kündete, wurde das Haus aufs sorgfältigste geputzt und Alles zum würdigen Empfang vorbereitet. In den mit feinen Binsenmatten be- legten und durch zerlegbare Schiebewände getrennten Zimmern hatte man die alte Bronze- oder Porzellanvase mit einigen blühenden Zwei- gen einer beliebten Zierpflanze und das Hibachi (den Feuerkasten) mit glühenden Kohlen zum Wärmen oder Anzünden der kleinen Pfeif- chen versehen. Die Mädchen und Frauen, welche die Gäste zu be- dienen hatten, erschienen in ihrem grössten Staate, wobei eine reiche Verwendung verschiedener Cosmetica nicht fehlen durfte, und in heiterster Simmung.
An der Spitze des Zuges, der sich bei den grössten Daimios aus 600--1000 Bewaffneten zusammensetzte, ging der Herold, dessen Wink mit dem Fächer und Ruf Shitaniiro (werft euch nieder) genügten, um die Leute, welche dem Zuge begegneten, auf die Seite zu treiben und auf die Kniee. Wer zu Pferde entgegenkam, musste absteigen und sein Thier auf die Seite des Weges führen, wer eine Kopfbe- deckung trug, und wenn es nur ein blaues baumwollenes Tuch um die Stirn war, dieselbe abnehmen. Dies war Ordnung und Gesetz. Zu- widerhandelnde beleidigten den Feudalherrn und mussten gewärtig sein, dass die nächsten aus dem Gefolge hervortraten und sie niederhieben.
Die Residenz eines Daimio in seiner Herrschaft hiess Joka. Hier wohnte er auf seinem Shiro oder Schlosse, das, wie bei vielen asia- tischen Fürsten und wie bei unseren mittelalterlichen Burgen, ge- wöhnlich einen Hügel krönte und von einem oder mehreren Systemen breiter Wassergräben umgeben war. Eine hohe Cyclopenmauer erhob sich auf der innersten Grabenseite und umgürtete den Schlossgrund. Holzbauten, die an den Enden höher und thurmartig mit mehreren Etagen versehen waren, mit Schiessöffnungen ruhten darauf. Die Wohnung des Schlossherrn, sowie die Häuser der höheren Beamten lagen mehr einwärts. Meist schloss sich ein parkartiger Garten an. An das Schloss reihten sich zwischen den Wallgräben oder ausserhalb derselben die Yashiki oder Wohnungen der Samurai an. Gewöhn- lich lagen dieselben in wohlgepflegten Gärtchen, etwas abseits von der vorbeiführenden Strasse, gegen welche sie eine grüne Hecke ab- schloss. Ein einfaches hölzernes Galgenthor mit Inschrift befand sich über dem Eingange zu der kleinen Besitzung.
Das ganze Terrain, welches die Wohnungen dieser bevorzugten Classe einnahmen, einschliesslich des Schlosses, hiess Yashikigrund im Gegensatze zu der sich anschliessenden Unterstadt oder machi, wo die Kaufleute und Handwerker wohnten. Dasselbe wiederholte sich in Yedo, nur in grossartigerem Maassstabe und mit dem Unter-
I. Geschichte des japanischen Volkes.
kündete, wurde das Haus aufs sorgfältigste geputzt und Alles zum würdigen Empfang vorbereitet. In den mit feinen Binsenmatten be- legten und durch zerlegbare Schiebewände getrennten Zimmern hatte man die alte Bronze- oder Porzellanvase mit einigen blühenden Zwei- gen einer beliebten Zierpflanze und das Hibachi (den Feuerkasten) mit glühenden Kohlen zum Wärmen oder Anzünden der kleinen Pfeif- chen versehen. Die Mädchen und Frauen, welche die Gäste zu be- dienen hatten, erschienen in ihrem grössten Staate, wobei eine reiche Verwendung verschiedener Cosmetica nicht fehlen durfte, und in heiterster Simmung.
An der Spitze des Zuges, der sich bei den grössten Daimios aus 600—1000 Bewaffneten zusammensetzte, ging der Herold, dessen Wink mit dem Fächer und Ruf Shitaniiro (werft euch nieder) genügten, um die Leute, welche dem Zuge begegneten, auf die Seite zu treiben und auf die Kniee. Wer zu Pferde entgegenkam, musste absteigen und sein Thier auf die Seite des Weges führen, wer eine Kopfbe- deckung trug, und wenn es nur ein blaues baumwollenes Tuch um die Stirn war, dieselbe abnehmen. Dies war Ordnung und Gesetz. Zu- widerhandelnde beleidigten den Feudalherrn und mussten gewärtig sein, dass die nächsten aus dem Gefolge hervortraten und sie niederhieben.
Die Residenz eines Daimio in seiner Herrschaft hiess Joka. Hier wohnte er auf seinem Shiro oder Schlosse, das, wie bei vielen asia- tischen Fürsten und wie bei unseren mittelalterlichen Burgen, ge- wöhnlich einen Hügel krönte und von einem oder mehreren Systemen breiter Wassergräben umgeben war. Eine hohe Cyclopenmauer erhob sich auf der innersten Grabenseite und umgürtete den Schlossgrund. Holzbauten, die an den Enden höher und thurmartig mit mehreren Etagen versehen waren, mit Schiessöffnungen ruhten darauf. Die Wohnung des Schlossherrn, sowie die Häuser der höheren Beamten lagen mehr einwärts. Meist schloss sich ein parkartiger Garten an. An das Schloss reihten sich zwischen den Wallgräben oder ausserhalb derselben die Yashiki oder Wohnungen der Samurai an. Gewöhn- lich lagen dieselben in wohlgepflegten Gärtchen, etwas abseits von der vorbeiführenden Strasse, gegen welche sie eine grüne Hecke ab- schloss. Ein einfaches hölzernes Galgenthor mit Inschrift befand sich über dem Eingange zu der kleinen Besitzung.
Das ganze Terrain, welches die Wohnungen dieser bevorzugten Classe einnahmen, einschliesslich des Schlosses, hiess Yashikigrund im Gegensatze zu der sich anschliessenden Unterstadt oder machi, wo die Kaufleute und Handwerker wohnten. Dasselbe wiederholte sich in Yedo, nur in grossartigerem Maassstabe und mit dem Unter-
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[374/0400]
I. Geschichte des japanischen Volkes.
kündete, wurde das Haus aufs sorgfältigste geputzt und Alles zum
würdigen Empfang vorbereitet. In den mit feinen Binsenmatten be-
legten und durch zerlegbare Schiebewände getrennten Zimmern hatte
man die alte Bronze- oder Porzellanvase mit einigen blühenden Zwei-
gen einer beliebten Zierpflanze und das Hibachi (den Feuerkasten)
mit glühenden Kohlen zum Wärmen oder Anzünden der kleinen Pfeif-
chen versehen. Die Mädchen und Frauen, welche die Gäste zu be-
dienen hatten, erschienen in ihrem grössten Staate, wobei eine reiche
Verwendung verschiedener Cosmetica nicht fehlen durfte, und in
heiterster Simmung.
An der Spitze des Zuges, der sich bei den grössten Daimios aus
600—1000 Bewaffneten zusammensetzte, ging der Herold, dessen Wink
mit dem Fächer und Ruf Shitaniiro (werft euch nieder) genügten,
um die Leute, welche dem Zuge begegneten, auf die Seite zu treiben
und auf die Kniee. Wer zu Pferde entgegenkam, musste absteigen
und sein Thier auf die Seite des Weges führen, wer eine Kopfbe-
deckung trug, und wenn es nur ein blaues baumwollenes Tuch um die
Stirn war, dieselbe abnehmen. Dies war Ordnung und Gesetz. Zu-
widerhandelnde beleidigten den Feudalherrn und mussten gewärtig sein,
dass die nächsten aus dem Gefolge hervortraten und sie niederhieben.
Die Residenz eines Daimio in seiner Herrschaft hiess Joka. Hier
wohnte er auf seinem Shiro oder Schlosse, das, wie bei vielen asia-
tischen Fürsten und wie bei unseren mittelalterlichen Burgen, ge-
wöhnlich einen Hügel krönte und von einem oder mehreren Systemen
breiter Wassergräben umgeben war. Eine hohe Cyclopenmauer erhob
sich auf der innersten Grabenseite und umgürtete den Schlossgrund.
Holzbauten, die an den Enden höher und thurmartig mit mehreren
Etagen versehen waren, mit Schiessöffnungen ruhten darauf. Die
Wohnung des Schlossherrn, sowie die Häuser der höheren Beamten
lagen mehr einwärts. Meist schloss sich ein parkartiger Garten an.
An das Schloss reihten sich zwischen den Wallgräben oder ausserhalb
derselben die Yashiki oder Wohnungen der Samurai an. Gewöhn-
lich lagen dieselben in wohlgepflegten Gärtchen, etwas abseits von
der vorbeiführenden Strasse, gegen welche sie eine grüne Hecke ab-
schloss. Ein einfaches hölzernes Galgenthor mit Inschrift befand sich
über dem Eingange zu der kleinen Besitzung.
Das ganze Terrain, welches die Wohnungen dieser bevorzugten
Classe einnahmen, einschliesslich des Schlosses, hiess Yashikigrund
im Gegensatze zu der sich anschliessenden Unterstadt oder machi,
wo die Kaufleute und Handwerker wohnten. Dasselbe wiederholte
sich in Yedo, nur in grossartigerem Maassstabe und mit dem Unter-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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