Jch antwortete: ich wünschte, daß ich die Ent- schuldigung für mich gebrauchen könnte, die sie hätte. Mein Zorn, und nicht das was ich gesagt hätte, sey strafbar. Jch glaubte, sie hätte noch eine Absicht, deswegen sie mich besuchte, die sie mir aber noch nicht gesagt hätte. Sie sollte mir nur sagen, ob sie etwas auszurichten hätte, darein ich willigen könnte, und dadurch meine eintzige Schwester widerum meine Freundin werden könnte.
Als sie vorhin meine Sanftmuth lächerlich zu machen suchte, antwortete ich ihr, ob ich mich gleich nach dem Ruhm der Sanftmuth und De- muth bestrebte, so verlangte ich doch nicht für niederträchtig und kriechend angesehen zu wer- den. Sie erinnerte mich dessen jetzt wider auf ei- ne spöttische Weise.
Jch sagte: ihr Spaaß sey mir zwar angeneh- mer, als wenn ich sie zornig sehen müßte; allein ich wünschte doch den eigentlichen Endzweck ih- res Besuchs zu wissen, der bisher noch so wenig freundschaftlich zu seyn schiene.
Sie verlangte in aller Nahmen zu wissen, ob ich nachgeben wollte, oder nicht? Ein Wort für zehn! meine Anverwanten brauchen gegen ein so unartiges Mädchen nicht unendliche Geduld zu haben.
Jch sagte: so viel wollte ich thun: ich wollte gäntzlich mit demjenigen brechen, gegen den sie alle einen so gesetzten Widerwillen hätten; allein unter der Bedingung, daß mir weder Solmes
noch
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der Clariſſa.
Jch antwortete: ich wuͤnſchte, daß ich die Ent- ſchuldigung fuͤr mich gebrauchen koͤnnte, die ſie haͤtte. Mein Zorn, und nicht das was ich geſagt haͤtte, ſey ſtrafbar. Jch glaubte, ſie haͤtte noch eine Abſicht, deswegen ſie mich beſuchte, die ſie mir aber noch nicht geſagt haͤtte. Sie ſollte mir nur ſagen, ob ſie etwas auszurichten haͤtte, darein ich willigen koͤnnte, und dadurch meine eintzige Schweſter widerum meine Freundin werden koͤnnte.
Als ſie vorhin meine Sanftmuth laͤcherlich zu machen ſuchte, antwortete ich ihr, ob ich mich gleich nach dem Ruhm der Sanftmuth und De- muth beſtrebte, ſo verlangte ich doch nicht fuͤr niedertraͤchtig und kriechend angeſehen zu wer- den. Sie erinnerte mich deſſen jetzt wider auf ei- ne ſpoͤttiſche Weiſe.
Jch ſagte: ihr Spaaß ſey mir zwar angeneh- mer, als wenn ich ſie zornig ſehen muͤßte; allein ich wuͤnſchte doch den eigentlichen Endzweck ih- res Beſuchs zu wiſſen, der bisher noch ſo wenig freundſchaftlich zu ſeyn ſchiene.
Sie verlangte in aller Nahmen zu wiſſen, ob ich nachgeben wollte, oder nicht? Ein Wort fuͤr zehn! meine Anverwanten brauchen gegen ein ſo unartiges Maͤdchen nicht unendliche Geduld zu haben.
Jch ſagte: ſo viel wollte ich thun: ich wollte gaͤntzlich mit demjenigen brechen, gegen den ſie alle einen ſo geſetzten Widerwillen haͤtten; allein unter der Bedingung, daß mir weder Solmes
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der Clariſſa.
Jch antwortete: ich wuͤnſchte, daß ich die Ent-
ſchuldigung fuͤr mich gebrauchen koͤnnte, die ſie
haͤtte. Mein Zorn, und nicht das was ich geſagt
haͤtte, ſey ſtrafbar. Jch glaubte, ſie haͤtte noch
eine Abſicht, deswegen ſie mich beſuchte, die ſie
mir aber noch nicht geſagt haͤtte. Sie ſollte mir
nur ſagen, ob ſie etwas auszurichten haͤtte, darein
ich willigen koͤnnte, und dadurch meine eintzige
Schweſter widerum meine Freundin werden
koͤnnte.
Als ſie vorhin meine Sanftmuth laͤcherlich zu
machen ſuchte, antwortete ich ihr, ob ich mich
gleich nach dem Ruhm der Sanftmuth und De-
muth beſtrebte, ſo verlangte ich doch nicht fuͤr
niedertraͤchtig und kriechend angeſehen zu wer-
den. Sie erinnerte mich deſſen jetzt wider auf ei-
ne ſpoͤttiſche Weiſe.
Jch ſagte: ihr Spaaß ſey mir zwar angeneh-
mer, als wenn ich ſie zornig ſehen muͤßte; allein
ich wuͤnſchte doch den eigentlichen Endzweck ih-
res Beſuchs zu wiſſen, der bisher noch ſo wenig
freundſchaftlich zu ſeyn ſchiene.
Sie verlangte in aller Nahmen zu wiſſen, ob
ich nachgeben wollte, oder nicht? Ein Wort fuͤr
zehn! meine Anverwanten brauchen gegen ein ſo
unartiges Maͤdchen nicht unendliche Geduld zu
haben.
Jch ſagte: ſo viel wollte ich thun: ich wollte
gaͤntzlich mit demjenigen brechen, gegen den ſie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/503>, abgerufen am 21.11.2024.
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