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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
den, oder auf eine Aussöhnung mit ihm abzielen
kann. So verbiete man denn, sprach er, dem
Mädgen
(in seinem Munde bin ich sehr oft das
Mädgen) den liederlichen Kerl zu sprechen.

Niemand redete.

Er nahm ihr Stillschweigen für eine Billigung
seiner Worte an, und fuhr fort: Hört ihr, Schwe-
ster Clärchen? Jhr sollt keinen Besuch von des
Lord M. Vetter annehmen!

Das Stillschweigen der übrigen währete noch.

Merckt ihr, Fräulein, was euch erlaubt ist?
fragte er.

Jch antwortete: ich würde mich freuen, wenn
ich mercken könnte, daß ihr mein Bruder seyd;
und wenn ihr mercken wolltet, daß ihr weiter
nichts als mein Bruder seyd.

Er hub beyde Hände auf, und sagte auf eine
spöttische Weise: o die verliebte Seele!

Jch sagte zu meinem Vater: ich beruffe mich
hier auf Jhre Billigkeit. Habe ich dergleichen Re-
den verdient, so schonen Sie meiner nicht. Soll
ich aber wegen der Heftigkeit Rechenschaft geben - -

Nicht weiter! nicht weiter von beyden Seiten!
sagte mein Vater. Du sollst keinen Besuch von
Lovelace annehmen! Wiewohl - - Und du
sollst keine empfindlichen Reden gegen deine
Schwester gebrauchen. Sie ist mein liebes Kind.

Jch habe weiter nichts zu sagen, versetzte er:
aber meiner Schwester Ehre und die Ehre der gan-
tzen Familie liegt mir am Hertzen.

Und hieraus entstehen eure unbrüderlichen
Stiche? antwortete ich.

Die Geſchichte
den, oder auf eine Ausſoͤhnung mit ihm abzielen
kann. So verbiete man denn, ſprach er, dem
Maͤdgen
(in ſeinem Munde bin ich ſehr oft das
Maͤdgen) den liederlichen Kerl zu ſprechen.

Niemand redete.

Er nahm ihr Stillſchweigen fuͤr eine Billigung
ſeiner Worte an, und fuhr fort: Hoͤrt ihr, Schwe-
ſter Claͤrchen? Jhr ſollt keinen Beſuch von des
Lord M. Vetter annehmen!

Das Stillſchweigen der uͤbrigen waͤhrete noch.

Merckt ihr, Fraͤulein, was euch erlaubt iſt?
fragte er.

Jch antwortete: ich wuͤrde mich freuen, wenn
ich mercken koͤnnte, daß ihr mein Bruder ſeyd;
und wenn ihr mercken wolltet, daß ihr weiter
nichts als mein Bruder ſeyd.

Er hub beyde Haͤnde auf, und ſagte auf eine
ſpoͤttiſche Weiſe: o die verliebte Seele!

Jch ſagte zu meinem Vater: ich beruffe mich
hier auf Jhre Billigkeit. Habe ich dergleichen Re-
den verdient, ſo ſchonen Sie meiner nicht. Soll
ich aber wegen der Heftigkeit Rechenſchaft geben ‒ ‒

Nicht weiter! nicht weiter von beyden Seiten!
ſagte mein Vater. Du ſollſt keinen Beſuch von
Lovelace annehmen! Wiewohl ‒ ‒ Und du
ſollſt keine empfindlichen Reden gegen deine
Schweſter gebrauchen. Sie iſt mein liebes Kind.

Jch habe weiter nichts zu ſagen, verſetzte er:
aber meiner Schweſter Ehre und die Ehre der gan-
tzen Familie liegt mir am Hertzen.

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Stiche? antwortete ich.

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[58/0078] Die Geſchichte den, oder auf eine Ausſoͤhnung mit ihm abzielen kann. So verbiete man denn, ſprach er, dem Maͤdgen (in ſeinem Munde bin ich ſehr oft das Maͤdgen) den liederlichen Kerl zu ſprechen. Niemand redete. Er nahm ihr Stillſchweigen fuͤr eine Billigung ſeiner Worte an, und fuhr fort: Hoͤrt ihr, Schwe- ſter Claͤrchen? Jhr ſollt keinen Beſuch von des Lord M. Vetter annehmen! Das Stillſchweigen der uͤbrigen waͤhrete noch. Merckt ihr, Fraͤulein, was euch erlaubt iſt? fragte er. Jch antwortete: ich wuͤrde mich freuen, wenn ich mercken koͤnnte, daß ihr mein Bruder ſeyd; und wenn ihr mercken wolltet, daß ihr weiter nichts als mein Bruder ſeyd. Er hub beyde Haͤnde auf, und ſagte auf eine ſpoͤttiſche Weiſe: o die verliebte Seele! Jch ſagte zu meinem Vater: ich beruffe mich hier auf Jhre Billigkeit. Habe ich dergleichen Re- den verdient, ſo ſchonen Sie meiner nicht. Soll ich aber wegen der Heftigkeit Rechenſchaft geben ‒ ‒ Nicht weiter! nicht weiter von beyden Seiten! ſagte mein Vater. Du ſollſt keinen Beſuch von Lovelace annehmen! Wiewohl ‒ ‒ Und du ſollſt keine empfindlichen Reden gegen deine Schweſter gebrauchen. Sie iſt mein liebes Kind. Jch habe weiter nichts zu ſagen, verſetzte er: aber meiner Schweſter Ehre und die Ehre der gan- tzen Familie liegt mir am Hertzen. Und hieraus entſtehen eure unbruͤderlichen Stiche? antwortete ich.

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/78>, abgerufen am 27.11.2024.