"nichts fruchten, und die Schwierigkeiten nicht zu "groß sind: doch haben die Geschiedenen ein Jahr "Freyheit einander wieder zu nehmen, bevor sie zur "zweyten Ehe schreiten können."
Jch bin sehr mit diesen Gesetzen zufrieden, sprach Christinens Vater zu seinem Schwiegersohne; aber bey uns, wo der Privatnutzen und der Werth der Reichthümer alles umkehren, würden sie nicht hinlänglich seyn. Nun mein Sohn, es fehlt dir zu einem grossen Regenten nichts, als grosse Staaten. Jndeß gefällt mir, daß du hier mehr in Sicherheit bist, als viele Fürsten in Deutschland oder in Jtali- en, deren Staaten tausendmal weitläuftiger als die Deinigen sind. Sie haben nur ein geborgtes An- sehn, aber über das Deinige bist du unbeschränkter Herr.
"Jch schränke mich nicht auf diesen Punkt des Erdballs ein, mein Vater, erwiederte Victorin, jetzt, da ich mit ihnen ausgesöhnet bin, und das Glück meiner Gattin und das meinige vollkommen ist, geh ich mit noch grössern Gedanken schwanger. Jn einiger Zeit bin ich Willens mit meinem jüngern Sohne einen Ausflug nach den Südländern zu ma- chen, die von dem durch die ehrgeizigen Europäer entdeckten Lande weit entfernt sind; und sind ich denn da eine Jnsel wie Tinian oder Juan-Fernandez; so schaff' ich meine Kolonie dahin. Da ich nach mei- ner Entdeckung den kürzesten Weg nehmen würde und keiner Umwege nöthig hätte, so würd' ich wenig Zeit zu dieser Reise brauchen. Doch müßten die er-
sten
G 5
„nichts fruchten, und die Schwierigkeiten nicht zu „groß ſind: doch haben die Geſchiedenen ein Jahr „Freyheit einander wieder zu nehmen, bevor ſie zur „zweyten Ehe ſchreiten koͤnnen.‟
Jch bin ſehr mit dieſen Geſetzen zufrieden, ſprach Chriſtinens Vater zu ſeinem Schwiegerſohne; aber bey uns, wo der Privatnutzen und der Werth der Reichthuͤmer alles umkehren, wuͤrden ſie nicht hinlaͤnglich ſeyn. Nun mein Sohn, es fehlt dir zu einem groſſen Regenten nichts, als groſſe Staaten. Jndeß gefaͤllt mir, daß du hier mehr in Sicherheit biſt, als viele Fuͤrſten in Deutſchland oder in Jtali- en, deren Staaten tauſendmal weitlaͤuftiger als die Deinigen ſind. Sie haben nur ein geborgtes An- ſehn, aber uͤber das Deinige biſt du unbeſchraͤnkter Herr.
„Jch ſchraͤnke mich nicht auf dieſen Punkt des Erdballs ein, mein Vater, erwiederte Victorin, jetzt, da ich mit ihnen ausgeſoͤhnet bin, und das Gluͤck meiner Gattin und das meinige vollkommen iſt, geh ich mit noch groͤſſern Gedanken ſchwanger. Jn einiger Zeit bin ich Willens mit meinem juͤngern Sohne einen Ausflug nach den Suͤdlaͤndern zu ma- chen, die von dem durch die ehrgeizigen Europaͤer entdeckten Lande weit entfernt ſind; und ſind ich denn da eine Jnſel wie Tinian oder Juan-Fernandez; ſo ſchaff’ ich meine Kolonie dahin. Da ich nach mei- ner Entdeckung den kuͤrzeſten Weg nehmen wuͤrde und keiner Umwege noͤthig haͤtte, ſo wuͤrd’ ich wenig Zeit zu dieſer Reiſe brauchen. Doch muͤßten die er-
ſten
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„nichts fruchten, und die Schwierigkeiten nicht zu
„groß ſind: doch haben die Geſchiedenen ein Jahr
„Freyheit einander wieder zu nehmen, bevor ſie zur
„zweyten Ehe ſchreiten koͤnnen.‟
Jch bin ſehr mit dieſen Geſetzen zufrieden,
ſprach Chriſtinens Vater zu ſeinem Schwiegerſohne;
aber bey uns, wo der Privatnutzen und der Werth
der Reichthuͤmer alles umkehren, wuͤrden ſie nicht
hinlaͤnglich ſeyn. Nun mein Sohn, es fehlt dir zu
einem groſſen Regenten nichts, als groſſe Staaten.
Jndeß gefaͤllt mir, daß du hier mehr in Sicherheit
biſt, als viele Fuͤrſten in Deutſchland oder in Jtali-
en, deren Staaten tauſendmal weitlaͤuftiger als die
Deinigen ſind. Sie haben nur ein geborgtes An-
ſehn, aber uͤber das Deinige biſt du unbeſchraͤnkter
Herr.
„Jch ſchraͤnke mich nicht auf dieſen Punkt des
Erdballs ein, mein Vater, erwiederte Victorin,
jetzt, da ich mit ihnen ausgeſoͤhnet bin, und das
Gluͤck meiner Gattin und das meinige vollkommen
iſt, geh ich mit noch groͤſſern Gedanken ſchwanger.
Jn einiger Zeit bin ich Willens mit meinem juͤngern
Sohne einen Ausflug nach den Suͤdlaͤndern zu ma-
chen, die von dem durch die ehrgeizigen Europaͤer
entdeckten Lande weit entfernt ſind; und ſind ich denn
da eine Jnſel wie Tinian oder Juan-Fernandez;
ſo ſchaff’ ich meine Kolonie dahin. Da ich nach mei-
ner Entdeckung den kuͤrzeſten Weg nehmen wuͤrde
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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