Das grosse Abhängigkeitsverhältniss, in welches durch all diese Anordnungen die Daimio des Landes zum Shogun traten, erhielt jedoch seine Krönung durch einen Schritt des Iyemitsu und seines Sohnes Iyetsuna, der empfindlicher in die Rechte der einzelnen eingriff und von weitragenderen Folgen wurde als Alles, was bisher in dieser Beziehung geleistet worden war. Er bestand darin, dass sämmtliche Daimio gezwungen wurden, Yedo als ihre eigentliche Residenz anzusehen, jedes zweite Jahr dort bei ihren Familien zu wohnen, die als eine sichere Bürgschaft für ihr Wohlverhalten, während sie in ihrer Provinz waren, hier zurückbleiben mussten. Die Sitte, jährlich dem Feudalherrn einen Besuch abzustatten und durch Uebergabe von Geschenken und Anderes mehr Loyalität zu bezeugen, war eine ziemlich alte. Früher galt sie dem Mikado, jetzt dem Shogun. Dem entsprechend ordnete Iyemitsu an, dass die Daimio hinfort die Hälfte des Jahres in Yedo wohnen sollten, doch mehr in Form einer Einladung als eines Befehles. Auch kam er seinen Be- suchern bis zur nächsten Vorstadt freundlich entgegen und hiess sie willkommen. Diese beschworen ein Document über ihre Lehnstreue und besiegelten dasselbe der Sitte gemäss mit dem Daumennagel und dem Blute vom Mittelfinger der rechten Hand. Mehr und mehr schwand jedoch das Entgegenkommen des Shogun, der Besuch wurde zum Zwang und genau geregelt. Der Bakufu bestimmte die Zeit, wann jeder Feudalherr vor dem Shogun zu erscheinen hatte, die Stärke seines Gefolges, die Art des Ausweichens auf der Landstrasse, das Maass der dem Hofe zu machenden Geschenke und vieles Andere. Auf den verschiedenen Gebirgspässen und Eingangsthoren zum Ku- wanto (siehe pag. 12) waren Wachen errichtet und benachbarten Fudai übertragen, welche dafür zu sorgen hatten, dass jede Person, unbe- kümmert um ihren Rang, einer strengen Untersuchung unterworfen wurde, damit nicht etwa Frauen oder Kinder der Daimios heimlich Yedo verliessen, um ihre heimathliche Provinz zu erreichen. Die Daimiozüge selbst von und nach Yedo waren mit grossem Pomp aus- gestattet und nach dem Range des Feudalherrn aus einer grösseren oder kleineren Zahl Kerai zusammengesetzt. Sie brachten Leben und Verkehr auf die Landstrassen und in die Orte, durch welche sie gingen und die sich so ausdehnten, dass oft mehrere aneinander stiessen. Zahlreiche und umfangreiche Gasthäuser (Yadoyas) und Theehäuser (Chaya's) sorgten für die leibliche Verpflegung, Tänze- rinnen und Sängerinnen (Gesha's) für die Abendunterhaltung. Dem Zuge wurde ein Sakibure oder Quartiermacher vorausgeschickt, und wo derselbe das Eintreffen zum Mittagessen oder Uebernachten ver-
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
Das grosse Abhängigkeitsverhältniss, in welches durch all diese Anordnungen die Daimio des Landes zum Shôgun traten, erhielt jedoch seine Krönung durch einen Schritt des Iyemitsu und seines Sohnes Iyetsuna, der empfindlicher in die Rechte der einzelnen eingriff und von weitragenderen Folgen wurde als Alles, was bisher in dieser Beziehung geleistet worden war. Er bestand darin, dass sämmtliche Daimio gezwungen wurden, Yedo als ihre eigentliche Residenz anzusehen, jedes zweite Jahr dort bei ihren Familien zu wohnen, die als eine sichere Bürgschaft für ihr Wohlverhalten, während sie in ihrer Provinz waren, hier zurückbleiben mussten. Die Sitte, jährlich dem Feudalherrn einen Besuch abzustatten und durch Uebergabe von Geschenken und Anderes mehr Loyalität zu bezeugen, war eine ziemlich alte. Früher galt sie dem Mikado, jetzt dem Shôgun. Dem entsprechend ordnete Iyemitsu an, dass die Daimio hinfort die Hälfte des Jahres in Yedo wohnen sollten, doch mehr in Form einer Einladung als eines Befehles. Auch kam er seinen Be- suchern bis zur nächsten Vorstadt freundlich entgegen und hiess sie willkommen. Diese beschworen ein Document über ihre Lehnstreue und besiegelten dasselbe der Sitte gemäss mit dem Daumennagel und dem Blute vom Mittelfinger der rechten Hand. Mehr und mehr schwand jedoch das Entgegenkommen des Shôgun, der Besuch wurde zum Zwang und genau geregelt. Der Bakufu bestimmte die Zeit, wann jeder Feudalherr vor dem Shôgun zu erscheinen hatte, die Stärke seines Gefolges, die Art des Ausweichens auf der Landstrasse, das Maass der dem Hofe zu machenden Geschenke und vieles Andere. Auf den verschiedenen Gebirgspässen und Eingangsthoren zum Ku- wantô (siehe pag. 12) waren Wachen errichtet und benachbarten Fudai übertragen, welche dafür zu sorgen hatten, dass jede Person, unbe- kümmert um ihren Rang, einer strengen Untersuchung unterworfen wurde, damit nicht etwa Frauen oder Kinder der Daimios heimlich Yedo verliessen, um ihre heimathliche Provinz zu erreichen. Die Daimiozüge selbst von und nach Yedo waren mit grossem Pomp aus- gestattet und nach dem Range des Feudalherrn aus einer grösseren oder kleineren Zahl Kerai zusammengesetzt. Sie brachten Leben und Verkehr auf die Landstrassen und in die Orte, durch welche sie gingen und die sich so ausdehnten, dass oft mehrere aneinander stiessen. Zahlreiche und umfangreiche Gasthäuser (Yadoyas) und Theehäuser (Chaya’s) sorgten für die leibliche Verpflegung, Tänze- rinnen und Sängerinnen (Gesha’s) für die Abendunterhaltung. Dem Zuge wurde ein Sakibure oder Quartiermacher vorausgeschickt, und wo derselbe das Eintreffen zum Mittagessen oder Uebernachten ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0399"n="373"/><fwplace="top"type="header">6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.</fw><lb/><p>Das grosse Abhängigkeitsverhältniss, in welches durch all diese<lb/>
Anordnungen die Daimio des Landes zum Shôgun traten, erhielt<lb/>
jedoch seine Krönung durch einen Schritt des Iyemitsu und seines<lb/>
Sohnes <hirendition="#g">Iyetsuna</hi>, der empfindlicher in die Rechte der einzelnen<lb/>
eingriff und von weitragenderen Folgen wurde als Alles, was bisher<lb/>
in dieser Beziehung geleistet worden war. Er bestand darin, dass<lb/>
sämmtliche Daimio gezwungen wurden, Yedo als ihre eigentliche<lb/>
Residenz anzusehen, jedes zweite Jahr dort bei ihren Familien zu<lb/>
wohnen, die als eine sichere Bürgschaft für ihr Wohlverhalten,<lb/>
während sie in ihrer Provinz waren, hier zurückbleiben mussten. Die<lb/>
Sitte, jährlich dem Feudalherrn einen Besuch abzustatten und durch<lb/>
Uebergabe von Geschenken und Anderes mehr Loyalität zu bezeugen,<lb/>
war eine ziemlich alte. Früher galt sie dem Mikado, jetzt dem<lb/>
Shôgun. Dem entsprechend ordnete Iyemitsu an, dass die Daimio<lb/>
hinfort die Hälfte des Jahres in Yedo wohnen sollten, doch mehr in<lb/>
Form einer Einladung als eines Befehles. Auch kam er seinen Be-<lb/>
suchern bis zur nächsten Vorstadt freundlich entgegen und hiess sie<lb/>
willkommen. Diese beschworen ein Document über ihre Lehnstreue<lb/>
und besiegelten dasselbe der Sitte gemäss mit dem Daumennagel und<lb/>
dem Blute vom Mittelfinger der rechten Hand. Mehr und mehr schwand<lb/>
jedoch das Entgegenkommen des Shôgun, der Besuch wurde zum<lb/>
Zwang und genau geregelt. Der Bakufu bestimmte die Zeit, wann<lb/>
jeder Feudalherr vor dem Shôgun zu erscheinen hatte, die Stärke<lb/>
seines Gefolges, die Art des Ausweichens auf der Landstrasse, das<lb/>
Maass der dem Hofe zu machenden Geschenke und vieles Andere.<lb/>
Auf den verschiedenen Gebirgspässen und Eingangsthoren zum Ku-<lb/>
wantô (siehe pag. 12) waren Wachen errichtet und benachbarten Fudai<lb/>
übertragen, welche dafür zu sorgen hatten, dass jede Person, unbe-<lb/>
kümmert um ihren Rang, einer strengen Untersuchung unterworfen<lb/>
wurde, damit nicht etwa Frauen oder Kinder der Daimios heimlich<lb/>
Yedo verliessen, um ihre heimathliche Provinz zu erreichen. Die<lb/>
Daimiozüge selbst von und nach Yedo waren mit grossem Pomp aus-<lb/>
gestattet und nach dem Range des Feudalherrn aus einer grösseren<lb/>
oder kleineren Zahl Kerai zusammengesetzt. Sie brachten Leben und<lb/>
Verkehr auf die Landstrassen und in die Orte, durch welche sie<lb/>
gingen und die sich so ausdehnten, dass oft mehrere aneinander<lb/>
stiessen. Zahlreiche und umfangreiche Gasthäuser (Yadoyas) und<lb/>
Theehäuser (Chaya’s) sorgten für die leibliche Verpflegung, Tänze-<lb/>
rinnen und Sängerinnen (Gesha’s) für die Abendunterhaltung. Dem<lb/>
Zuge wurde ein Sakibure oder Quartiermacher vorausgeschickt, und<lb/>
wo derselbe das Eintreffen zum Mittagessen oder Uebernachten ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[373/0399]
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
Das grosse Abhängigkeitsverhältniss, in welches durch all diese
Anordnungen die Daimio des Landes zum Shôgun traten, erhielt
jedoch seine Krönung durch einen Schritt des Iyemitsu und seines
Sohnes Iyetsuna, der empfindlicher in die Rechte der einzelnen
eingriff und von weitragenderen Folgen wurde als Alles, was bisher
in dieser Beziehung geleistet worden war. Er bestand darin, dass
sämmtliche Daimio gezwungen wurden, Yedo als ihre eigentliche
Residenz anzusehen, jedes zweite Jahr dort bei ihren Familien zu
wohnen, die als eine sichere Bürgschaft für ihr Wohlverhalten,
während sie in ihrer Provinz waren, hier zurückbleiben mussten. Die
Sitte, jährlich dem Feudalherrn einen Besuch abzustatten und durch
Uebergabe von Geschenken und Anderes mehr Loyalität zu bezeugen,
war eine ziemlich alte. Früher galt sie dem Mikado, jetzt dem
Shôgun. Dem entsprechend ordnete Iyemitsu an, dass die Daimio
hinfort die Hälfte des Jahres in Yedo wohnen sollten, doch mehr in
Form einer Einladung als eines Befehles. Auch kam er seinen Be-
suchern bis zur nächsten Vorstadt freundlich entgegen und hiess sie
willkommen. Diese beschworen ein Document über ihre Lehnstreue
und besiegelten dasselbe der Sitte gemäss mit dem Daumennagel und
dem Blute vom Mittelfinger der rechten Hand. Mehr und mehr schwand
jedoch das Entgegenkommen des Shôgun, der Besuch wurde zum
Zwang und genau geregelt. Der Bakufu bestimmte die Zeit, wann
jeder Feudalherr vor dem Shôgun zu erscheinen hatte, die Stärke
seines Gefolges, die Art des Ausweichens auf der Landstrasse, das
Maass der dem Hofe zu machenden Geschenke und vieles Andere.
Auf den verschiedenen Gebirgspässen und Eingangsthoren zum Ku-
wantô (siehe pag. 12) waren Wachen errichtet und benachbarten Fudai
übertragen, welche dafür zu sorgen hatten, dass jede Person, unbe-
kümmert um ihren Rang, einer strengen Untersuchung unterworfen
wurde, damit nicht etwa Frauen oder Kinder der Daimios heimlich
Yedo verliessen, um ihre heimathliche Provinz zu erreichen. Die
Daimiozüge selbst von und nach Yedo waren mit grossem Pomp aus-
gestattet und nach dem Range des Feudalherrn aus einer grösseren
oder kleineren Zahl Kerai zusammengesetzt. Sie brachten Leben und
Verkehr auf die Landstrassen und in die Orte, durch welche sie
gingen und die sich so ausdehnten, dass oft mehrere aneinander
stiessen. Zahlreiche und umfangreiche Gasthäuser (Yadoyas) und
Theehäuser (Chaya’s) sorgten für die leibliche Verpflegung, Tänze-
rinnen und Sängerinnen (Gesha’s) für die Abendunterhaltung. Dem
Zuge wurde ein Sakibure oder Quartiermacher vorausgeschickt, und
wo derselbe das Eintreffen zum Mittagessen oder Uebernachten ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/399>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.