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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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also auch keine Ehrenämter? -- O ia; unsre
Alter: Alle Ehrenstellen beruhen aufs Alter und
steigen bis zum letzten Augenblick des Lebens:
Sie fangen mit dem Menschwerden an. Anfangs
wollen sie wenig sagen, weil der Mensch, desto
weniger Untergebene hat, die ihm Achtung schul-
dig wären; ie iünger er an Jahren ist. Diese
Achtung fält niemanden beschwerlich, er sei wer er
wolle. Mit Freuden erweist unsere Jugend viel-
mehr den ältesten an Jahren dieienigen Dienste,
deren sie etwa nöthig haben, weil ihnen der Grund-
satz einmal eingeprägt ist: "Jhr empfangt als
Kinder eures Unvermögens wegen Wartung; euer
rühmlichstes Geschäft sei es, sobald ihr erwachsen
seid, sie zu erwiedern: oder ihr würdet aufhören
eine Gleichheit mit denen zu behaupten, die euch
solche erwiesen haben, sie würden ein unsrer hei-
ligen und kostbaren Gleichheit widriges Recht über
euch erlangen." Man sieht aber auch bei uns
die Kinder nach nichts sehnlicher trachten, als sich
durch nützliche Dienstleistungen auszuzeichnen.
Nachdem sie eben so lange, als die ersten Jahre
ihres Unvermögens dauern, nämlich zehn Jahr,
also gearbeitet haben, so zeigt man ihnen das
Loos der Alten, die als Beobachter aller Pflichten
des Bürgers von iederman geehrt, bedient und
geachtet werden. "Jünglinge, spricht man zu ihnen,
nun müßt ihr euch das Verdienst erwerben, in eurem
Alter so geehrt und bedient zu werden: man hat euch
in eurer Jugend die ersten Dienstleistungen gereicht,
nun liegt es euch, in euren reifern Jahren, ob,

die



alſo auch keine Ehrenaͤmter? — O ia; unſre
Alter: Alle Ehrenſtellen beruhen aufs Alter und
ſteigen bis zum letzten Augenblick des Lebens:
Sie fangen mit dem Menſchwerden an. Anfangs
wollen ſie wenig ſagen, weil der Menſch, deſto
weniger Untergebene hat, die ihm Achtung ſchul-
dig waͤren; ie iuͤnger er an Jahren iſt. Dieſe
Achtung faͤlt niemanden beſchwerlich, er ſei wer er
wolle. Mit Freuden erweiſt unſere Jugend viel-
mehr den aͤlteſten an Jahren dieienigen Dienſte,
deren ſie etwa noͤthig haben, weil ihnen der Grund-
ſatz einmal eingepraͤgt iſt: „Jhr empfangt als
Kinder eures Unvermoͤgens wegen Wartung; euer
ruͤhmlichſtes Geſchaͤft ſei es, ſobald ihr erwachſen
ſeid, ſie zu erwiedern: oder ihr wuͤrdet aufhoͤren
eine Gleichheit mit denen zu behaupten, die euch
ſolche erwieſen haben, ſie wuͤrden ein unſrer hei-
ligen und koſtbaren Gleichheit widriges Recht uͤber
euch erlangen.‟ Man ſieht aber auch bei uns
die Kinder nach nichts ſehnlicher trachten, als ſich
durch nuͤtzliche Dienſtleiſtungen auszuzeichnen.
Nachdem ſie eben ſo lange, als die erſten Jahre
ihres Unvermoͤgens dauern, naͤmlich zehn Jahr,
alſo gearbeitet haben, ſo zeigt man ihnen das
Loos der Alten, die als Beobachter aller Pflichten
des Buͤrgers von iederman geehrt, bedient und
geachtet werden. „Juͤnglinge, ſpricht man zu ihnen,
nun muͤßt ihr euch das Verdienſt erwerben, in eurem
Alter ſo geehrt und bedient zu werden: man hat euch
in eurer Jugend die erſten Dienſtleiſtungen gereicht,
nun liegt es euch, in euren reifern Jahren, ob,

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[320/0328] alſo auch keine Ehrenaͤmter? — O ia; unſre Alter: Alle Ehrenſtellen beruhen aufs Alter und ſteigen bis zum letzten Augenblick des Lebens: Sie fangen mit dem Menſchwerden an. Anfangs wollen ſie wenig ſagen, weil der Menſch, deſto weniger Untergebene hat, die ihm Achtung ſchul- dig waͤren; ie iuͤnger er an Jahren iſt. Dieſe Achtung faͤlt niemanden beſchwerlich, er ſei wer er wolle. Mit Freuden erweiſt unſere Jugend viel- mehr den aͤlteſten an Jahren dieienigen Dienſte, deren ſie etwa noͤthig haben, weil ihnen der Grund- ſatz einmal eingepraͤgt iſt: „Jhr empfangt als Kinder eures Unvermoͤgens wegen Wartung; euer ruͤhmlichſtes Geſchaͤft ſei es, ſobald ihr erwachſen ſeid, ſie zu erwiedern: oder ihr wuͤrdet aufhoͤren eine Gleichheit mit denen zu behaupten, die euch ſolche erwieſen haben, ſie wuͤrden ein unſrer hei- ligen und koſtbaren Gleichheit widriges Recht uͤber euch erlangen.‟ Man ſieht aber auch bei uns die Kinder nach nichts ſehnlicher trachten, als ſich durch nuͤtzliche Dienſtleiſtungen auszuzeichnen. Nachdem ſie eben ſo lange, als die erſten Jahre ihres Unvermoͤgens dauern, naͤmlich zehn Jahr, alſo gearbeitet haben, ſo zeigt man ihnen das Loos der Alten, die als Beobachter aller Pflichten des Buͤrgers von iederman geehrt, bedient und geachtet werden. „Juͤnglinge, ſpricht man zu ihnen, nun muͤßt ihr euch das Verdienſt erwerben, in eurem Alter ſo geehrt und bedient zu werden: man hat euch in eurer Jugend die erſten Dienſtleiſtungen gereicht, nun liegt es euch, in euren reifern Jahren, ob, die

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/328>, abgerufen am 25.11.2024.