die Natur bereitet, die Menschen der nördlichen Gegenden aber verstossen haben, weg, so werden bald alle Laster bei uns, so wie auf der andern Halbkugel, einreissen.
-- Habt ihr Aerzte?
-- Nein! ihre gefährliche, auf blosse Ver- muthungen gegründete Missenschaft ist, wie Ma- gie und Aberglaube, bei uns verbant. Aerzte kön- nen nur bei lasterhaften Nationen Statt finden, welche nöthig haben, in ihren Ausschweifungen eingeschläfert zu werden; Aber der Wundarzt ist geehrt und wir haben ihm einen Namen gegeben, welcher alle die Achtung ausdrückt, die wir die- ser göttlichen Wissenschaft erzeigen; wir nennen ihn Ruesefer-Taana, Ausbesserer der Menschen, Moe-Essahr*), Tod-Veriager. Nichts ist bei uns geehrt, was sich nicht durch Zuverlässig- keit und Nutzen empfiehlt.
Unterrichtet mich doch, Sohn des weisesten und ehrwürdigsten Alten, von euren Begriffen von den Grundsätzen der Moral? Diese sind sehr ein- fach: alle unangenehmen Empfindungen zu ver- meiden; alles was rechtmässig gefält zu vereini- gen, ohne die Organe zu erschlaffen und kraftlos
zu
*) Diese Wörter sind aus denen beiden unter den Megapatagonen üblichen Sprachen zusammenge- setzt.
d. fl. Mensch. Y
die Natur bereitet, die Menſchen der noͤrdlichen Gegenden aber verſtoſſen haben, weg, ſo werden bald alle Laſter bei uns, ſo wie auf der andern Halbkugel, einreiſſen.
— Habt ihr Aerzte?
— Nein! ihre gefaͤhrliche, auf bloſſe Ver- muthungen gegruͤndete Miſſenſchaft iſt, wie Ma- gie und Aberglaube, bei uns verbant. Aerzte koͤn- nen nur bei laſterhaften Nationen Statt finden, welche noͤthig haben, in ihren Ausſchweifungen eingeſchlaͤfert zu werden; Aber der Wundarzt iſt geehrt und wir haben ihm einen Namen gegeben, welcher alle die Achtung ausdruͤckt, die wir die- ſer goͤttlichen Wiſſenſchaft erzeigen; wir nennen ihn Ruesefer-Taâna, Ausbeſſerer der Menſchen, Moé-Eſſahr*), Tod-Veriager. Nichts iſt bei uns geehrt, was ſich nicht durch Zuverlaͤſſig- keit und Nutzen empfiehlt.
Unterrichtet mich doch, Sohn des weiſeſten und ehrwuͤrdigſten Alten, von euren Begriffen von den Grundſaͤtzen der Moral? Dieſe ſind ſehr ein- fach: alle unangenehmen Empfindungen zu ver- meiden; alles was rechtmaͤſſig gefaͤlt zu vereini- gen, ohne die Organe zu erſchlaffen und kraftlos
zu
*) Dieſe Woͤrter ſind aus denen beiden unter den Megapatagonen uͤblichen Sprachen zuſammenge- ſetzt.
d. fl. Menſch. Y
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0345"n="337"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
die Natur bereitet, die Menſchen der noͤrdlichen<lb/>
Gegenden aber verſtoſſen haben, weg, ſo werden<lb/>
bald alle Laſter bei uns, ſo wie auf der andern<lb/>
Halbkugel, einreiſſen.</p><lb/><p>— Habt ihr Aerzte?</p><lb/><p>— Nein! ihre gefaͤhrliche, auf bloſſe Ver-<lb/>
muthungen gegruͤndete Miſſenſchaft iſt, wie Ma-<lb/>
gie und Aberglaube, bei uns verbant. Aerzte koͤn-<lb/>
nen nur bei laſterhaften Nationen Statt finden,<lb/>
welche noͤthig haben, in ihren Ausſchweifungen<lb/>
eingeſchlaͤfert zu werden; Aber der Wundarzt iſt<lb/>
geehrt und wir haben ihm einen Namen gegeben,<lb/>
welcher alle die Achtung ausdruͤckt, die wir die-<lb/>ſer goͤttlichen Wiſſenſchaft erzeigen; wir nennen ihn<lb/><hirendition="#fr">Ruesefer-Taâna,</hi> Ausbeſſerer der Menſchen,<lb/><hirendition="#fr">Moé-Eſſahr</hi><noteplace="foot"n="*)">Dieſe Woͤrter ſind aus denen beiden unter den<lb/>
Megapatagonen uͤblichen Sprachen zuſammenge-<lb/>ſetzt.</note>, Tod-Veriager. Nichts iſt<lb/>
bei uns geehrt, was ſich nicht durch Zuverlaͤſſig-<lb/>
keit und Nutzen empfiehlt.</p><lb/><p>Unterrichtet mich doch, Sohn des weiſeſten<lb/>
und ehrwuͤrdigſten Alten, von euren Begriffen von<lb/>
den Grundſaͤtzen der Moral? Dieſe ſind ſehr ein-<lb/>
fach: alle unangenehmen Empfindungen zu ver-<lb/>
meiden; alles was rechtmaͤſſig gefaͤlt zu vereini-<lb/>
gen, ohne die Organe zu erſchlaffen und kraftlos<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">d. fl. Menſch.</hi> Y</fw><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[337/0345]
die Natur bereitet, die Menſchen der noͤrdlichen
Gegenden aber verſtoſſen haben, weg, ſo werden
bald alle Laſter bei uns, ſo wie auf der andern
Halbkugel, einreiſſen.
— Habt ihr Aerzte?
— Nein! ihre gefaͤhrliche, auf bloſſe Ver-
muthungen gegruͤndete Miſſenſchaft iſt, wie Ma-
gie und Aberglaube, bei uns verbant. Aerzte koͤn-
nen nur bei laſterhaften Nationen Statt finden,
welche noͤthig haben, in ihren Ausſchweifungen
eingeſchlaͤfert zu werden; Aber der Wundarzt iſt
geehrt und wir haben ihm einen Namen gegeben,
welcher alle die Achtung ausdruͤckt, die wir die-
ſer goͤttlichen Wiſſenſchaft erzeigen; wir nennen ihn
Ruesefer-Taâna, Ausbeſſerer der Menſchen,
Moé-Eſſahr *), Tod-Veriager. Nichts iſt
bei uns geehrt, was ſich nicht durch Zuverlaͤſſig-
keit und Nutzen empfiehlt.
Unterrichtet mich doch, Sohn des weiſeſten
und ehrwuͤrdigſten Alten, von euren Begriffen von
den Grundſaͤtzen der Moral? Dieſe ſind ſehr ein-
fach: alle unangenehmen Empfindungen zu ver-
meiden; alles was rechtmaͤſſig gefaͤlt zu vereini-
gen, ohne die Organe zu erſchlaffen und kraftlos
zu
*) Dieſe Woͤrter ſind aus denen beiden unter den
Megapatagonen uͤblichen Sprachen zuſammenge-
ſetzt.
d. fl. Menſch. Y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/345>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.