Hidetada, der Sohn und Nachfolger des Iyeyasu, führte das Shogunat von 1605--1623. Die zwei hervorragendsten Handlungen während desselben, die Erneuerung des Edictes von Taiko-sama gegen die Christen (1614) und die Belagerung und Einnahme des Schlosses von Osaka (1615) fallen noch in die Zeit seines Vaters, der sie veranlasste. Beim Tode des letzteren rieth ihm der Mikado, eifrig, arbeitsam und seinem Souverain ergeben zu bleiben und die trügerischen Träume des Ehrgeizes aus seinem Geiste zu verbannen. Hidetada scheint diesen Rath befolgt und sich damit begnügt zu haben, die Pläne seines Vaters auszuführen, für eine friedliche Fortentwicke- lung des Landes, sowie für die Verstärkung und Verschönerung der Hauptstadt zu sorgen. In letzterer Beziehung ist bemerkenswerth, dass die Tempelhaine von Uyeno und Shiba im Norden und Süden von Yedo, welche fortan die grössten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt der Tokugawa wurden, unter Hidetada im wesentlichen ihre Begren- zung und Ausschmückung erhielten. Von den vierzehn Shogunen seiner Familie wurden nur zwei, Iyeyasu und sein thatkräftiger Enkel Iyemidzu, in Nikko beigesetzt. Von den übrigen ruhen sechs, darunter Hidetada, in Shiba und sechs in Uyeno.
Iyemidzu, der dritte Shogun und Sohn des Hidetada, welcher von 1623--1651 regierte, besass die Energie und Thatkraft seines Grossvaters, wie kein anderer aus der Familie. Er brachte dessen System zur Vollendung, zog die Zügel der Regierung, welche sich unter seinem Vater gelockert hatten, wieder fester an, bewirkte die völlige Ausrottung des Christenthums, Absperrung des Landes und Durchführung des bis ins Detail geordneten Abhängigkeitsverhältnisses aller Classen der Gesellschaft von ihm, dem ersten Vasallen des Mikado und höchsten Gebieter des Landes. Die Stadt Yedo erhielt ihre noch bestehende Wasserleitung und Einrichtung gegen Brände, welche allenthalben nachgeahmt wurde. Iyemidzu errichtete ferner eine Münze, regulierte Maasse und Gewichte und ordnete eine allge- meine Vermessung und Kartographierung des Landes an. Dem Mi- kado erwies er viel Aufmerksamkeit und besuchte ihn fünfmal in pompösen Aufzügen. Seinem grossen Stolze schmeichelte der Bakufu (die Regierung des Shogun) in einem Antwortschreiben an den König von Korea, in welchem derselbe ihm den Titel Taikun beilegte, um den Koreanern mehr zu imponieren *).
*) Wohl aus gleichem Grunde wurde das Wort seit der Perry-Expedition viel den Fremden gegenüber gebraucht und von diesen lange für Shogun ange- wandt. Es bedeutet "grosse Armee" und ist ein Titel, welchen kein Mikado je einem seiner Unterthanen verliehen hat.
I. Geschichte des japanischen Volkes.
Hidetada, der Sohn und Nachfolger des Iyeyasu, führte das Shôgunat von 1605—1623. Die zwei hervorragendsten Handlungen während desselben, die Erneuerung des Edictes von Taikô-sama gegen die Christen (1614) und die Belagerung und Einnahme des Schlosses von Ôsaka (1615) fallen noch in die Zeit seines Vaters, der sie veranlasste. Beim Tode des letzteren rieth ihm der Mikado, eifrig, arbeitsam und seinem Souverain ergeben zu bleiben und die trügerischen Träume des Ehrgeizes aus seinem Geiste zu verbannen. Hidetada scheint diesen Rath befolgt und sich damit begnügt zu haben, die Pläne seines Vaters auszuführen, für eine friedliche Fortentwicke- lung des Landes, sowie für die Verstärkung und Verschönerung der Hauptstadt zu sorgen. In letzterer Beziehung ist bemerkenswerth, dass die Tempelhaine von Uyeno und Shiba im Norden und Süden von Yedo, welche fortan die grössten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt der Tokugawa wurden, unter Hidetada im wesentlichen ihre Begren- zung und Ausschmückung erhielten. Von den vierzehn Shôgunen seiner Familie wurden nur zwei, Iyeyasu und sein thatkräftiger Enkel Iyemidzu, in Nikkô beigesetzt. Von den übrigen ruhen sechs, darunter Hidetada, in Shiba und sechs in Uyeno.
Iyemidzu, der dritte Shôgun und Sohn des Hidetada, welcher von 1623—1651 regierte, besass die Energie und Thatkraft seines Grossvaters, wie kein anderer aus der Familie. Er brachte dessen System zur Vollendung, zog die Zügel der Regierung, welche sich unter seinem Vater gelockert hatten, wieder fester an, bewirkte die völlige Ausrottung des Christenthums, Absperrung des Landes und Durchführung des bis ins Detail geordneten Abhängigkeitsverhältnisses aller Classen der Gesellschaft von ihm, dem ersten Vasallen des Mikado und höchsten Gebieter des Landes. Die Stadt Yedo erhielt ihre noch bestehende Wasserleitung und Einrichtung gegen Brände, welche allenthalben nachgeahmt wurde. Iyemidzu errichtete ferner eine Münze, regulierte Maasse und Gewichte und ordnete eine allge- meine Vermessung und Kartographierung des Landes an. Dem Mi- kado erwies er viel Aufmerksamkeit und besuchte ihn fünfmal in pompösen Aufzügen. Seinem grossen Stolze schmeichelte der Bakufu (die Regierung des Shôgun) in einem Antwortschreiben an den König von Korea, in welchem derselbe ihm den Titel Taikún beilegte, um den Koreanern mehr zu imponieren *).
*) Wohl aus gleichem Grunde wurde das Wort seit der Perry-Expedition viel den Fremden gegenüber gebraucht und von diesen lange für Shôgun ange- wandt. Es bedeutet »grosse Armee« und ist ein Titel, welchen kein Mikado je einem seiner Unterthanen verliehen hat.
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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Hidetada, der Sohn und Nachfolger des Iyeyasu, führte das
Shôgunat von 1605—1623. Die zwei hervorragendsten Handlungen
während desselben, die Erneuerung des Edictes von Taikô-sama
gegen die Christen (1614) und die Belagerung und Einnahme des
Schlosses von Ôsaka (1615) fallen noch in die Zeit seines Vaters,
der sie veranlasste. Beim Tode des letzteren rieth ihm der Mikado,
eifrig, arbeitsam und seinem Souverain ergeben zu bleiben und die
trügerischen Träume des Ehrgeizes aus seinem Geiste zu verbannen.
Hidetada scheint diesen Rath befolgt und sich damit begnügt zu haben,
die Pläne seines Vaters auszuführen, für eine friedliche Fortentwicke-
lung des Landes, sowie für die Verstärkung und Verschönerung der
Hauptstadt zu sorgen. In letzterer Beziehung ist bemerkenswerth,
dass die Tempelhaine von Uyeno und Shiba im Norden und Süden
von Yedo, welche fortan die grössten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt
der Tokugawa wurden, unter Hidetada im wesentlichen ihre Begren-
zung und Ausschmückung erhielten. Von den vierzehn Shôgunen
seiner Familie wurden nur zwei, Iyeyasu und sein thatkräftiger Enkel
Iyemidzu, in Nikkô beigesetzt. Von den übrigen ruhen sechs, darunter
Hidetada, in Shiba und sechs in Uyeno.
Iyemidzu, der dritte Shôgun und Sohn des Hidetada, welcher
von 1623—1651 regierte, besass die Energie und Thatkraft seines
Grossvaters, wie kein anderer aus der Familie. Er brachte dessen
System zur Vollendung, zog die Zügel der Regierung, welche sich
unter seinem Vater gelockert hatten, wieder fester an, bewirkte die
völlige Ausrottung des Christenthums, Absperrung des Landes und
Durchführung des bis ins Detail geordneten Abhängigkeitsverhältnisses
aller Classen der Gesellschaft von ihm, dem ersten Vasallen des
Mikado und höchsten Gebieter des Landes. Die Stadt Yedo erhielt
ihre noch bestehende Wasserleitung und Einrichtung gegen Brände,
welche allenthalben nachgeahmt wurde. Iyemidzu errichtete ferner
eine Münze, regulierte Maasse und Gewichte und ordnete eine allge-
meine Vermessung und Kartographierung des Landes an. Dem Mi-
kado erwies er viel Aufmerksamkeit und besuchte ihn fünfmal in
pompösen Aufzügen. Seinem grossen Stolze schmeichelte der Bakufu
(die Regierung des Shôgun) in einem Antwortschreiben an den König
von Korea, in welchem derselbe ihm den Titel Taikún beilegte, um
den Koreanern mehr zu imponieren *).
*) Wohl aus gleichem Grunde wurde das Wort seit der Perry-Expedition
viel den Fremden gegenüber gebraucht und von diesen lange für Shôgun ange-
wandt. Es bedeutet »grosse Armee« und ist ein Titel, welchen kein Mikado je
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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