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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Go-kinai (Kioto).
Diese ist die berühmteste, älteste und schönste, von der man die Ent-
fernungen misst, ein stattlicher Holzbau von 200 Ellen Länge, den
Hideyoshi (Taiko-Sama) vor etwa 300 Jahren errichten liess. Der
Kamo-gawa, berühmt durch sein klares Wasser, das nur zur Regen-
zeit das Bett ganz ausfüllt, sonst aber viele Inselchen bildet, ist im
heissen Sommer ein grosser Anziehungspunkt für Tausende von Men-
schen, welche an seinen Ufern und in den provisorisch errichteten
Wirthschaften über seinem Bett selbst die Abendkühle geniessen.

Unter den Strassen, welche von Norden nach Süden gerichtet
sind, heben wir hervor: Muro-machi (b, b, b), welche mitten durch
die Stadt zieht, Tera-machi (a, a, a) ostwärts und Sembon-dori (c, c, c)
westwärts von ihr, sowie die kürzere, nur im nördlichen Stadttheil
und unmittelbar östlich von Muro-machi gelegene Karasumara-
dori (d, d).

Im nordöstlichen Theile der Stadt, dem geschäftlichen Verkehr und
Lärm entrückt, breitet sich die frühere Residenz der Mikado aus. Sie
führte ehedem den Namen Heian-jo (Friedensschloss), später wurde
der Name Gosho (erhabener Palast) oder Kinri-Gosho und bei den
Fremden Dairi (das grosse Innere) gebräuchlich, womit auch der Mikado
selbst bezeichnet wurde. Zur Residenz gehören ausser Gosho selbst
das Sento-gosho oder Schloss, wo der frühere Mikado nach seiner Ab-
dicierung in Zurückgezogenheit zu leben pflegte, die Wohnungen der
übrigen Glieder der kaiserlichen Familie, sowie die zu ihnen und
Gosho gehörenden Gärten, endlich auch im weiteren Umkreise die
Wohnungen der Kuge. Das Mikadoschloss ist ein grosser geräumiger
Bau aus dem Holze des Hinoki (Chamaecyparis obtusa) und mit der
Rinde dieses Baumes überdacht, und nur die Feinheit der Matten
und Schiebewände im Innern zeigt den bescheidenen Glanz fürstlicher
Wohnungen in Japan. Es ist ein Labyrinth von Höfen, Gängen und
geräumigen Gemächern mit Matten und Schiebewänden. Der park-
artige Garten, mit dem bekannten feinen Geschmack der japanischen
Gartenkunst angelegt, ist sehr vernachlässigt, wie dies schon Baron
Hübner hervorhebt, auf den wir hier wegen einer eingehenderen
Schilderung verweisen müssen.

Der Zutritt zur Residenz, einschliesslich der meisten Kugewoh-
nungen fand durch 9 Thore statt, welche an den Strassenöffnungen
angebracht waren, ohne durch Mauern und Wälle verbunden zu sein.

Südwestlich und in einiger Entfernung von Heian-jo befindet sich
Nijo, das Schloss der Shogune, wo früher der Gouverneur der Stadt
wohnte, welcher nach den Bestimmungen des Iyeyasu stets ein mäch-
tiger Fudai-Daimio und General sein musste. Jetzt hat man hier

I. Go-kinai (Kiôto).
Diese ist die berühmteste, älteste und schönste, von der man die Ent-
fernungen misst, ein stattlicher Holzbau von 200 Ellen Länge, den
Hideyoshi (Taikô-Sama) vor etwa 300 Jahren errichten liess. Der
Kamo-gawa, berühmt durch sein klares Wasser, das nur zur Regen-
zeit das Bett ganz ausfüllt, sonst aber viele Inselchen bildet, ist im
heissen Sommer ein grosser Anziehungspunkt für Tausende von Men-
schen, welche an seinen Ufern und in den provisorisch errichteten
Wirthschaften über seinem Bett selbst die Abendkühle geniessen.

Unter den Strassen, welche von Norden nach Süden gerichtet
sind, heben wir hervor: Muro-machi (b, b, b), welche mitten durch
die Stadt zieht, Tera-machi (a, a, a) ostwärts und Sembon-dôri (c, c, c)
westwärts von ihr, sowie die kürzere, nur im nördlichen Stadttheil
und unmittelbar östlich von Muro-machi gelegene Karasumara-
dôri (d, d).

Im nordöstlichen Theile der Stadt, dem geschäftlichen Verkehr und
Lärm entrückt, breitet sich die frühere Residenz der Mikado aus. Sie
führte ehedem den Namen Heian-jô (Friedensschloss), später wurde
der Name Gosho (erhabener Palast) oder Kinri-Gosho und bei den
Fremden Dairi (das grosse Innere) gebräuchlich, womit auch der Mikado
selbst bezeichnet wurde. Zur Residenz gehören ausser Gosho selbst
das Sentô-gosho oder Schloss, wo der frühere Mikado nach seiner Ab-
dicierung in Zurückgezogenheit zu leben pflegte, die Wohnungen der
übrigen Glieder der kaiserlichen Familie, sowie die zu ihnen und
Gosho gehörenden Gärten, endlich auch im weiteren Umkreise die
Wohnungen der Kuge. Das Mikadoschloss ist ein grosser geräumiger
Bau aus dem Holze des Hinoki (Chamaecyparis obtusa) und mit der
Rinde dieses Baumes überdacht, und nur die Feinheit der Matten
und Schiebewände im Innern zeigt den bescheidenen Glanz fürstlicher
Wohnungen in Japan. Es ist ein Labyrinth von Höfen, Gängen und
geräumigen Gemächern mit Matten und Schiebewänden. Der park-
artige Garten, mit dem bekannten feinen Geschmack der japanischen
Gartenkunst angelegt, ist sehr vernachlässigt, wie dies schon Baron
Hübner hervorhebt, auf den wir hier wegen einer eingehenderen
Schilderung verweisen müssen.

Der Zutritt zur Residenz, einschliesslich der meisten Kugewoh-
nungen fand durch 9 Thore statt, welche an den Strassenöffnungen
angebracht waren, ohne durch Mauern und Wälle verbunden zu sein.

Südwestlich und in einiger Entfernung von Heian-jô befindet sich
Nijô, das Schloss der Shôgune, wo früher der Gouverneur der Stadt
wohnte, welcher nach den Bestimmungen des Iyeyasu stets ein mäch-
tiger Fudai-Daimio und General sein musste. Jetzt hat man hier

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[543/0581] I. Go-kinai (Kiôto). Diese ist die berühmteste, älteste und schönste, von der man die Ent- fernungen misst, ein stattlicher Holzbau von 200 Ellen Länge, den Hideyoshi (Taikô-Sama) vor etwa 300 Jahren errichten liess. Der Kamo-gawa, berühmt durch sein klares Wasser, das nur zur Regen- zeit das Bett ganz ausfüllt, sonst aber viele Inselchen bildet, ist im heissen Sommer ein grosser Anziehungspunkt für Tausende von Men- schen, welche an seinen Ufern und in den provisorisch errichteten Wirthschaften über seinem Bett selbst die Abendkühle geniessen. Unter den Strassen, welche von Norden nach Süden gerichtet sind, heben wir hervor: Muro-machi (b, b, b), welche mitten durch die Stadt zieht, Tera-machi (a, a, a) ostwärts und Sembon-dôri (c, c, c) westwärts von ihr, sowie die kürzere, nur im nördlichen Stadttheil und unmittelbar östlich von Muro-machi gelegene Karasumara- dôri (d, d). Im nordöstlichen Theile der Stadt, dem geschäftlichen Verkehr und Lärm entrückt, breitet sich die frühere Residenz der Mikado aus. Sie führte ehedem den Namen Heian-jô (Friedensschloss), später wurde der Name Gosho (erhabener Palast) oder Kinri-Gosho und bei den Fremden Dairi (das grosse Innere) gebräuchlich, womit auch der Mikado selbst bezeichnet wurde. Zur Residenz gehören ausser Gosho selbst das Sentô-gosho oder Schloss, wo der frühere Mikado nach seiner Ab- dicierung in Zurückgezogenheit zu leben pflegte, die Wohnungen der übrigen Glieder der kaiserlichen Familie, sowie die zu ihnen und Gosho gehörenden Gärten, endlich auch im weiteren Umkreise die Wohnungen der Kuge. Das Mikadoschloss ist ein grosser geräumiger Bau aus dem Holze des Hinoki (Chamaecyparis obtusa) und mit der Rinde dieses Baumes überdacht, und nur die Feinheit der Matten und Schiebewände im Innern zeigt den bescheidenen Glanz fürstlicher Wohnungen in Japan. Es ist ein Labyrinth von Höfen, Gängen und geräumigen Gemächern mit Matten und Schiebewänden. Der park- artige Garten, mit dem bekannten feinen Geschmack der japanischen Gartenkunst angelegt, ist sehr vernachlässigt, wie dies schon Baron Hübner hervorhebt, auf den wir hier wegen einer eingehenderen Schilderung verweisen müssen. Der Zutritt zur Residenz, einschliesslich der meisten Kugewoh- nungen fand durch 9 Thore statt, welche an den Strassenöffnungen angebracht waren, ohne durch Mauern und Wälle verbunden zu sein. Südwestlich und in einiger Entfernung von Heian-jô befindet sich Nijô, das Schloss der Shôgune, wo früher der Gouverneur der Stadt wohnte, welcher nach den Bestimmungen des Iyeyasu stets ein mäch- tiger Fudai-Daimio und General sein musste. Jetzt hat man hier

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/581>, abgerufen am 02.11.2024.