhause gemeinsame Sache gemacht hatten, liess ihre Lehen con-
fiscieren und unter seine Anhänger vertheilen, behielt jedoch Nichts
für sich und seine Familie. Seinen Bruder liess er als Militärgouver-
neur in Kioto und hatte somit das Land in noch weit höherem Grade
wie sein Vater ganz in seiner Gewalt. Er starb im Jahre 1225,
wenige Monate vor seiner Schwester, der siebenzigjährigen Masago.
Yasutoki, Sohn des Yoshitoki, wurde nun unbeanstandet Sikken
(Regent oder Ministerpräsident). Bald wurde er sehr populär, denn
er verband mit dem Talente seines Vaters Gerechtigkeitsliebe, Fleiss
und Sparsamkeit, so dass seine Administration dem Lande zum Vor-
theile gereichte. Yoritomo war sein Vorbild in der Verwaltung. Die
Einrichtungen und Gesetze desselben wurden von ihm erweitert und

3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
Grunde gerichtet hatten, übergehen zu lassen. Sie erbat sich daher
und erhielt vom Exmikado Go-Toba den zweijährigen Sohn des Sa-
daijin zum Shôgun und führte für denselben bis zu ihrem Tode 1225
formell die Regentschaft. Dieser junge, »die Barbaren vertreibende
Obergeneral« hiess Fujiwara-no-Yoshitsune. Die Abneigung
des ganzen Hofes in Kiôto gegen die Hôjô überhaupt und gegen
Yoshitoki insbesondere war so gross, dass Toba II. sich endlich
entschloss, sich womöglich der Tyrannen zu entledigen. Er er-
klärte Yoshitoki für einen Vaterlandsverräther, den Mörder der
Minamoto, und rief das Volk gegen ihn zu den Waffen. Doch, wo
Gewalt Recht hat, hat Recht wenig Gewalt, sagt ein englisches
Sprüchwort. Nur eine schwache, undisciplinierte Schaar folgte seinem
Aufrufe; dagegen sammelte sich bald ein stattliches Heer um die
Fahne der Hôjô. Den Oberbefehl übertrug Yoshitoki seinem Bruder
Tokifusa und gesellte demselben seinen Sohn Yasutoki zu (1221).
Bald war Tokifusa Herr von Kiôto, und nun liess Yoshitoki die kaiser-
liche Familie seine Macht fühlen. Der Exmikado Toba II. wurde
nach Ôki verbannt, wo er als sechzigjähriger Greis 1239 im Gefäng-
niss starb; sein Sohn Tsuchi-Tennô, ebenfalls Exmikado, ging
nach Tosa in die Verbannung, später nach Awa auf Shikoku und
starb daselbst, 37 Jahre alt (1231), obgleich er an den Unternehmungen
gegen die Hôjô nicht betheiligt gewesen war, sogar davon abgerathen
hatte. Auch der dritte und jüngste Exmikado, Bruder des vorigen,
Namens Juntoku-Tennô, wurde exiliert und zwar nach der Insel
Sado, der herrschende (85.), Namens Chukiô-Tennô, aber abge-
setzt und an seine Stelle ein Verwandter erhoben, der unter dem
posthumen Namen Go-Horikawa-Tennô als 86. Mikado von 1221
—1232 in den Annalen erscheint.

Yoshitoki verbannte auch die meisten derer, welche mit dem
Kaiserhause gemeinsame Sache gemacht hatten, liess ihre Lehen con-
fiscieren und unter seine Anhänger vertheilen, behielt jedoch Nichts
für sich und seine Familie. Seinen Bruder liess er als Militärgouver-
neur in Kiôto und hatte somit das Land in noch weit höherem Grade
wie sein Vater ganz in seiner Gewalt. Er starb im Jahre 1225,
wenige Monate vor seiner Schwester, der siebenzigjährigen Masago.
Yasutoki, Sohn des Yoshitoki, wurde nun unbeanstandet Sikken
(Regent oder Ministerpräsident). Bald wurde er sehr populär, denn
er verband mit dem Talente seines Vaters Gerechtigkeitsliebe, Fleiss
und Sparsamkeit, so dass seine Administration dem Lande zum Vor-
theile gereichte. Yoritomo war sein Vorbild in der Verwaltung. Die
Einrichtungen und Gesetze desselben wurden von ihm erweitert und

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[283/0309] 3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc. Grunde gerichtet hatten, übergehen zu lassen. Sie erbat sich daher und erhielt vom Exmikado Go-Toba den zweijährigen Sohn des Sa- daijin zum Shôgun und führte für denselben bis zu ihrem Tode 1225 formell die Regentschaft. Dieser junge, »die Barbaren vertreibende Obergeneral« hiess Fujiwara-no-Yoshitsune. Die Abneigung des ganzen Hofes in Kiôto gegen die Hôjô überhaupt und gegen Yoshitoki insbesondere war so gross, dass Toba II. sich endlich entschloss, sich womöglich der Tyrannen zu entledigen. Er er- klärte Yoshitoki für einen Vaterlandsverräther, den Mörder der Minamoto, und rief das Volk gegen ihn zu den Waffen. Doch, wo Gewalt Recht hat, hat Recht wenig Gewalt, sagt ein englisches Sprüchwort. Nur eine schwache, undisciplinierte Schaar folgte seinem Aufrufe; dagegen sammelte sich bald ein stattliches Heer um die Fahne der Hôjô. Den Oberbefehl übertrug Yoshitoki seinem Bruder Tokifusa und gesellte demselben seinen Sohn Yasutoki zu (1221). Bald war Tokifusa Herr von Kiôto, und nun liess Yoshitoki die kaiser- liche Familie seine Macht fühlen. Der Exmikado Toba II. wurde nach Ôki verbannt, wo er als sechzigjähriger Greis 1239 im Gefäng- niss starb; sein Sohn Tsuchi-Tennô, ebenfalls Exmikado, ging nach Tosa in die Verbannung, später nach Awa auf Shikoku und starb daselbst, 37 Jahre alt (1231), obgleich er an den Unternehmungen gegen die Hôjô nicht betheiligt gewesen war, sogar davon abgerathen hatte. Auch der dritte und jüngste Exmikado, Bruder des vorigen, Namens Juntoku-Tennô, wurde exiliert und zwar nach der Insel Sado, der herrschende (85.), Namens Chukiô-Tennô, aber abge- setzt und an seine Stelle ein Verwandter erhoben, der unter dem posthumen Namen Go-Horikawa-Tennô als 86. Mikado von 1221 —1232 in den Annalen erscheint. Yoshitoki verbannte auch die meisten derer, welche mit dem Kaiserhause gemeinsame Sache gemacht hatten, liess ihre Lehen con- fiscieren und unter seine Anhänger vertheilen, behielt jedoch Nichts für sich und seine Familie. Seinen Bruder liess er als Militärgouver- neur in Kiôto und hatte somit das Land in noch weit höherem Grade wie sein Vater ganz in seiner Gewalt. Er starb im Jahre 1225, wenige Monate vor seiner Schwester, der siebenzigjährigen Masago. Yasutoki, Sohn des Yoshitoki, wurde nun unbeanstandet Sikken (Regent oder Ministerpräsident). Bald wurde er sehr populär, denn er verband mit dem Talente seines Vaters Gerechtigkeitsliebe, Fleiss und Sparsamkeit, so dass seine Administration dem Lande zum Vor- theile gereichte. Yoritomo war sein Vorbild in der Verwaltung. Die Einrichtungen und Gesetze desselben wurden von ihm erweitert und

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/309>, abgerufen am 15.06.2024.