Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.behaupten. Sie betrügen sich. Es giebt kein Glück, als in den brüderlichen Banden und in den süßen Gedanken: Niemand beneidet mich: mein Glück kostet keinen Menschen etwas, alle mei- ne Brüder geniessen desselben in gleicher Maasse. ... Ach wie können die vermeinten Glücklichen einer ungleichen Nation, wenn sie Menschen sind, sich vollfressen, indem andern Menschen das Nothdürf- tige fehlt! sich vergnügen, indem andere leiden! sich Zeitvertreib machen, indem andere unter der Arbeit erliegen. Wenn sie gegen dieses alles un- empfindlich sein können, so müssen sie ein zu har- tes Herz für den Genus des Vergnügens haben; sie kennen es nicht, und müssen gar keine Men- schenliebe besitzen; die Empfindung des Mitleids ist bei ihnen erloschen. ... Wir haben in unsrer Nachbarschaft solche ungleiche Völker, nämlich die kleinen Menschen, welche auf der Jnsel O-Taiti und andern kleinen benachbarten Jnseln wohnen. Seit dieser unglücklichen Ungleichheit haben diese Völker gar keine Sitten mehr; sie beschimpfen ihre Weiber, haben elende Geselschaften, wo man die Natur mishandelt ... Aber es wird mir schwer euch von solchen Abscheulichkeiten, die ihr eben so gut als wir kent, zu unterhalten. Nein, erwiederte Hermantin; aber wir sind also
behaupten. Sie betruͤgen ſich. Es giebt kein Gluͤck, als in den bruͤderlichen Banden und in den ſuͤßen Gedanken: Niemand beneidet mich: mein Gluͤck koſtet keinen Menſchen etwas, alle mei- ne Bruͤder genieſſen deſſelben in gleicher Maaſſe. … Ach wie koͤnnen die vermeinten Gluͤcklichen einer ungleichen Nation, wenn ſie Menſchen ſind, ſich vollfreſſen, indem andern Menſchen das Nothduͤrf- tige fehlt! ſich vergnuͤgen, indem andere leiden! ſich Zeitvertreib machen, indem andere unter der Arbeit erliegen. Wenn ſie gegen dieſes alles un- empfindlich ſein koͤnnen, ſo muͤſſen ſie ein zu har- tes Herz fuͤr den Genus des Vergnuͤgens haben; ſie kennen es nicht, und muͤſſen gar keine Men- ſchenliebe beſitzen; die Empfindung des Mitleids iſt bei ihnen erloſchen. … Wir haben in unſrer Nachbarſchaft ſolche ungleiche Voͤlker, naͤmlich die kleinen Menſchen, welche auf der Jnſel O-Taiti und andern kleinen benachbarten Jnſeln wohnen. Seit dieſer ungluͤcklichen Ungleichheit haben dieſe Voͤlker gar keine Sitten mehr; ſie beſchimpfen ihre Weiber, haben elende Geſelſchaften, wo man die Natur mishandelt … Aber es wird mir ſchwer euch von ſolchen Abſcheulichkeiten, die ihr eben ſo gut als wir kent, zu unterhalten. Nein, erwiederte Hermantin; aber wir ſind alſo
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behaupten. Sie betruͤgen ſich. Es giebt kein
Gluͤck, als in den bruͤderlichen Banden und in
den ſuͤßen Gedanken: Niemand beneidet mich:
mein Gluͤck koſtet keinen Menſchen etwas, alle mei-
ne Bruͤder genieſſen deſſelben in gleicher Maaſſe. …
Ach wie koͤnnen die vermeinten Gluͤcklichen einer
ungleichen Nation, wenn ſie Menſchen ſind, ſich
vollfreſſen, indem andern Menſchen das Nothduͤrf-
tige fehlt! ſich vergnuͤgen, indem andere leiden!
ſich Zeitvertreib machen, indem andere unter der
Arbeit erliegen. Wenn ſie gegen dieſes alles un-
empfindlich ſein koͤnnen, ſo muͤſſen ſie ein zu har-
tes Herz fuͤr den Genus des Vergnuͤgens haben;
ſie kennen es nicht, und muͤſſen gar keine Men-
ſchenliebe beſitzen; die Empfindung des Mitleids
iſt bei ihnen erloſchen. … Wir haben in unſrer
Nachbarſchaft ſolche ungleiche Voͤlker, naͤmlich die
kleinen Menſchen, welche auf der Jnſel O-Taiti
und andern kleinen benachbarten Jnſeln wohnen.
Seit dieſer ungluͤcklichen Ungleichheit haben dieſe
Voͤlker gar keine Sitten mehr; ſie beſchimpfen ihre
Weiber, haben elende Geſelſchaften, wo man die
Natur mishandelt … Aber es wird mir ſchwer
euch von ſolchen Abſcheulichkeiten, die ihr eben ſo
gut als wir kent, zu unterhalten.
Nein, erwiederte Hermantin; aber wir ſind
Willens dieſe Jnſeln zu beſuchen, um uns von
allen euren Nachbarn zu unterrichten und ſie ken-
nen zu lernen. Jch muß euch noch eine Frage
vorlegen. Hier iſt einander alles gleich; es giebt
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