wird alles, was uns angehen kann, mit ihnen überlegt. Destoweniger ist es zu verwundern, daß sie bey dieser Gelegenheit, da Herr Lovelace ent- schlossen ist, in unserm Hause einen freundschaftli- chen Besuch abzulegen, (ich fürchte, er wird sich auf Feindschaft endigen) zu Rathe gezogen wer- den, ob ich Erlaubniß haben solle, Sie zu besuchen.
Hören Sie denn, was bey der mir öffentlich gegebenen Erlaubniß vorgegangen ist: ob ich gleich weiß, daß Jhnen diese Nachricht wenig zuneigung und Hochachtung gegen meinen Bruder erwecken werde. Allein hiefür kann ich nicht: ich selbst bin nun auf ihn böse. Ueber dieses ist es nöthig, daß Sie die Bedingungen wissen, unter welchen mir erlaubt ist, Jhr Gast zu seyn.
So bald ich in den Saal trat, sagte meine Mutter: Clärchen, deine Bitte, die Fräulein Howe auf einige Tage zu besuchen, ist in Ueberle- gung gezogen, und zugestanden worden.
Gauz wider meine Neigung/ muß ich sa- gen, brach mein Bruder heraus, ehe sie aus- geredet hatte.
Mein Sohn Jacob! sagte mein Vater mit einer krausen Stirn.
Er ließ sich dieses nicht anfechten. Er trägt den Arm noch in einer Binde; und gebraucht sich oft der niederträchtigen List, auf diese Binde zu sehen, so bald etwas vorkommt, das einigermas- sen zu Herrn Lovelaces Vortheil gedeutet wer-
den,
der Clariſſa.
wird alles, was uns angehen kann, mit ihnen uͤberlegt. Deſtoweniger iſt es zu verwundern, daß ſie bey dieſer Gelegenheit, da Herr Lovelace ent- ſchloſſen iſt, in unſerm Hauſe einen freundſchaftli- chen Beſuch abzulegen, (ich fuͤrchte, er wird ſich auf Feindſchaft endigen) zu Rathe gezogen wer- den, ob ich Erlaubniß haben ſolle, Sie zu beſuchen.
Hoͤren Sie denn, was bey der mir oͤffentlich gegebenen Erlaubniß vorgegangen iſt: ob ich gleich weiß, daß Jhnen dieſe Nachricht wenig zuneigung und Hochachtung gegen meinen Bruder erwecken werde. Allein hiefuͤr kann ich nicht: ich ſelbſt bin nun auf ihn boͤſe. Ueber dieſes iſt es noͤthig, daß Sie die Bedingungen wiſſen, unter welchen mir erlaubt iſt, Jhr Gaſt zu ſeyn.
So bald ich in den Saal trat, ſagte meine Mutter: Claͤrchen, deine Bitte, die Fraͤulein Howe auf einige Tage zu beſuchen, iſt in Ueberle- gung gezogen, und zugeſtanden worden.
Gauz wider meine Neigung/ muß ich ſa- gen, brach mein Bruder heraus, ehe ſie aus- geredet hatte.
Mein Sohn Jacob! ſagte mein Vater mit einer krauſen Stirn.
Er ließ ſich dieſes nicht anfechten. Er traͤgt den Arm noch in einer Binde; und gebraucht ſich oft der niedertraͤchtigen Liſt, auf dieſe Binde zu ſehen, ſo bald etwas vorkommt, das einigermaſ- ſen zu Herrn Lovelaces Vortheil gedeutet wer-
den,
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0077"n="57"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
wird alles, was uns angehen kann, mit ihnen<lb/>
uͤberlegt. Deſtoweniger iſt es zu verwundern, daß<lb/>ſie bey dieſer Gelegenheit, da Herr L<hirendition="#fr">ovelace</hi> ent-<lb/>ſchloſſen iſt, in unſerm Hauſe einen freundſchaftli-<lb/>
chen Beſuch abzulegen, (ich fuͤrchte, er wird ſich<lb/>
auf Feindſchaft endigen) zu Rathe gezogen wer-<lb/>
den, ob ich Erlaubniß haben ſolle, Sie zu beſuchen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Hoͤren Sie denn, was bey der mir oͤffentlich<lb/>
gegebenen Erlaubniß vorgegangen iſt: ob ich<lb/>
gleich weiß, daß Jhnen dieſe Nachricht wenig<lb/>
zuneigung und Hochachtung gegen meinen<lb/>
Bruder erwecken werde. Allein hiefuͤr kann<lb/>
ich nicht: ich ſelbſt bin nun auf ihn boͤſe. Ueber<lb/>
dieſes iſt es noͤthig, daß Sie die Bedingungen<lb/>
wiſſen, unter welchen mir erlaubt iſt, Jhr Gaſt<lb/>
zu ſeyn.</p><lb/><p>So bald ich in den Saal trat, ſagte meine<lb/>
Mutter: <hirendition="#fr">Claͤrchen,</hi> deine Bitte, die Fraͤulein<lb/><hirendition="#fr">Howe</hi> auf einige Tage zu beſuchen, iſt in Ueberle-<lb/>
gung gezogen, und zugeſtanden worden.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Gauz wider meine Neigung/ muß ich ſa-<lb/>
gen,</hi> brach mein Bruder heraus, ehe ſie aus-<lb/>
geredet hatte.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Mein Sohn Jacob!</hi>ſagte mein Vater<lb/>
mit einer krauſen Stirn.</p><lb/><p>Er ließ ſich dieſes nicht anfechten. Er traͤgt<lb/>
den Arm noch in einer Binde; und gebraucht ſich<lb/>
oft der niedertraͤchtigen Liſt, auf dieſe Binde zu<lb/>ſehen, ſo bald etwas vorkommt, das einigermaſ-<lb/>ſen zu Herrn L<hirendition="#fr">ovelaces</hi> Vortheil gedeutet wer-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[57/0077]
der Clariſſa.
wird alles, was uns angehen kann, mit ihnen
uͤberlegt. Deſtoweniger iſt es zu verwundern, daß
ſie bey dieſer Gelegenheit, da Herr Lovelace ent-
ſchloſſen iſt, in unſerm Hauſe einen freundſchaftli-
chen Beſuch abzulegen, (ich fuͤrchte, er wird ſich
auf Feindſchaft endigen) zu Rathe gezogen wer-
den, ob ich Erlaubniß haben ſolle, Sie zu beſuchen.
Hoͤren Sie denn, was bey der mir oͤffentlich
gegebenen Erlaubniß vorgegangen iſt: ob ich
gleich weiß, daß Jhnen dieſe Nachricht wenig
zuneigung und Hochachtung gegen meinen
Bruder erwecken werde. Allein hiefuͤr kann
ich nicht: ich ſelbſt bin nun auf ihn boͤſe. Ueber
dieſes iſt es noͤthig, daß Sie die Bedingungen
wiſſen, unter welchen mir erlaubt iſt, Jhr Gaſt
zu ſeyn.
So bald ich in den Saal trat, ſagte meine
Mutter: Claͤrchen, deine Bitte, die Fraͤulein
Howe auf einige Tage zu beſuchen, iſt in Ueberle-
gung gezogen, und zugeſtanden worden.
Gauz wider meine Neigung/ muß ich ſa-
gen, brach mein Bruder heraus, ehe ſie aus-
geredet hatte.
Mein Sohn Jacob! ſagte mein Vater
mit einer krauſen Stirn.
Er ließ ſich dieſes nicht anfechten. Er traͤgt
den Arm noch in einer Binde; und gebraucht ſich
oft der niedertraͤchtigen Liſt, auf dieſe Binde zu
ſehen, ſo bald etwas vorkommt, das einigermaſ-
ſen zu Herrn Lovelaces Vortheil gedeutet wer-
den,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/77>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.