scheiden auftreten und die Basis der Blätter und Blüthenträger um- hüllen. Diese haarartigen Fasern (jap. Shiro-no-ki), eine Art Crin vegetal, viel länger und weicher, wenn auch weniger stark als das sogenannte Coir der Cocosnüsse, werden in Japan und ebenso in China zu Seilen, Matten, Staubbesen und Bürsten verarbeitet. In Tokio gibt es z. B. viele Familien, welche sich durch die Darstellung solcher Shiro-saiku, d. h. Arbeiten (ku) aus diesem Material (sai) der Palme (Shiro) ernähren, indem sie dieselben zugleich in kleinen Läden feil- bieten.
12) Juncus effusus L., jap. I oder I-gusa. Diese Binse, welche auf der nördlichen Hemisphäre weitverbreitet ist, wird zwar auch in verschiedenen andern Ländern gesammelt und zu Matten ver- arbeitet, hat aber nirgends eine solche Bedeutung erlangt, wie in Ja- pan, indem hier manche Sitte und Hauseinrichtung aufs innigste mit den aus ihr bereiteten Fussmatten und andern Geflechten verknüpft ist. Um den grossen Bedarf an dieser Binse zu decken, wird sie regel- recht in verschiedenen Landestheilen und manchmal in grossem Um- fang cultiviert. Die Cultur erinnert an diejenige des Reis und wird auf sumpfigen Feldern betrieben, die zuweilen mit Reisland abwech- seln. Man vermehrt durch Rhizomableger und legt neue Pflanzungen zeitig im Frühjahr an, indem man Reihencultur anwendet. Im August findet die Ernte statt. Die Binsen, welche man auch wohl Goza- gusa (Mattenkraut) nennt, haben alsdann etwa ein Meter Höhe erreicht. Sie werden dicht über dem Boden abgeschnitten, getrocknet und zur Aufbewahrung unter Dach gebracht. Vor dem Verbrauch feuchtet man sie an und reibt dann die Epidermis mit Asche ab.
Im 1. Band dieses Werkes pag. 481 wurde hervorgehoben, dass sich die Grösse der japanischen Zimmer, ja der ganze Grundriss der Häuser nach den Fussmatten oder Tatami richte, indem diese letz- teren die feststehende Grösse von Rechtecken haben, welche 6 Shaku oder jap. Fuss a 30,33 cm lang, 3 Shaku breit und 1/6 Shaku dick sind. Nach denselben construiert und unterscheidet man Zimmer von 4, 6, 8, 10, 12 und mehr Matten. Diese Tatami werden nun aus Wara oder Reisstroh, das dicht mit einander verbunden oder verflochten ist, dem Toko oder Bett derselben, dargestellt, an den Rändern mit Zeug- streifen eingefasst und auf der Oberseite (Omote) mit schöngeflochtener Binsenmatte überdeckt und befestigt. Die Riu-kiu-Inseln, Bungo und andere Provinzen von Kiushiu, vor allem aber Bingo im San-yodo und Nachbarprovinzen sind wegen ihrer Binsenzucht und Matten be- rühmt. Am meisten schätzt man die Bingo-omote. Dieselben sind schöner und theurer, aber nicht so stark als diejenigen von Bungo.
3. Handelsgewächse.
scheiden auftreten und die Basis der Blätter und Blüthenträger um- hüllen. Diese haarartigen Fasern (jap. Shiro-no-ki), eine Art Crin végétal, viel länger und weicher, wenn auch weniger stark als das sogenannte Coir der Cocosnüsse, werden in Japan und ebenso in China zu Seilen, Matten, Staubbesen und Bürsten verarbeitet. In Tôkio gibt es z. B. viele Familien, welche sich durch die Darstellung solcher Shiro-saiku, d. h. Arbeiten (ku) aus diesem Material (sai) der Palme (Shiro) ernähren, indem sie dieselben zugleich in kleinen Läden feil- bieten.
12) Juncus effusus L., jap. I oder I-gusa. Diese Binse, welche auf der nördlichen Hemisphäre weitverbreitet ist, wird zwar auch in verschiedenen andern Ländern gesammelt und zu Matten ver- arbeitet, hat aber nirgends eine solche Bedeutung erlangt, wie in Ja- pan, indem hier manche Sitte und Hauseinrichtung aufs innigste mit den aus ihr bereiteten Fussmatten und andern Geflechten verknüpft ist. Um den grossen Bedarf an dieser Binse zu decken, wird sie regel- recht in verschiedenen Landestheilen und manchmal in grossem Um- fang cultiviert. Die Cultur erinnert an diejenige des Reis und wird auf sumpfigen Feldern betrieben, die zuweilen mit Reisland abwech- seln. Man vermehrt durch Rhizomableger und legt neue Pflanzungen zeitig im Frühjahr an, indem man Reihencultur anwendet. Im August findet die Ernte statt. Die Binsen, welche man auch wohl Goza- gusa (Mattenkraut) nennt, haben alsdann etwa ein Meter Höhe erreicht. Sie werden dicht über dem Boden abgeschnitten, getrocknet und zur Aufbewahrung unter Dach gebracht. Vor dem Verbrauch feuchtet man sie an und reibt dann die Epidermis mit Asche ab.
Im 1. Band dieses Werkes pag. 481 wurde hervorgehoben, dass sich die Grösse der japanischen Zimmer, ja der ganze Grundriss der Häuser nach den Fussmatten oder Tatami richte, indem diese letz- teren die feststehende Grösse von Rechtecken haben, welche 6 Shaku oder jap. Fuss à 30,33 cm lang, 3 Shaku breit und ⅙ Shaku dick sind. Nach denselben construiert und unterscheidet man Zimmer von 4, 6, 8, 10, 12 und mehr Matten. Diese Tatami werden nun aus Wara oder Reisstroh, das dicht mit einander verbunden oder verflochten ist, dem Toko oder Bett derselben, dargestellt, an den Rändern mit Zeug- streifen eingefasst und auf der Oberseite (Omote) mit schöngeflochtener Binsenmatte überdeckt und befestigt. Die Riu-kiu-Inseln, Bungo und andere Provinzen von Kiushiu, vor allem aber Bingo im San-yôdô und Nachbarprovinzen sind wegen ihrer Binsenzucht und Matten be- rühmt. Am meisten schätzt man die Bingo-omote. Dieselben sind schöner und theurer, aber nicht so stark als diejenigen von Bungo.
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scheiden auftreten und die Basis der Blätter und Blüthenträger um-
hüllen. Diese haarartigen Fasern (jap. Shiro-no-ki), eine Art Crin
végétal, viel länger und weicher, wenn auch weniger stark als das
sogenannte Coir der Cocosnüsse, werden in Japan und ebenso in China
zu Seilen, Matten, Staubbesen und Bürsten verarbeitet. In Tôkio gibt
es z. B. viele Familien, welche sich durch die Darstellung solcher
Shiro-saiku, d. h. Arbeiten (ku) aus diesem Material (sai) der Palme
(Shiro) ernähren, indem sie dieselben zugleich in kleinen Läden feil-
bieten.
12) Juncus effusus L., jap. I oder I-gusa. Diese Binse,
welche auf der nördlichen Hemisphäre weitverbreitet ist, wird zwar
auch in verschiedenen andern Ländern gesammelt und zu Matten ver-
arbeitet, hat aber nirgends eine solche Bedeutung erlangt, wie in Ja-
pan, indem hier manche Sitte und Hauseinrichtung aufs innigste mit
den aus ihr bereiteten Fussmatten und andern Geflechten verknüpft
ist. Um den grossen Bedarf an dieser Binse zu decken, wird sie regel-
recht in verschiedenen Landestheilen und manchmal in grossem Um-
fang cultiviert. Die Cultur erinnert an diejenige des Reis und wird
auf sumpfigen Feldern betrieben, die zuweilen mit Reisland abwech-
seln. Man vermehrt durch Rhizomableger und legt neue Pflanzungen
zeitig im Frühjahr an, indem man Reihencultur anwendet. Im August
findet die Ernte statt. Die Binsen, welche man auch wohl Goza-
gusa (Mattenkraut) nennt, haben alsdann etwa ein Meter Höhe erreicht.
Sie werden dicht über dem Boden abgeschnitten, getrocknet und zur
Aufbewahrung unter Dach gebracht. Vor dem Verbrauch feuchtet man
sie an und reibt dann die Epidermis mit Asche ab.
Im 1. Band dieses Werkes pag. 481 wurde hervorgehoben, dass
sich die Grösse der japanischen Zimmer, ja der ganze Grundriss der
Häuser nach den Fussmatten oder Tatami richte, indem diese letz-
teren die feststehende Grösse von Rechtecken haben, welche 6 Shaku
oder jap. Fuss à 30,33 cm lang, 3 Shaku breit und ⅙ Shaku dick
sind. Nach denselben construiert und unterscheidet man Zimmer von
4, 6, 8, 10, 12 und mehr Matten. Diese Tatami werden nun aus Wara
oder Reisstroh, das dicht mit einander verbunden oder verflochten ist,
dem Toko oder Bett derselben, dargestellt, an den Rändern mit Zeug-
streifen eingefasst und auf der Oberseite (Omote) mit schöngeflochtener
Binsenmatte überdeckt und befestigt. Die Riu-kiu-Inseln, Bungo und
andere Provinzen von Kiushiu, vor allem aber Bingo im San-yôdô
und Nachbarprovinzen sind wegen ihrer Binsenzucht und Matten be-
rühmt. Am meisten schätzt man die Bingo-omote. Dieselben sind
schöner und theurer, aber nicht so stark als diejenigen von Bungo.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/223>, abgerufen am 21.11.2024.
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