Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



send und abertausend zärtliche Sachen vor. Jndeß
wenn sie an ihre Trennung, und an die Gefahren, in
die ihr Gemahl gerathen könnte, dachte, ließ sie ihn
sein Versprechen erneuern, nicht eher abzureisen, bis
sie es selbst zu wünschen schiene. Nach diesen Verab-
redungen verliessen die beyden Eheleute mit ihren Kin-
dern die Grotte und machten einen kleinen Spazier-
gang, angenehmer, als sie ihn noch je mit einander
gemacht hatten. Vor ihren Leuten beschlossen sie al-
les geheim zu halten, und da sie glücklich waren, sie
in ihrer Verfassung zu lassen.

Würklich waren diese guten Leute, nämlich der
Bauer und seine Käthe, der Schuster und die Köchin;
der Schneider und die Nätherin; der Sekretär-Bar-
bier und die Kammerfrau, die Vezinier und ihre
Tochter mit dem Manne, welchen Victorin dieser letz-
tern gegeben hatte, der ein dicker Mauersetzer und gu-
ter Mäurer war -- der Geistliche mit seiner Haus-
hälterinn, alle diese befanden sich in einer angeneh-
men Lage: sie lebten in Ueberfluß und Vergnügungen,
hatten wenig Arbeit und ohne Aufhören neuen Zeit-
vertreib, einen artigen Aufenthalt, fürtrefliche Luft
und gute Nahrung. Zum Vergnügen beschäftigten
sie sich mit dem Gartenbau, und um den Vorwürfen
des Feldarbeiters zu entgehn, auch mit der Abwartung
des Weinbergs. Dieser hatte für seinen Theil zwar
die meiste Arbeit, er ward aber auch dafür von allen
den übrigen gepflegt; man brachte ihn Milch, Früchte,
Sallat, den er sehr gerne aß, Eyer und besonders
Wein, so bald der Weinberg welchen zu tragen an-

fing.
F 3



ſend und abertauſend zaͤrtliche Sachen vor. Jndeß
wenn ſie an ihre Trennung, und an die Gefahren, in
die ihr Gemahl gerathen koͤnnte, dachte, ließ ſie ihn
ſein Verſprechen erneuern, nicht eher abzureiſen, bis
ſie es ſelbſt zu wuͤnſchen ſchiene. Nach dieſen Verab-
redungen verlieſſen die beyden Eheleute mit ihren Kin-
dern die Grotte und machten einen kleinen Spazier-
gang, angenehmer, als ſie ihn noch je mit einander
gemacht hatten. Vor ihren Leuten beſchloſſen ſie al-
les geheim zu halten, und da ſie gluͤcklich waren, ſie
in ihrer Verfaſſung zu laſſen.

Wuͤrklich waren dieſe guten Leute, naͤmlich der
Bauer und ſeine Kaͤthe, der Schuſter und die Koͤchin;
der Schneider und die Naͤtherin; der Sekretaͤr-Bar-
bier und die Kammerfrau, die Vezinier und ihre
Tochter mit dem Manne, welchen Victorin dieſer letz-
tern gegeben hatte, der ein dicker Mauerſetzer und gu-
ter Maͤurer war — der Geiſtliche mit ſeiner Haus-
haͤlterinn, alle dieſe befanden ſich in einer angeneh-
men Lage: ſie lebten in Ueberfluß und Vergnuͤgungen,
hatten wenig Arbeit und ohne Aufhoͤren neuen Zeit-
vertreib, einen artigen Aufenthalt, fuͤrtrefliche Luft
und gute Nahrung. Zum Vergnuͤgen beſchaͤftigten
ſie ſich mit dem Gartenbau, und um den Vorwuͤrfen
des Feldarbeiters zu entgehn, auch mit der Abwartung
des Weinbergs. Dieſer hatte fuͤr ſeinen Theil zwar
die meiſte Arbeit, er ward aber auch dafuͤr von allen
den uͤbrigen gepflegt; man brachte ihn Milch, Fruͤchte,
Sallat, den er ſehr gerne aß, Eyer und beſonders
Wein, ſo bald der Weinberg welchen zu tragen an-

fing.
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="85"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;end und abertau&#x017F;end za&#x0364;rtliche Sachen vor. Jndeß<lb/>
wenn &#x017F;ie an ihre Trennung, und an die Gefahren, in<lb/>
die ihr Gemahl gerathen ko&#x0364;nnte, dachte, ließ &#x017F;ie ihn<lb/>
&#x017F;ein Ver&#x017F;prechen erneuern, nicht eher abzurei&#x017F;en, bis<lb/>
&#x017F;ie es &#x017F;elb&#x017F;t zu wu&#x0364;n&#x017F;chen &#x017F;chiene. Nach die&#x017F;en Verab-<lb/>
redungen verlie&#x017F;&#x017F;en die beyden Eheleute mit ihren Kin-<lb/>
dern die Grotte und machten einen kleinen Spazier-<lb/>
gang, angenehmer, als &#x017F;ie ihn noch je mit einander<lb/>
gemacht hatten. Vor ihren Leuten be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie al-<lb/>
les geheim zu halten, und da &#x017F;ie glu&#x0364;cklich waren, &#x017F;ie<lb/>
in ihrer Verfa&#x017F;&#x017F;ung zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Wu&#x0364;rklich waren die&#x017F;e guten Leute, na&#x0364;mlich der<lb/>
Bauer und &#x017F;eine Ka&#x0364;the, der Schu&#x017F;ter und die Ko&#x0364;chin;<lb/>
der Schneider und die Na&#x0364;therin; der Sekreta&#x0364;r-Bar-<lb/>
bier und die Kammerfrau, die Vezinier und ihre<lb/>
Tochter mit dem Manne, welchen Victorin die&#x017F;er letz-<lb/>
tern gegeben hatte, der ein dicker Mauer&#x017F;etzer und gu-<lb/>
ter Ma&#x0364;urer war &#x2014; der Gei&#x017F;tliche mit &#x017F;einer Haus-<lb/>
ha&#x0364;lterinn, alle die&#x017F;e befanden &#x017F;ich in einer angeneh-<lb/>
men Lage: &#x017F;ie lebten in Ueberfluß und Vergnu&#x0364;gungen,<lb/>
hatten wenig Arbeit und ohne Aufho&#x0364;ren neuen Zeit-<lb/>
vertreib, einen artigen Aufenthalt, fu&#x0364;rtrefliche Luft<lb/>
und gute Nahrung. Zum Vergnu&#x0364;gen be&#x017F;cha&#x0364;ftigten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich mit dem Gartenbau, und um den Vorwu&#x0364;rfen<lb/>
des Feldarbeiters zu entgehn, auch mit der Abwartung<lb/>
des Weinbergs. Die&#x017F;er hatte fu&#x0364;r &#x017F;einen Theil zwar<lb/>
die mei&#x017F;te Arbeit, er ward aber auch dafu&#x0364;r von allen<lb/>
den u&#x0364;brigen gepflegt; man brachte ihn Milch, Fru&#x0364;chte,<lb/>
Sallat, den er &#x017F;ehr gerne aß, Eyer und be&#x017F;onders<lb/>
Wein, &#x017F;o bald der Weinberg welchen zu tragen an-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">fing.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0093] ſend und abertauſend zaͤrtliche Sachen vor. Jndeß wenn ſie an ihre Trennung, und an die Gefahren, in die ihr Gemahl gerathen koͤnnte, dachte, ließ ſie ihn ſein Verſprechen erneuern, nicht eher abzureiſen, bis ſie es ſelbſt zu wuͤnſchen ſchiene. Nach dieſen Verab- redungen verlieſſen die beyden Eheleute mit ihren Kin- dern die Grotte und machten einen kleinen Spazier- gang, angenehmer, als ſie ihn noch je mit einander gemacht hatten. Vor ihren Leuten beſchloſſen ſie al- les geheim zu halten, und da ſie gluͤcklich waren, ſie in ihrer Verfaſſung zu laſſen. Wuͤrklich waren dieſe guten Leute, naͤmlich der Bauer und ſeine Kaͤthe, der Schuſter und die Koͤchin; der Schneider und die Naͤtherin; der Sekretaͤr-Bar- bier und die Kammerfrau, die Vezinier und ihre Tochter mit dem Manne, welchen Victorin dieſer letz- tern gegeben hatte, der ein dicker Mauerſetzer und gu- ter Maͤurer war — der Geiſtliche mit ſeiner Haus- haͤlterinn, alle dieſe befanden ſich in einer angeneh- men Lage: ſie lebten in Ueberfluß und Vergnuͤgungen, hatten wenig Arbeit und ohne Aufhoͤren neuen Zeit- vertreib, einen artigen Aufenthalt, fuͤrtrefliche Luft und gute Nahrung. Zum Vergnuͤgen beſchaͤftigten ſie ſich mit dem Gartenbau, und um den Vorwuͤrfen des Feldarbeiters zu entgehn, auch mit der Abwartung des Weinbergs. Dieſer hatte fuͤr ſeinen Theil zwar die meiſte Arbeit, er ward aber auch dafuͤr von allen den uͤbrigen gepflegt; man brachte ihn Milch, Fruͤchte, Sallat, den er ſehr gerne aß, Eyer und beſonders Wein, ſo bald der Weinberg welchen zu tragen an- fing. F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/93
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/93>, abgerufen am 23.11.2024.