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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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Würde zugehört. Nach der Abreise des guten Herrn
fragte sie beym ersten ruhigen Augenblicke Victorin
mit Lächeln: Ob denn alles das, was er von den
Südländern und von einer Jnsel Tinian, Fernandez
gesagt, ihm ein Ernst sey?

"Wie Ernst! meine beste Gattin, mein völliger!
ich würde doch deinen Vater nicht belügen."

"Auch du glaubst, daß wir dort glücklicher als
hier seyn werden?"

"Es ist nicht die Rede vom Glück, mein liebes
Weib, das find ich überall wo du bist; sondern der
Ehre und des Nutzens wegen; wir werden ein neues
Volk gründen, das vielleicht einmal berühmt seyn
wird; und wollen ihm Künste und Wissenschaf-
ten gleich so beybringen, daß es sie nicht wieder
verliere."

"Und doch, mein Lieber, fürcht' ich sehr, daß
dieser grosse Plan nicht ganz ausführbar sey, denn
vors erste sagt mir die gesunde Vernunft, daß bey
Errichtung einer grossen Gesellschaft, du auch alle
in der Welt zerstreuten Laster, mit dahin versetzen
mußt, sonst werden deine Bürger bey ihren beschränk-
ten Aussichten und Tugenden der Raub der ersten eu-
ropäischen Nationen, die sie entdecken werden, du
müßtest sie zu Kriegern, das heißt zu Lasterhaften ma-
chen, damit sie nicht Sklaven würden; es würde
der Schiffe zu ihrer Handlung bedürfen; begnügten
sie sich mit den Früchten und den Grenzen ihres Lan-
des, so glaub' ich würden sie nach und nach verwil-

dern.



Wuͤrde zugehoͤrt. Nach der Abreiſe des guten Herrn
fragte ſie beym erſten ruhigen Augenblicke Victorin
mit Laͤcheln: Ob denn alles das, was er von den
Suͤdlaͤndern und von einer Jnſel Tinian, Fernandez
geſagt, ihm ein Ernſt ſey?

„Wie Ernſt! meine beſte Gattin, mein voͤlliger!
ich wuͤrde doch deinen Vater nicht beluͤgen.‟

„Auch du glaubſt, daß wir dort gluͤcklicher als
hier ſeyn werden?‟

„Es iſt nicht die Rede vom Gluͤck, mein liebes
Weib, das find ich uͤberall wo du biſt; ſondern der
Ehre und des Nutzens wegen; wir werden ein neues
Volk gruͤnden, das vielleicht einmal beruͤhmt ſeyn
wird; und wollen ihm Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten gleich ſo beybringen, daß es ſie nicht wieder
verliere.‟

„Und doch, mein Lieber, fuͤrcht’ ich ſehr, daß
dieſer groſſe Plan nicht ganz ausfuͤhrbar ſey, denn
vors erſte ſagt mir die geſunde Vernunft, daß bey
Errichtung einer groſſen Geſellſchaft, du auch alle
in der Welt zerſtreuten Laſter, mit dahin verſetzen
mußt, ſonſt werden deine Buͤrger bey ihren beſchraͤnk-
ten Ausſichten und Tugenden der Raub der erſten eu-
ropaͤiſchen Nationen, die ſie entdecken werden, du
muͤßteſt ſie zu Kriegern, das heißt zu Laſterhaften ma-
chen, damit ſie nicht Sklaven wuͤrden; es wuͤrde
der Schiffe zu ihrer Handlung beduͤrfen; begnuͤgten
ſie ſich mit den Fruͤchten und den Grenzen ihres Lan-
des, ſo glaub’ ich wuͤrden ſie nach und nach verwil-

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[112/0120] Wuͤrde zugehoͤrt. Nach der Abreiſe des guten Herrn fragte ſie beym erſten ruhigen Augenblicke Victorin mit Laͤcheln: Ob denn alles das, was er von den Suͤdlaͤndern und von einer Jnſel Tinian, Fernandez geſagt, ihm ein Ernſt ſey? „Wie Ernſt! meine beſte Gattin, mein voͤlliger! ich wuͤrde doch deinen Vater nicht beluͤgen.‟ „Auch du glaubſt, daß wir dort gluͤcklicher als hier ſeyn werden?‟ „Es iſt nicht die Rede vom Gluͤck, mein liebes Weib, das find ich uͤberall wo du biſt; ſondern der Ehre und des Nutzens wegen; wir werden ein neues Volk gruͤnden, das vielleicht einmal beruͤhmt ſeyn wird; und wollen ihm Kuͤnſte und Wiſſenſchaf- ten gleich ſo beybringen, daß es ſie nicht wieder verliere.‟ „Und doch, mein Lieber, fuͤrcht’ ich ſehr, daß dieſer groſſe Plan nicht ganz ausfuͤhrbar ſey, denn vors erſte ſagt mir die geſunde Vernunft, daß bey Errichtung einer groſſen Geſellſchaft, du auch alle in der Welt zerſtreuten Laſter, mit dahin verſetzen mußt, ſonſt werden deine Buͤrger bey ihren beſchraͤnk- ten Ausſichten und Tugenden der Raub der erſten eu- ropaͤiſchen Nationen, die ſie entdecken werden, du muͤßteſt ſie zu Kriegern, das heißt zu Laſterhaften ma- chen, damit ſie nicht Sklaven wuͤrden; es wuͤrde der Schiffe zu ihrer Handlung beduͤrfen; begnuͤgten ſie ſich mit den Fruͤchten und den Grenzen ihres Lan- des, ſo glaub’ ich wuͤrden ſie nach und nach verwil- dern.

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/120>, abgerufen am 24.11.2024.