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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.
16 Jahre lang bis zu seinem Tode 1598 in Händen hatte und dem
er den inneren Frieden brachte, ein Ziel, das sein Vorgänger und
Meister vergeblich erstrebt hatte. Nobunaga war eine hervorragende
Persönlichkeit, klug und gewandt als Diplomat, tapfer und schlag-
fertig als Heerführer, ein Mann, der viel wagte und grosse Erfolge
zu verzeichnen hatte. Aber Hideyoshi, der Bauernjunge aus Owari,
der keine Ahnen und Verwandte zu seinen Gunsten nennen konnte,
dem ein hässliches Gesicht und ungeschliffene Manieren ebenfalls nicht
zur Empfehlung dienten, den aber Nobunaga sich als Liebling erzogen
hatte, übertraf seinen alten Freund und Protector noch in vielen
Stücken und so auch im Erfolge.

Zu Nakamura, einem Dorfe in Aichi-gori in der Provinz Owari,
lebte ein bescheidener Bauersmann, Namens Kinoshita Yasuke, dem
im Jahre 1536 ein Knabe geboren wurde, der sich durch eine dunkle
Hautfarbe und affenähnlichen Kopf auszeichnete. Aus diesem Kinde
wurde ein verschlagener, kecker und wagehalsiger Junge, der in
seinen Neigungen wesentlich abwich von der übrigen Dorfjugend.
Wenn diese willig und folgsam ihren Eltern bei den Feldarbeiten
behülflich war, trieb sich Yasuke's Sohn keck und witzig im Dorfe
umher und führte ein wildes, unnützes Leben. Einst kam Nobunaga
in den Ort, sah den Burschen, fand Interesse an seinen klaren schel-
mischen Augen und dem hässlichen Gesicht und machte ihn zu seinem
Betto oder Stalljungen. Dies ist der Anfang zur Carriere des Toyo-
tomi Hideyoshi
. Es dauerte nicht lange, so rieth Nobunaga
seinem Betto, ein Soldat zu werden, und nun stieg derselbe rasch
empor von Stufe zu Stufe. Es war ein wahres Kriegsgenie. Sein
Banner bestand aus einem Bündel Flaschenkürbise. Wo er es auf-
richtete, war der Sieg. Kein Wunder, dass man ihm gern folgte! --
Doch wusste er nicht blos zu siegen, sondern auch den Sieg zu ver-
werthen. Von allen Vorgängern in der Gewalt unterschied er sich
wesentlich dadurch, dass er sich an seinen bisherigen Gegnern nicht
zu rächen suchte, sondern ihnen verzieh. Sein Regiment wurde sehr
beliebt, denn er übte Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, des
Namens, Ranges und der geleisteten Dienste.

Bevor wir nun die wichtigsten Ereignisse der Zeit des Hide-
yoshi näher erörtern, dürfte eine kurze Uebersicht über die Macht-
vertheilung im Lande, soweit sie hier in Betracht kommt, angezeigt
sein. Hideyoshi hatte kein ererbtes Lehen, auf das er sich stützen
konnte, aber eine wohlgeschulte, ihm blindergebene Armee, welche
jenes reichlich aufwog. Nobunaga hinterliess seinen Nachkommen
als directes Erbe die Provinzen Omi, Ise, Mino, Owari, Shinano und

5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.
16 Jahre lang bis zu seinem Tode 1598 in Händen hatte und dem
er den inneren Frieden brachte, ein Ziel, das sein Vorgänger und
Meister vergeblich erstrebt hatte. Nobunaga war eine hervorragende
Persönlichkeit, klug und gewandt als Diplomat, tapfer und schlag-
fertig als Heerführer, ein Mann, der viel wagte und grosse Erfolge
zu verzeichnen hatte. Aber Hideyoshi, der Bauernjunge aus Owari,
der keine Ahnen und Verwandte zu seinen Gunsten nennen konnte,
dem ein hässliches Gesicht und ungeschliffene Manieren ebenfalls nicht
zur Empfehlung dienten, den aber Nobunaga sich als Liebling erzogen
hatte, übertraf seinen alten Freund und Protector noch in vielen
Stücken und so auch im Erfolge.

Zu Nakamura, einem Dorfe in Aichi-gori in der Provinz Owari,
lebte ein bescheidener Bauersmann, Namens Kinoshita Yasuke, dem
im Jahre 1536 ein Knabe geboren wurde, der sich durch eine dunkle
Hautfarbe und affenähnlichen Kopf auszeichnete. Aus diesem Kinde
wurde ein verschlagener, kecker und wagehalsiger Junge, der in
seinen Neigungen wesentlich abwich von der übrigen Dorfjugend.
Wenn diese willig und folgsam ihren Eltern bei den Feldarbeiten
behülflich war, trieb sich Yasuke’s Sohn keck und witzig im Dorfe
umher und führte ein wildes, unnützes Leben. Einst kam Nobunaga
in den Ort, sah den Burschen, fand Interesse an seinen klaren schel-
mischen Augen und dem hässlichen Gesicht und machte ihn zu seinem
Betto oder Stalljungen. Dies ist der Anfang zur Carriere des Toyo-
tomi Hideyoshi
. Es dauerte nicht lange, so rieth Nobunaga
seinem Betto, ein Soldat zu werden, und nun stieg derselbe rasch
empor von Stufe zu Stufe. Es war ein wahres Kriegsgenie. Sein
Banner bestand aus einem Bündel Flaschenkürbise. Wo er es auf-
richtete, war der Sieg. Kein Wunder, dass man ihm gern folgte! —
Doch wusste er nicht blos zu siegen, sondern auch den Sieg zu ver-
werthen. Von allen Vorgängern in der Gewalt unterschied er sich
wesentlich dadurch, dass er sich an seinen bisherigen Gegnern nicht
zu rächen suchte, sondern ihnen verzieh. Sein Regiment wurde sehr
beliebt, denn er übte Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, des
Namens, Ranges und der geleisteten Dienste.

Bevor wir nun die wichtigsten Ereignisse der Zeit des Hide-
yoshi näher erörtern, dürfte eine kurze Uebersicht über die Macht-
vertheilung im Lande, soweit sie hier in Betracht kommt, angezeigt
sein. Hideyoshi hatte kein ererbtes Lehen, auf das er sich stützen
konnte, aber eine wohlgeschulte, ihm blindergebene Armee, welche
jenes reichlich aufwog. Nobunaga hinterliess seinen Nachkommen
als directes Erbe die Provinzen Ômi, Ise, Mino, Owari, Shinano und

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[319/0345] 5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc. 16 Jahre lang bis zu seinem Tode 1598 in Händen hatte und dem er den inneren Frieden brachte, ein Ziel, das sein Vorgänger und Meister vergeblich erstrebt hatte. Nobunaga war eine hervorragende Persönlichkeit, klug und gewandt als Diplomat, tapfer und schlag- fertig als Heerführer, ein Mann, der viel wagte und grosse Erfolge zu verzeichnen hatte. Aber Hideyoshi, der Bauernjunge aus Owari, der keine Ahnen und Verwandte zu seinen Gunsten nennen konnte, dem ein hässliches Gesicht und ungeschliffene Manieren ebenfalls nicht zur Empfehlung dienten, den aber Nobunaga sich als Liebling erzogen hatte, übertraf seinen alten Freund und Protector noch in vielen Stücken und so auch im Erfolge. Zu Nakamura, einem Dorfe in Aichi-gori in der Provinz Owari, lebte ein bescheidener Bauersmann, Namens Kinoshita Yasuke, dem im Jahre 1536 ein Knabe geboren wurde, der sich durch eine dunkle Hautfarbe und affenähnlichen Kopf auszeichnete. Aus diesem Kinde wurde ein verschlagener, kecker und wagehalsiger Junge, der in seinen Neigungen wesentlich abwich von der übrigen Dorfjugend. Wenn diese willig und folgsam ihren Eltern bei den Feldarbeiten behülflich war, trieb sich Yasuke’s Sohn keck und witzig im Dorfe umher und führte ein wildes, unnützes Leben. Einst kam Nobunaga in den Ort, sah den Burschen, fand Interesse an seinen klaren schel- mischen Augen und dem hässlichen Gesicht und machte ihn zu seinem Betto oder Stalljungen. Dies ist der Anfang zur Carriere des Toyo- tomi Hideyoshi. Es dauerte nicht lange, so rieth Nobunaga seinem Betto, ein Soldat zu werden, und nun stieg derselbe rasch empor von Stufe zu Stufe. Es war ein wahres Kriegsgenie. Sein Banner bestand aus einem Bündel Flaschenkürbise. Wo er es auf- richtete, war der Sieg. Kein Wunder, dass man ihm gern folgte! — Doch wusste er nicht blos zu siegen, sondern auch den Sieg zu ver- werthen. Von allen Vorgängern in der Gewalt unterschied er sich wesentlich dadurch, dass er sich an seinen bisherigen Gegnern nicht zu rächen suchte, sondern ihnen verzieh. Sein Regiment wurde sehr beliebt, denn er übte Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person, des Namens, Ranges und der geleisteten Dienste. Bevor wir nun die wichtigsten Ereignisse der Zeit des Hide- yoshi näher erörtern, dürfte eine kurze Uebersicht über die Macht- vertheilung im Lande, soweit sie hier in Betracht kommt, angezeigt sein. Hideyoshi hatte kein ererbtes Lehen, auf das er sich stützen konnte, aber eine wohlgeschulte, ihm blindergebene Armee, welche jenes reichlich aufwog. Nobunaga hinterliess seinen Nachkommen als directes Erbe die Provinzen Ômi, Ise, Mino, Owari, Shinano und

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/345>, abgerufen am 22.11.2024.