Behauptung, dass die Portugiesen in Ostasien den Mais einführten, Beweise, welche De Candolle nicht gebraucht, der unter anderm mit Recht hervorhebt, dass der Mais keinen Sanskritnamen hat und weder von Marco Polo, noch von Mendez Pinto erwähnt wird.
Zunächst ist die Thatsache, welche auch v. Siebold erwähnt, nicht ohne Bedeutung bei dieser Frage, dass nämlich Japan nur zwei Sorten Mais baut, während die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass bei einer sehr alten Cultur sich hier, wie bei fast allen sonstigen Feldfrüch- ten, eine grössere Zahl von Abarten herausgebildet haben müsste. Fer- ner muss betont werden, dass der Mais heutzutage nur eine untergeord- nete Rolle unter den Nährpflanzen des Landes spielt, indem man seinen Anbau auf Ackerränder und einzelne Beete beschränkt und nie über grössere Flächen ausdehnt. Auch werden die Körner nur wenige Wochen im Sommer verwerthet, wenn man die halbreifen Fruchtkolben über Kohlenfeuer röstet und dann verzehrt, was wie in verschiedenen Gegen- den des Orients auch auf der Strasse geschieht. Nun können wir aber annehmen, dass bei dem conservativen Charakter und den festen Normen des japanischen Ackerbaues in der Verwendung der in Rede stehenden Getreideart seit ihrer Einführung sich wenig geändert hat und dieselbe nie eine bedeutende Rolle unter den Feldfrüchten des Landes spielte. Doch wichtiger und überzeugender als Beweis dafür, dass der Maisbau in Japan nicht alt ist, vielmehr durch die Portugiesen erst eingeführt wurde, dürfte die Thatsache sein, dass Welschkorn in Japan keinen eigenen Namen hat, wie dies doch bei allen sonstigen, frühzeitig aus China bezogenen, wie nicht minder bei den meisten indigenen Ge- wächsen des Landes der Fall ist; denn alle bereits am Eingang angeführten Benennungen sind Lehnwörter, welche auf's klarste den fremden Ursprung des Getreides andeuten. So bedeutet die Bezeich- nung "To-morokoshi", chinesisches Sorghum, "To-kibi", chinesi- sche Hirse und "Nanban-kibi", Hirse der südlichen Barbaren. Ferner nennen die Chinesen auf Formosa den Mais "Fan-meh", d. h. frem- des Getreide, ein Ausdruck, welchen sie gewiss nicht angewandt hätten, wenn ihnen dasselbe in ihrem Mutterlande bekannt gewesen wäre. Die Worte "Fan", fremd, und "Nanban" (spr. Namban), d. h. südliche Barbaren, weisen auf die von Süden gekommenen Euro- päer und insbesondere die Portugiesen hin, denn diese wurden vor allem als Fremde und "Nanban" bezeichnet. Ebensowenig aber, wie "Welschkorn" und "Türkischer Weizen" heute noch zu Missdeutungen Anlass geben, dürften die Ausdrücke "To-morokoshi" und "To- kibi" schwer zu verkennen sein. Wie der Deutsche den Mais über Italien und die Türkei zuerst kennen lernte, und desshalb nach die-
2. Nährpflanzen.
Behauptung, dass die Portugiesen in Ostasien den Mais einführten, Beweise, welche De Candolle nicht gebraucht, der unter anderm mit Recht hervorhebt, dass der Mais keinen Sanskritnamen hat und weder von Marco Polo, noch von Mendez Pinto erwähnt wird.
Zunächst ist die Thatsache, welche auch v. Siebold erwähnt, nicht ohne Bedeutung bei dieser Frage, dass nämlich Japan nur zwei Sorten Mais baut, während die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass bei einer sehr alten Cultur sich hier, wie bei fast allen sonstigen Feldfrüch- ten, eine grössere Zahl von Abarten herausgebildet haben müsste. Fer- ner muss betont werden, dass der Mais heutzutage nur eine untergeord- nete Rolle unter den Nährpflanzen des Landes spielt, indem man seinen Anbau auf Ackerränder und einzelne Beete beschränkt und nie über grössere Flächen ausdehnt. Auch werden die Körner nur wenige Wochen im Sommer verwerthet, wenn man die halbreifen Fruchtkolben über Kohlenfeuer röstet und dann verzehrt, was wie in verschiedenen Gegen- den des Orients auch auf der Strasse geschieht. Nun können wir aber annehmen, dass bei dem conservativen Charakter und den festen Normen des japanischen Ackerbaues in der Verwendung der in Rede stehenden Getreideart seit ihrer Einführung sich wenig geändert hat und dieselbe nie eine bedeutende Rolle unter den Feldfrüchten des Landes spielte. Doch wichtiger und überzeugender als Beweis dafür, dass der Maisbau in Japan nicht alt ist, vielmehr durch die Portugiesen erst eingeführt wurde, dürfte die Thatsache sein, dass Welschkorn in Japan keinen eigenen Namen hat, wie dies doch bei allen sonstigen, frühzeitig aus China bezogenen, wie nicht minder bei den meisten indigenen Ge- wächsen des Landes der Fall ist; denn alle bereits am Eingang angeführten Benennungen sind Lehnwörter, welche auf’s klarste den fremden Ursprung des Getreides andeuten. So bedeutet die Bezeich- nung »Tô-morokoshi«, chinesisches Sorghum, »Tô-kibi«, chinesi- sche Hirse und »Nanban-kibi«, Hirse der südlichen Barbaren. Ferner nennen die Chinesen auf Formosa den Mais »Fan-meh«, d. h. frem- des Getreide, ein Ausdruck, welchen sie gewiss nicht angewandt hätten, wenn ihnen dasselbe in ihrem Mutterlande bekannt gewesen wäre. Die Worte »Fan«, fremd, und »Nanban« (spr. Namban), d. h. südliche Barbaren, weisen auf die von Süden gekommenen Euro- päer und insbesondere die Portugiesen hin, denn diese wurden vor allem als Fremde und »Nanban« bezeichnet. Ebensowenig aber, wie »Welschkorn« und »Türkischer Weizen« heute noch zu Missdeutungen Anlass geben, dürften die Ausdrücke »Tô-morokoshi« und »Tô- kibi« schwer zu verkennen sein. Wie der Deutsche den Mais über Italien und die Türkei zuerst kennen lernte, und desshalb nach die-
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2. Nährpflanzen.
Behauptung, dass die Portugiesen in Ostasien den Mais einführten,
Beweise, welche De Candolle nicht gebraucht, der unter anderm
mit Recht hervorhebt, dass der Mais keinen Sanskritnamen hat und
weder von Marco Polo, noch von Mendez Pinto erwähnt wird.
Zunächst ist die Thatsache, welche auch v. Siebold erwähnt,
nicht ohne Bedeutung bei dieser Frage, dass nämlich Japan nur zwei
Sorten Mais baut, während die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass bei
einer sehr alten Cultur sich hier, wie bei fast allen sonstigen Feldfrüch-
ten, eine grössere Zahl von Abarten herausgebildet haben müsste. Fer-
ner muss betont werden, dass der Mais heutzutage nur eine untergeord-
nete Rolle unter den Nährpflanzen des Landes spielt, indem man seinen
Anbau auf Ackerränder und einzelne Beete beschränkt und nie über
grössere Flächen ausdehnt. Auch werden die Körner nur wenige Wochen
im Sommer verwerthet, wenn man die halbreifen Fruchtkolben über
Kohlenfeuer röstet und dann verzehrt, was wie in verschiedenen Gegen-
den des Orients auch auf der Strasse geschieht. Nun können wir aber
annehmen, dass bei dem conservativen Charakter und den festen Normen
des japanischen Ackerbaues in der Verwendung der in Rede stehenden
Getreideart seit ihrer Einführung sich wenig geändert hat und dieselbe
nie eine bedeutende Rolle unter den Feldfrüchten des Landes spielte.
Doch wichtiger und überzeugender als Beweis dafür, dass der Maisbau
in Japan nicht alt ist, vielmehr durch die Portugiesen erst eingeführt
wurde, dürfte die Thatsache sein, dass Welschkorn in Japan keinen
eigenen Namen hat, wie dies doch bei allen sonstigen, frühzeitig aus
China bezogenen, wie nicht minder bei den meisten indigenen Ge-
wächsen des Landes der Fall ist; denn alle bereits am Eingang
angeführten Benennungen sind Lehnwörter, welche auf’s klarste den
fremden Ursprung des Getreides andeuten. So bedeutet die Bezeich-
nung »Tô-morokoshi«, chinesisches Sorghum, »Tô-kibi«, chinesi-
sche Hirse und »Nanban-kibi«, Hirse der südlichen Barbaren. Ferner
nennen die Chinesen auf Formosa den Mais »Fan-meh«, d. h. frem-
des Getreide, ein Ausdruck, welchen sie gewiss nicht angewandt
hätten, wenn ihnen dasselbe in ihrem Mutterlande bekannt gewesen
wäre. Die Worte »Fan«, fremd, und »Nanban« (spr. Namban), d. h.
südliche Barbaren, weisen auf die von Süden gekommenen Euro-
päer und insbesondere die Portugiesen hin, denn diese wurden vor
allem als Fremde und »Nanban« bezeichnet. Ebensowenig aber, wie
»Welschkorn« und »Türkischer Weizen« heute noch zu Missdeutungen
Anlass geben, dürften die Ausdrücke »Tô-morokoshi« und »Tô-
kibi« schwer zu verkennen sein. Wie der Deutsche den Mais über
Italien und die Türkei zuerst kennen lernte, und desshalb nach die-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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