Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



leben hauptsächlich von Früchten und fliegenden Fi-
schen. Die erstern pflicken sie von den Bäumen,
die letztern aber saugen sie, indem sie dicht übers
Meer hinfliegen. Anfangs essen sie sich satt, dann
nehmen sie ihre beiden Hände und Füsse voll, und
fliegen damit in ihr Nest. Zuweilen bedienen sie
sich gegen ihre Feinde, die grossen fliegenden Fi-
sche, der Waffen. Diese bestehen aus langen har-
ten und spitzigen Dornen, womit sie dieselben in
der Luft stechen. Jhre Hauptvertheidigung aber
ist die beinerne Nase; dann kommen die Füsse,
welche mit krummen Haaken wie bei den Raubvö-
geln versehen sind. Alle Geschöpfe dieser Jnsel
sind geflügelt, Schöpse, Ziegen, Esel, Pferde,
Hirsche, Hasen, bis auf die Schweine. Alles
fliegt mit mehrerer oder minderer Leichtigkeit. Man
findet bis auf die Schlangen und Frösche nichts,
das nicht wenigstens durch Springen und Hüpfen
flöge. Aber alle stehen dem Menschen sowohl
in der Stärke als Höhe des Fluges nach.

Nachdem die Christinischen Prinzen durch Ver-
mittelung des Kindes das sie liebkoßten, einige
Freundschaft mit den Einwohnern geknüpft, und
durch die geringe Gewalt dieser Vogelmenschen
Muth geschöpft hatten, besahen sie die ganze Jnsel,
und fanden in einem grossen Flusse sogar fliegende
Krokodile und Meerkälber, aber diese bedienten sich
ihrer Flügel nur zu geschwindern Fortkommen, in-
dem sie solche ausstreckten, wenn sie sich verfolgt sa-
hen. Es scheint, daß das Meer auf diesem Erd-

strich
S 4



leben hauptſaͤchlich von Fruͤchten und fliegenden Fi-
ſchen. Die erſtern pflicken ſie von den Baͤumen,
die letztern aber ſaugen ſie, indem ſie dicht uͤbers
Meer hinfliegen. Anfangs eſſen ſie ſich ſatt, dann
nehmen ſie ihre beiden Haͤnde und Fuͤſſe voll, und
fliegen damit in ihr Neſt. Zuweilen bedienen ſie
ſich gegen ihre Feinde, die groſſen fliegenden Fi-
ſche, der Waffen. Dieſe beſtehen aus langen har-
ten und ſpitzigen Dornen, womit ſie dieſelben in
der Luft ſtechen. Jhre Hauptvertheidigung aber
iſt die beinerne Naſe; dann kommen die Fuͤſſe,
welche mit krummen Haaken wie bei den Raubvoͤ-
geln verſehen ſind. Alle Geſchoͤpfe dieſer Jnſel
ſind gefluͤgelt, Schoͤpſe, Ziegen, Eſel, Pferde,
Hirſche, Haſen, bis auf die Schweine. Alles
fliegt mit mehrerer oder minderer Leichtigkeit. Man
findet bis auf die Schlangen und Froͤſche nichts,
das nicht wenigſtens durch Springen und Huͤpfen
floͤge. Aber alle ſtehen dem Menſchen ſowohl
in der Staͤrke als Hoͤhe des Fluges nach.

Nachdem die Chriſtiniſchen Prinzen durch Ver-
mittelung des Kindes das ſie liebkoßten, einige
Freundſchaft mit den Einwohnern geknuͤpft, und
durch die geringe Gewalt dieſer Vogelmenſchen
Muth geſchoͤpft hatten, beſahen ſie die ganze Jnſel,
und fanden in einem groſſen Fluſſe ſogar fliegende
Krokodile und Meerkaͤlber, aber dieſe bedienten ſich
ihrer Fluͤgel nur zu geſchwindern Fortkommen, in-
dem ſie ſolche ausſtreckten, wenn ſie ſich verfolgt ſa-
hen. Es ſcheint, daß das Meer auf dieſem Erd-

ſtrich
S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0287" n="279"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
leben haupt&#x017F;a&#x0364;chlich von Fru&#x0364;chten und fliegenden Fi-<lb/>
&#x017F;chen. Die er&#x017F;tern pflicken &#x017F;ie von den Ba&#x0364;umen,<lb/>
die letztern aber &#x017F;augen &#x017F;ie, indem &#x017F;ie dicht u&#x0364;bers<lb/>
Meer hinfliegen. Anfangs e&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;att, dann<lb/>
nehmen &#x017F;ie ihre beiden Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e voll, und<lb/>
fliegen damit in ihr Ne&#x017F;t. Zuweilen bedienen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich gegen ihre Feinde, die gro&#x017F;&#x017F;en fliegenden Fi-<lb/>
&#x017F;che, der Waffen. Die&#x017F;e be&#x017F;tehen aus langen har-<lb/>
ten und &#x017F;pitzigen Dornen, womit &#x017F;ie die&#x017F;elben in<lb/>
der Luft &#x017F;techen. Jhre Hauptvertheidigung aber<lb/>
i&#x017F;t die beinerne Na&#x017F;e; dann kommen die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche mit krummen Haaken wie bei den Raubvo&#x0364;-<lb/>
geln ver&#x017F;ehen &#x017F;ind. Alle Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe die&#x017F;er Jn&#x017F;el<lb/>
&#x017F;ind geflu&#x0364;gelt, Scho&#x0364;p&#x017F;e, Ziegen, E&#x017F;el, Pferde,<lb/>
Hir&#x017F;che, Ha&#x017F;en, bis auf die Schweine. Alles<lb/>
fliegt mit mehrerer oder minderer Leichtigkeit. Man<lb/>
findet bis auf die Schlangen und Fro&#x0364;&#x017F;che nichts,<lb/>
das nicht wenig&#x017F;tens durch Springen und Hu&#x0364;pfen<lb/>
flo&#x0364;ge. Aber alle &#x017F;tehen dem Men&#x017F;chen &#x017F;owohl<lb/>
in der Sta&#x0364;rke als Ho&#x0364;he des Fluges nach.</p><lb/>
          <p>Nachdem die Chri&#x017F;tini&#x017F;chen Prinzen durch Ver-<lb/>
mittelung des Kindes das &#x017F;ie liebkoßten, einige<lb/>
Freund&#x017F;chaft mit den Einwohnern geknu&#x0364;pft, und<lb/>
durch die geringe Gewalt die&#x017F;er Vogelmen&#x017F;chen<lb/>
Muth ge&#x017F;cho&#x0364;pft hatten, be&#x017F;ahen &#x017F;ie die ganze Jn&#x017F;el,<lb/>
und fanden in einem gro&#x017F;&#x017F;en Flu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ogar fliegende<lb/>
Krokodile und Meerka&#x0364;lber, aber die&#x017F;e bedienten &#x017F;ich<lb/>
ihrer Flu&#x0364;gel nur zu ge&#x017F;chwindern Fortkommen, in-<lb/>
dem &#x017F;ie &#x017F;olche aus&#x017F;treckten, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich verfolgt &#x017F;a-<lb/>
hen. Es &#x017F;cheint, daß das Meer auf die&#x017F;em Erd-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;trich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0287] leben hauptſaͤchlich von Fruͤchten und fliegenden Fi- ſchen. Die erſtern pflicken ſie von den Baͤumen, die letztern aber ſaugen ſie, indem ſie dicht uͤbers Meer hinfliegen. Anfangs eſſen ſie ſich ſatt, dann nehmen ſie ihre beiden Haͤnde und Fuͤſſe voll, und fliegen damit in ihr Neſt. Zuweilen bedienen ſie ſich gegen ihre Feinde, die groſſen fliegenden Fi- ſche, der Waffen. Dieſe beſtehen aus langen har- ten und ſpitzigen Dornen, womit ſie dieſelben in der Luft ſtechen. Jhre Hauptvertheidigung aber iſt die beinerne Naſe; dann kommen die Fuͤſſe, welche mit krummen Haaken wie bei den Raubvoͤ- geln verſehen ſind. Alle Geſchoͤpfe dieſer Jnſel ſind gefluͤgelt, Schoͤpſe, Ziegen, Eſel, Pferde, Hirſche, Haſen, bis auf die Schweine. Alles fliegt mit mehrerer oder minderer Leichtigkeit. Man findet bis auf die Schlangen und Froͤſche nichts, das nicht wenigſtens durch Springen und Huͤpfen floͤge. Aber alle ſtehen dem Menſchen ſowohl in der Staͤrke als Hoͤhe des Fluges nach. Nachdem die Chriſtiniſchen Prinzen durch Ver- mittelung des Kindes das ſie liebkoßten, einige Freundſchaft mit den Einwohnern geknuͤpft, und durch die geringe Gewalt dieſer Vogelmenſchen Muth geſchoͤpft hatten, beſahen ſie die ganze Jnſel, und fanden in einem groſſen Fluſſe ſogar fliegende Krokodile und Meerkaͤlber, aber dieſe bedienten ſich ihrer Fluͤgel nur zu geſchwindern Fortkommen, in- dem ſie ſolche ausſtreckten, wenn ſie ſich verfolgt ſa- hen. Es ſcheint, daß das Meer auf dieſem Erd- ſtrich S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/287
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/287>, abgerufen am 26.11.2024.