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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Ethnographie.
annehmen kann, dass seine Vorgänger bereits das Kupfer und seine
Bearbeitung kannten.

Da die Japaner im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung über-
haupt erst eine Schriftsprache, die chinesische, kennen lernten und
ihre davon abgeleitete Silbensprache, das Katakana, noch viel späteren
Ursprungs ist, ihr ältestes Geschichtswerk aber, das Kojiki, aus dem
Jahre 711 stammt, gewährt uns die japanische Literatur für ethno-
graphische Fragen keine Anhaltspunkte. Alte Bauwerke, welche
sonst dem Forscher auf diesem Gebiete ein so geschätztes Material
liefern, fehlen ebenfalls, da das älteste Denkmal, das man kennt,
der Denkstein von Taga-jo-no-hi ist, welcher ostwärts von Sendai
im Jahre 761 errichtet wurde, die Reste unförmiger, steinerner Ge-
bäude aber, welche bei Hakata in Chikuzen vorkommen, zwar gewiss
einer sehr alten Zeit entstammen, aber nichts bieten, was zu einer
genaueren Bestimmung derselben und ihrer Erbauer führen könnte.

Die Lösung der Frage nach dem Ursprung eines Volkes, das in
vorgeschichtlicher Zeit in einem fremden Gebiete erschienen ist, bietet,
wie überall, so auch hier besondere Schwierigkeiten. Sie kann nicht
nach dem Körperbau allein erfolgen, denn dieser verändert sich all-
mählich, wie bekannt ist, mit Klima und Lebensweise, aber noch
vielmehr durch Vermischung mit anderen Volksstämmen. Ferner bietet
die Sprache nicht immer sichere Anhaltspunkte, denn Europa und
seine Geschichte zeigen uns genug Beispiele von Siegern und Be-
siegten, die ihre eigene Sprache nach dem Contact aufgaben und
diejenige des Volkes annahmen, mit dem sie sich vermischten. Auch
Sitten und Lebensweise, die Beschaffenheit der Haus- und Ackerge-
räthe und Anderes mehr, so schätzenswerthe ethnographische Merk-
male und Winke dieselben auch bieten mögen, reichen allein nicht
aus. Erst wenn verschiedene dieser Spuren nach demselben Ursprung
hinweisen, sind wir berechtigt, letzteren als gemeinsamen Ausgangs-
punkt anzunehmen.

Die japanische Sage leitet, wie dies bereits im ersten Kapitel
dieses Buches hervorgehoben wurde, nicht blos die Entstehung von
Oyashima, sondern auch der Herrscherfamilie, ja des ganzen japa-
nischen Volkes von dem Götterpaare Isanagi und Isanami ab. Von
seinen fünf auf Awaji geborenen Kindern bevorzugte Isanagi die bei-
den ältesten Töchter am meisten. Sie waren aus seinen Augen durch
Waschen im Meere erzeugt worden, die erstgeborene aus dem linken,
die jüngere aus dem rechten Auge. Als Sonnen- und als Mondgöttin
erhob er sie an den Himmel und machte sie zu Beherrscherinnen von
Tag und Nacht. Amaterasu-o-mi-kami (chinesisch Tensho Daijin),

II. Ethnographie.
annehmen kann, dass seine Vorgänger bereits das Kupfer und seine
Bearbeitung kannten.

Da die Japaner im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung über-
haupt erst eine Schriftsprache, die chinesische, kennen lernten und
ihre davon abgeleitete Silbensprache, das Katakana, noch viel späteren
Ursprungs ist, ihr ältestes Geschichtswerk aber, das Kojiki, aus dem
Jahre 711 stammt, gewährt uns die japanische Literatur für ethno-
graphische Fragen keine Anhaltspunkte. Alte Bauwerke, welche
sonst dem Forscher auf diesem Gebiete ein so geschätztes Material
liefern, fehlen ebenfalls, da das älteste Denkmal, das man kennt,
der Denkstein von Taga-jô-no-hi ist, welcher ostwärts von Sendai
im Jahre 761 errichtet wurde, die Reste unförmiger, steinerner Ge-
bäude aber, welche bei Hakata in Chikuzen vorkommen, zwar gewiss
einer sehr alten Zeit entstammen, aber nichts bieten, was zu einer
genaueren Bestimmung derselben und ihrer Erbauer führen könnte.

Die Lösung der Frage nach dem Ursprung eines Volkes, das in
vorgeschichtlicher Zeit in einem fremden Gebiete erschienen ist, bietet,
wie überall, so auch hier besondere Schwierigkeiten. Sie kann nicht
nach dem Körperbau allein erfolgen, denn dieser verändert sich all-
mählich, wie bekannt ist, mit Klima und Lebensweise, aber noch
vielmehr durch Vermischung mit anderen Volksstämmen. Ferner bietet
die Sprache nicht immer sichere Anhaltspunkte, denn Europa und
seine Geschichte zeigen uns genug Beispiele von Siegern und Be-
siegten, die ihre eigene Sprache nach dem Contact aufgaben und
diejenige des Volkes annahmen, mit dem sie sich vermischten. Auch
Sitten und Lebensweise, die Beschaffenheit der Haus- und Ackerge-
räthe und Anderes mehr, so schätzenswerthe ethnographische Merk-
male und Winke dieselben auch bieten mögen, reichen allein nicht
aus. Erst wenn verschiedene dieser Spuren nach demselben Ursprung
hinweisen, sind wir berechtigt, letzteren als gemeinsamen Ausgangs-
punkt anzunehmen.

Die japanische Sage leitet, wie dies bereits im ersten Kapitel
dieses Buches hervorgehoben wurde, nicht blos die Entstehung von
Oyashima, sondern auch der Herrscherfamilie, ja des ganzen japa-
nischen Volkes von dem Götterpaare Isanagi und Isanami ab. Von
seinen fünf auf Awaji geborenen Kindern bevorzugte Isanagi die bei-
den ältesten Töchter am meisten. Sie waren aus seinen Augen durch
Waschen im Meere erzeugt worden, die erstgeborene aus dem linken,
die jüngere aus dem rechten Auge. Als Sonnen- und als Mondgöttin
erhob er sie an den Himmel und machte sie zu Beherrscherinnen von
Tag und Nacht. Amaterasu-o-mi-kami (chinesisch Tenshô Daijin),

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[448/0478] II. Ethnographie. annehmen kann, dass seine Vorgänger bereits das Kupfer und seine Bearbeitung kannten. Da die Japaner im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung über- haupt erst eine Schriftsprache, die chinesische, kennen lernten und ihre davon abgeleitete Silbensprache, das Katakana, noch viel späteren Ursprungs ist, ihr ältestes Geschichtswerk aber, das Kojiki, aus dem Jahre 711 stammt, gewährt uns die japanische Literatur für ethno- graphische Fragen keine Anhaltspunkte. Alte Bauwerke, welche sonst dem Forscher auf diesem Gebiete ein so geschätztes Material liefern, fehlen ebenfalls, da das älteste Denkmal, das man kennt, der Denkstein von Taga-jô-no-hi ist, welcher ostwärts von Sendai im Jahre 761 errichtet wurde, die Reste unförmiger, steinerner Ge- bäude aber, welche bei Hakata in Chikuzen vorkommen, zwar gewiss einer sehr alten Zeit entstammen, aber nichts bieten, was zu einer genaueren Bestimmung derselben und ihrer Erbauer führen könnte. Die Lösung der Frage nach dem Ursprung eines Volkes, das in vorgeschichtlicher Zeit in einem fremden Gebiete erschienen ist, bietet, wie überall, so auch hier besondere Schwierigkeiten. Sie kann nicht nach dem Körperbau allein erfolgen, denn dieser verändert sich all- mählich, wie bekannt ist, mit Klima und Lebensweise, aber noch vielmehr durch Vermischung mit anderen Volksstämmen. Ferner bietet die Sprache nicht immer sichere Anhaltspunkte, denn Europa und seine Geschichte zeigen uns genug Beispiele von Siegern und Be- siegten, die ihre eigene Sprache nach dem Contact aufgaben und diejenige des Volkes annahmen, mit dem sie sich vermischten. Auch Sitten und Lebensweise, die Beschaffenheit der Haus- und Ackerge- räthe und Anderes mehr, so schätzenswerthe ethnographische Merk- male und Winke dieselben auch bieten mögen, reichen allein nicht aus. Erst wenn verschiedene dieser Spuren nach demselben Ursprung hinweisen, sind wir berechtigt, letzteren als gemeinsamen Ausgangs- punkt anzunehmen. Die japanische Sage leitet, wie dies bereits im ersten Kapitel dieses Buches hervorgehoben wurde, nicht blos die Entstehung von Oyashima, sondern auch der Herrscherfamilie, ja des ganzen japa- nischen Volkes von dem Götterpaare Isanagi und Isanami ab. Von seinen fünf auf Awaji geborenen Kindern bevorzugte Isanagi die bei- den ältesten Töchter am meisten. Sie waren aus seinen Augen durch Waschen im Meere erzeugt worden, die erstgeborene aus dem linken, die jüngere aus dem rechten Auge. Als Sonnen- und als Mondgöttin erhob er sie an den Himmel und machte sie zu Beherrscherinnen von Tag und Nacht. Amaterasu-o-mi-kami (chinesisch Tenshô Daijin),

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/478>, abgerufen am 22.11.2024.