den holländischen Reisenden alle Ehren und Zuvorkommenheiten er- wiesen, welche sonst den Daimio zukamen.
Auch während des Aufenthaltes der Holländer in Yedo wurde jede freie Bewegung derselben verhindert und ging Alles den vor- schriftsmässigen Gang. Am Tage der Audienz mussten die Geschenke für den Hof in dem dazu bestimmten Schlossraume ausgebreitet sein und zur Besichtigung derselben eingeladen werden. Kaempfer er- wähnt unter ihnen Borneokampfer, spanische Weine, Edamer Käse, linnene und seidene Stoffe und andere europäische Industrie-Erzeug- nisse. Bei der Audienz, welche im Hundert-Mattensaale stattfand, wurde der holländische Resident vorgerufen, um dem Shogun, der gewöhnlich hinter einem Vorhange sass, seine Ehrerbietung zu be- weisen, worauf der Resident "auf Händen und Füssen hervorkroch, das Haupt, auf den Knien liegend, zum Boden neigte, und sich ganz stillschweigend eben so wie ein Krebs wieder kriechend zurückzog. Hierin", sagte Kaempfer weiter, "besteht die ganze Ceremonie, die mit so vielen Umständen vorbereitet wird. Bei den Daimio geht es gerade so her". War diese Vorstellung vorbei, so führte man die Gesandtschaft tiefer in den Palast hinein, um auch den Frauen und dem übrigen Hofe zum Vergnügen und zur Betrachtung zu dienen, woran auch der Kaiser (Shogun) theilnahm. Der Resident blieb dann passiv, Kaempfer's und des Secretärs Rolle begann, und was uns unser biederer Landsmann davon erzählt, ist ebenfalls nicht beneidens- werth, eine wahre Affencomödie, welche der Kaiser verlangte: "Bald mussten wir nämlich aufstehen und hin und her spazieren, bald uns unter einander komplimentieren, dann tanzen, springen, einen betrun- kenen Mann vorstellen, Japanisch stammeln, malen, Holländisch und Deutsch lesen, singen, die Mäntel bald um- und wieder wegthun u. dergl., ich an meinem Theile stimmte hierbei eine deutsche Liebes- arie an". Kaempfer scheint in dem Rufe eines lustigen Sängers ge- standen zu haben, denn auch bei anderen Gelegenheiten wurde er veranlasst, ein Liedchen zu singen, mit dem Secretär die Rollen in verschiedenen Arten des Umganges in Holland zu spielen und Anderes mehr, was zur Unterhaltung und Befriedigung der Neugierde dienen konnte.
Wenn der Repräsentant der holländischen Compagnie sich vom Hofe verabschiedete, musste er sich verpflichten, in keine Verbindung mit der Kirishitan-shiu (christlichen Secte, d. h. Katholiken) zu treten, keine Missionäre ins Land zu bringen und alljährlich solche Informa- tionen über die christliche Secte dem Hofe zu machen, wie sie für den Shogun von Interesse sein könnten. Ob diese Declaration jährlich
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
den holländischen Reisenden alle Ehren und Zuvorkommenheiten er- wiesen, welche sonst den Daimio zukamen.
Auch während des Aufenthaltes der Holländer in Yedo wurde jede freie Bewegung derselben verhindert und ging Alles den vor- schriftsmässigen Gang. Am Tage der Audienz mussten die Geschenke für den Hof in dem dazu bestimmten Schlossraume ausgebreitet sein und zur Besichtigung derselben eingeladen werden. Kaempfer er- wähnt unter ihnen Borneokampfer, spanische Weine, Edamer Käse, linnene und seidene Stoffe und andere europäische Industrie-Erzeug- nisse. Bei der Audienz, welche im Hundert-Mattensaale stattfand, wurde der holländische Resident vorgerufen, um dem Shôgun, der gewöhnlich hinter einem Vorhange sass, seine Ehrerbietung zu be- weisen, worauf der Resident »auf Händen und Füssen hervorkroch, das Haupt, auf den Knien liegend, zum Boden neigte, und sich ganz stillschweigend eben so wie ein Krebs wieder kriechend zurückzog. Hierin«, sagte Kaempfer weiter, »besteht die ganze Ceremonie, die mit so vielen Umständen vorbereitet wird. Bei den Daimio geht es gerade so her«. War diese Vorstellung vorbei, so führte man die Gesandtschaft tiefer in den Palast hinein, um auch den Frauen und dem übrigen Hofe zum Vergnügen und zur Betrachtung zu dienen, woran auch der Kaiser (Shôgun) theilnahm. Der Resident blieb dann passiv, Kaempfer’s und des Secretärs Rolle begann, und was uns unser biederer Landsmann davon erzählt, ist ebenfalls nicht beneidens- werth, eine wahre Affencomödie, welche der Kaiser verlangte: »Bald mussten wir nämlich aufstehen und hin und her spazieren, bald uns unter einander komplimentieren, dann tanzen, springen, einen betrun- kenen Mann vorstellen, Japanisch stammeln, malen, Holländisch und Deutsch lesen, singen, die Mäntel bald um- und wieder wegthun u. dergl., ich an meinem Theile stimmte hierbei eine deutsche Liebes- arie an«. Kaempfer scheint in dem Rufe eines lustigen Sängers ge- standen zu haben, denn auch bei anderen Gelegenheiten wurde er veranlasst, ein Liedchen zu singen, mit dem Secretär die Rollen in verschiedenen Arten des Umganges in Holland zu spielen und Anderes mehr, was zur Unterhaltung und Befriedigung der Neugierde dienen konnte.
Wenn der Repräsentant der holländischen Compagnie sich vom Hofe verabschiedete, musste er sich verpflichten, in keine Verbindung mit der Kirishitan-shiu (christlichen Secte, d. h. Katholiken) zu treten, keine Missionäre ins Land zu bringen und alljährlich solche Informa- tionen über die christliche Secte dem Hofe zu machen, wie sie für den Shôgun von Interesse sein könnten. Ob diese Declaration jährlich
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6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
den holländischen Reisenden alle Ehren und Zuvorkommenheiten er-
wiesen, welche sonst den Daimio zukamen.
Auch während des Aufenthaltes der Holländer in Yedo wurde
jede freie Bewegung derselben verhindert und ging Alles den vor-
schriftsmässigen Gang. Am Tage der Audienz mussten die Geschenke
für den Hof in dem dazu bestimmten Schlossraume ausgebreitet sein
und zur Besichtigung derselben eingeladen werden. Kaempfer er-
wähnt unter ihnen Borneokampfer, spanische Weine, Edamer Käse,
linnene und seidene Stoffe und andere europäische Industrie-Erzeug-
nisse. Bei der Audienz, welche im Hundert-Mattensaale stattfand,
wurde der holländische Resident vorgerufen, um dem Shôgun, der
gewöhnlich hinter einem Vorhange sass, seine Ehrerbietung zu be-
weisen, worauf der Resident »auf Händen und Füssen hervorkroch,
das Haupt, auf den Knien liegend, zum Boden neigte, und sich ganz
stillschweigend eben so wie ein Krebs wieder kriechend zurückzog.
Hierin«, sagte Kaempfer weiter, »besteht die ganze Ceremonie, die
mit so vielen Umständen vorbereitet wird. Bei den Daimio geht es
gerade so her«. War diese Vorstellung vorbei, so führte man die
Gesandtschaft tiefer in den Palast hinein, um auch den Frauen und
dem übrigen Hofe zum Vergnügen und zur Betrachtung zu dienen,
woran auch der Kaiser (Shôgun) theilnahm. Der Resident blieb dann
passiv, Kaempfer’s und des Secretärs Rolle begann, und was uns
unser biederer Landsmann davon erzählt, ist ebenfalls nicht beneidens-
werth, eine wahre Affencomödie, welche der Kaiser verlangte: »Bald
mussten wir nämlich aufstehen und hin und her spazieren, bald uns
unter einander komplimentieren, dann tanzen, springen, einen betrun-
kenen Mann vorstellen, Japanisch stammeln, malen, Holländisch und
Deutsch lesen, singen, die Mäntel bald um- und wieder wegthun
u. dergl., ich an meinem Theile stimmte hierbei eine deutsche Liebes-
arie an«. Kaempfer scheint in dem Rufe eines lustigen Sängers ge-
standen zu haben, denn auch bei anderen Gelegenheiten wurde er
veranlasst, ein Liedchen zu singen, mit dem Secretär die Rollen in
verschiedenen Arten des Umganges in Holland zu spielen und Anderes
mehr, was zur Unterhaltung und Befriedigung der Neugierde dienen
konnte.
Wenn der Repräsentant der holländischen Compagnie sich vom
Hofe verabschiedete, musste er sich verpflichten, in keine Verbindung
mit der Kirishitan-shiu (christlichen Secte, d. h. Katholiken) zu treten,
keine Missionäre ins Land zu bringen und alljährlich solche Informa-
tionen über die christliche Secte dem Hofe zu machen, wie sie für
den Shôgun von Interesse sein könnten. Ob diese Declaration jährlich
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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