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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.

Um den Besitz vieler Schlossstädte nördlich von Yedo, wie
Yuki, Utsunomiya, Iwakitaira, Shirakawa, wurde hartnäckig und mit
wechselndem Glücke gekämpft. Allen voran standen, was Geschick
und unerschütterlichen Muth anlangt, auf der Seite der Rebellen Kondo
Isami und Otori Keiske, doch vermochten sie der grossen Ueber-
macht gegenüber sich nicht zu halten. Ersterer gerieth in Gefangen-
schaft *), letzterer flüchtete mit dem Rest seines Heeres, als Shira-
kawa gefallen war, nach Aidzu. Von allen Seiten zogen nun schwere
Gewitter an den Randgebirgen dieses schönen Landes zusammen,
denn Aidzu wurde für die Wurzel der Rebellion erklärt, die man vor
allem abhauen müsse. In Echigo war die ansehnliche Stadt Nagaoka
nach tapferer Vertheidigung ihrer Besatzung in Flammen aufgegangen
und auch Yonezawa, der Alliierte an der Nordgrenze, hielt nicht mehr
Stand, sondern ging zum Feind über. Ringsum drang dieser nun über
die Gebirgspässe, wo nach kurzem Kampfe die Besatzungen nieder-
gehauen waren, in die Aidzu-taira ein und marschierte auf Waka-
matsu, die Hauptstadt. Auch sie wurde ein Raub der Flammen.
Endlich fiel auch das Schloss, wo selbst Frauen an der Vertheidigung
theilnahmen. Der Daimio und sein Sohn mussten sich auf Gnade
und Ungnade ergeben (3. November 1868). Diesen blutigen Kämpfen
folgten noch einige in Nambu, dann war der Widerstand auf Hondo
gebrochen und, wie es schien, der Friede hergestellt. Verschiedene
der rebellischen Daimios verloren ihre Besitzthümer ganz oder theil-
weise, keine ihr Leben. Hoshina, die Daimiofamilie von Aidzu, verlor
ihr schönes Fürstenthum, erhielt aber später ein kleines Besitzthum
in Mutsu von 30000 Koku, angeblich damit sie im Stande sei, die
Familienopfer zu bringen, in Wirklichkeit aber wohl, weil ihre Lehns-
treue doch Vielen Achtung einflösste und man sich schämte, dieselbe
an den Bettelstab zu bringen. Hoshina war der alte Familienname,
den sie später mit Matsudaira vertauscht hatte. Letzterer, ein Ehren-
name unter den Tokugawa, wurde nach dem Falle dieses Hauses
nicht mehr gebraucht.

Noch einmal kam es, und zwar gegen alles Erwarten, auf Yezo

Japaner, Deutschen, Engländer und Amerikaner zu Ehren Nordenskjölds und
Gefährten gaben, und begrüsste die Gäste mit einer schönen Rede in deutscher
Sprache.
*) Man brachte ihn in einem Käfig nach Itabashi bei Yedo, wo er enthauptet
wurde. Den Kopf legte man in Sake und sandte ihn nach Kioto, wo er im
trockenen Bett des Kamogawa bei der vierten Brücke ausgestellt wurde. Diese
schimpflichste aller Strafen verhängte man über Kondo Isami, weil er als Haupt-
rathgeber seines Herrn, des Fürsten von Aidzu, sich bei den südlichen Clanen
besonders verhasst gemacht hatte.
Rein, Japan I. 27
7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.

Um den Besitz vieler Schlossstädte nördlich von Yedo, wie
Yuki, Utsunomiya, Iwakitaira, Shirakawa, wurde hartnäckig und mit
wechselndem Glücke gekämpft. Allen voran standen, was Geschick
und unerschütterlichen Muth anlangt, auf der Seite der Rebellen Kondô
Isami und Ôtori Keiske, doch vermochten sie der grossen Ueber-
macht gegenüber sich nicht zu halten. Ersterer gerieth in Gefangen-
schaft *), letzterer flüchtete mit dem Rest seines Heeres, als Shira-
kawa gefallen war, nach Aidzu. Von allen Seiten zogen nun schwere
Gewitter an den Randgebirgen dieses schönen Landes zusammen,
denn Aidzu wurde für die Wurzel der Rebellion erklärt, die man vor
allem abhauen müsse. In Echigo war die ansehnliche Stadt Nagaoka
nach tapferer Vertheidigung ihrer Besatzung in Flammen aufgegangen
und auch Yonezawa, der Alliierte an der Nordgrenze, hielt nicht mehr
Stand, sondern ging zum Feind über. Ringsum drang dieser nun über
die Gebirgspässe, wo nach kurzem Kampfe die Besatzungen nieder-
gehauen waren, in die Aidzu-taira ein und marschierte auf Waka-
matsu, die Hauptstadt. Auch sie wurde ein Raub der Flammen.
Endlich fiel auch das Schloss, wo selbst Frauen an der Vertheidigung
theilnahmen. Der Daimio und sein Sohn mussten sich auf Gnade
und Ungnade ergeben (3. November 1868). Diesen blutigen Kämpfen
folgten noch einige in Nambu, dann war der Widerstand auf Hondo
gebrochen und, wie es schien, der Friede hergestellt. Verschiedene
der rebellischen Daimios verloren ihre Besitzthümer ganz oder theil-
weise, keine ihr Leben. Hoshina, die Daimiofamilie von Aidzu, verlor
ihr schönes Fürstenthum, erhielt aber später ein kleines Besitzthum
in Mutsu von 30000 Koku, angeblich damit sie im Stande sei, die
Familienopfer zu bringen, in Wirklichkeit aber wohl, weil ihre Lehns-
treue doch Vielen Achtung einflösste und man sich schämte, dieselbe
an den Bettelstab zu bringen. Hoshina war der alte Familienname,
den sie später mit Matsudaira vertauscht hatte. Letzterer, ein Ehren-
name unter den Tokugawa, wurde nach dem Falle dieses Hauses
nicht mehr gebraucht.

Noch einmal kam es, und zwar gegen alles Erwarten, auf Yezo

Japaner, Deutschen, Engländer und Amerikaner zu Ehren Nordenskjölds und
Gefährten gaben, und begrüsste die Gäste mit einer schönen Rede in deutscher
Sprache.
*) Man brachte ihn in einem Käfig nach Itabashi bei Yedo, wo er enthauptet
wurde. Den Kopf legte man in Sake und sandte ihn nach Kiôto, wo er im
trockenen Bett des Kamogawa bei der vierten Brücke ausgestellt wurde. Diese
schimpflichste aller Strafen verhängte man über Kondô Isami, weil er als Haupt-
rathgeber seines Herrn, des Fürsten von Aidzu, sich bei den südlichen Clanen
besonders verhasst gemacht hatte.
Rein, Japan I. 27
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[417/0445] 7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854. Um den Besitz vieler Schlossstädte nördlich von Yedo, wie Yuki, Utsunomiya, Iwakitaira, Shirakawa, wurde hartnäckig und mit wechselndem Glücke gekämpft. Allen voran standen, was Geschick und unerschütterlichen Muth anlangt, auf der Seite der Rebellen Kondô Isami und Ôtori Keiske, doch vermochten sie der grossen Ueber- macht gegenüber sich nicht zu halten. Ersterer gerieth in Gefangen- schaft *), letzterer flüchtete mit dem Rest seines Heeres, als Shira- kawa gefallen war, nach Aidzu. Von allen Seiten zogen nun schwere Gewitter an den Randgebirgen dieses schönen Landes zusammen, denn Aidzu wurde für die Wurzel der Rebellion erklärt, die man vor allem abhauen müsse. In Echigo war die ansehnliche Stadt Nagaoka nach tapferer Vertheidigung ihrer Besatzung in Flammen aufgegangen und auch Yonezawa, der Alliierte an der Nordgrenze, hielt nicht mehr Stand, sondern ging zum Feind über. Ringsum drang dieser nun über die Gebirgspässe, wo nach kurzem Kampfe die Besatzungen nieder- gehauen waren, in die Aidzu-taira ein und marschierte auf Waka- matsu, die Hauptstadt. Auch sie wurde ein Raub der Flammen. Endlich fiel auch das Schloss, wo selbst Frauen an der Vertheidigung theilnahmen. Der Daimio und sein Sohn mussten sich auf Gnade und Ungnade ergeben (3. November 1868). Diesen blutigen Kämpfen folgten noch einige in Nambu, dann war der Widerstand auf Hondo gebrochen und, wie es schien, der Friede hergestellt. Verschiedene der rebellischen Daimios verloren ihre Besitzthümer ganz oder theil- weise, keine ihr Leben. Hoshina, die Daimiofamilie von Aidzu, verlor ihr schönes Fürstenthum, erhielt aber später ein kleines Besitzthum in Mutsu von 30000 Koku, angeblich damit sie im Stande sei, die Familienopfer zu bringen, in Wirklichkeit aber wohl, weil ihre Lehns- treue doch Vielen Achtung einflösste und man sich schämte, dieselbe an den Bettelstab zu bringen. Hoshina war der alte Familienname, den sie später mit Matsudaira vertauscht hatte. Letzterer, ein Ehren- name unter den Tokugawa, wurde nach dem Falle dieses Hauses nicht mehr gebraucht. Noch einmal kam es, und zwar gegen alles Erwarten, auf Yezo **) *) Man brachte ihn in einem Käfig nach Itabashi bei Yedo, wo er enthauptet wurde. Den Kopf legte man in Sake und sandte ihn nach Kiôto, wo er im trockenen Bett des Kamogawa bei der vierten Brücke ausgestellt wurde. Diese schimpflichste aller Strafen verhängte man über Kondô Isami, weil er als Haupt- rathgeber seines Herrn, des Fürsten von Aidzu, sich bei den südlichen Clanen besonders verhasst gemacht hatte. **) Japaner, Deutschen, Engländer und Amerikaner zu Ehren Nordenskjölds und Gefährten gaben, und begrüsste die Gäste mit einer schönen Rede in deutscher Sprache. Rein, Japan I. 27

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/445>, abgerufen am 22.11.2024.