[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.der Clarissa. verhärten schiene. Sie suchte mich darüber lächer-lich zu machen, daß ich mich ihrer Meinung nach in Herrn Lovelacen verliebt hätte. Sie wunder- te sich, daß die witzige, die kluge, die gehorsah- me die gott - - - see - - - lige Clärchen, (das letzte Beywort konnte sie so spöttisch ziehen) sich in einen so liederlichen Bösewicht so sterblich verliebt hät- te, daß ihre Eltern sie einsperren müßten, damit sie nicht mit ihm davon gienge. Jch darff euch doch wol fragen, Schwester, wie ihr jetzt eure Eintheilung der Stunden des Tages beobachtet? wie viel Stunden unter vier und zwantzigen ihr nä- het? wie viel ihr GOtt widmet? wie viel ihr zum Brieff-Schreiben anwendet? und wie viele zu der Liebe? Jch fürchte ich fürchte, mein kleines liebes Ding, die Liebe st bey dir wie Aharons Stab, und verschlinget das übrige alles. Jst es nicht so? sagt es mir doch. Jch antwortete: es sey für mich eine doppelte zu
der Clariſſa. verhaͤrten ſchiene. Sie ſuchte mich daruͤber laͤcher-lich zu machen, daß ich mich ihrer Meinung nach in Herrn Lovelacen verliebt haͤtte. Sie wunder- te ſich, daß die witzige, die kluge, die gehorſah- me die gott ‒ ‒ ‒ ſee ‒ ‒ ‒ lige Claͤrchen, (das letzte Beywort konnte ſie ſo ſpoͤttiſch ziehen) ſich in einen ſo liederlichen Boͤſewicht ſo ſterblich verliebt haͤt- te, daß ihre Eltern ſie einſperren muͤßten, damit ſie nicht mit ihm davon gienge. Jch darff euch doch wol fragen, Schweſter, wie ihr jetzt eure Eintheilung der Stunden des Tages beobachtet? wie viel Stunden unter vier und zwantzigen ihr naͤ- het? wie viel ihr GOtt widmet? wie viel ihr zum Brieff-Schreiben anwendet? und wie viele zu der Liebe? Jch fuͤrchte ich fuͤrchte, mein kleines liebes Ding, die Liebe ſt bey dir wie Aharons Stab, und verſchlinget das uͤbrige alles. Jſt es nicht ſo? ſagt es mir doch. Jch antwortete: es ſey fuͤr mich eine doppelte zu
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der Clariſſa.
verhaͤrten ſchiene. Sie ſuchte mich daruͤber laͤcher-
lich zu machen, daß ich mich ihrer Meinung nach
in Herrn Lovelacen verliebt haͤtte. Sie wunder-
te ſich, daß die witzige, die kluge, die gehorſah-
me die gott ‒ ‒ ‒ ſee ‒ ‒ ‒ lige Claͤrchen, (das letzte
Beywort konnte ſie ſo ſpoͤttiſch ziehen) ſich in einen
ſo liederlichen Boͤſewicht ſo ſterblich verliebt haͤt-
te, daß ihre Eltern ſie einſperren muͤßten, damit
ſie nicht mit ihm davon gienge. Jch darff euch
doch wol fragen, Schweſter, wie ihr jetzt eure
Eintheilung der Stunden des Tages beobachtet?
wie viel Stunden unter vier und zwantzigen ihr naͤ-
het? wie viel ihr GOtt widmet? wie viel ihr zum
Brieff-Schreiben anwendet? und wie viele zu
der Liebe? Jch fuͤrchte ich fuͤrchte, mein kleines
liebes Ding, die Liebe ſt bey dir wie Aharons Stab,
und verſchlinget das uͤbrige alles. Jſt es nicht
ſo? ſagt es mir doch.
Jch antwortete: es ſey fuͤr mich eine doppelte
Kraͤnckung daß ich einem Manne, dem ich kei-
nen Danck ſchuldig ſeyn wollte, meine Sicherheit
vor dem Zorn meines Vaters zu dancken haͤtte.
Jch ſuchte hierauf die ehrliche Frau Norton zu
entſchuldigen; und das that ich mit ſolchem Eifer,
als ihre Verdienſte es erforderten. Mit gleicher
Hefftigkeit beantwortete ich ihre ungeziemenden
Schmaͤhungen, damit ſie mich in Abſicht auf Herrn
Lsvelace belegte. Was die Eintheilung meiner
Stunden anlangt, ſo ſagte ich, es wuͤrde ſich
beßer fuͤr ſie geſchickt haben, mit einer ungluͤckli-
chen Schweſter Mittleiden zu haben, als uͤber ſie
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