Vorstellungen etwas auszurichten: denn bey ih- nen fallen die Ursachen weg, die meine Geschwi- ster haben, mich zu einer Heyrath zu zwingen. Jch widerspreche ihnen jetzund weniger, und spare al- les, was ich zu sagen habe, auf eine Unterredung mit meinem Vater allein, wenn er mich anders ge- duldig anhören will. Wie schwer wird es mir, eine abschlägige Antwort zu geben, da beydes Pflicht und Hertz machen, daß ich wünsche meine Eltern, durch Gehorsam zu erfreuen!
Dreymal habe ich schon einen Besuch auf meiner Stube von diesem Mann ausstehen müs- sen, ausser dem, daß ich bey seinem Besuch, damit er meine Eltern beehrt, auch gegenwärtig bin. Er ist mir aber schlechterdings unerträglich. Er hat nur nach Mundes-Maasse Verstand: artige Wissenschaften und Belesenheit hat er gar nicht: er weiß nichts, als wie viel seine Güter einbringen, und wie man sie besser nützen könnte, und was sonst zur Haushaltung und zu dem Landwesen ge- hört. Allein ich weiß nicht, wie ich bin! ich kom- me mir gantz tumm und betäubt vor. Man hat den Anfang gemacht, mir so hart zu begegnen, daß ich kaum das Hertz habe, auf der abschlägigen Antwort zu bestehen, die ich doch geben muß.
Es scheint, sie haben sich bemühet die gute Frau Norton auf ihrer Seite zu bringen, ehe ich nach Hause gekommen bin: so sehr sind sie auf alle Mittel bedacht, die Sache durchzutreiben. Da aber Frau Norton nicht so gesinnet war, wie sie es wünschten, so sagten sie zu ihr sie würde
wohl
Die Geſchichte
Vorſtellungen etwas auszurichten: denn bey ih- nen fallen die Urſachen weg, die meine Geſchwi- ſter haben, mich zu einer Heyrath zu zwingen. Jch widerſpreche ihnen jetzund weniger, und ſpare al- les, was ich zu ſagen habe, auf eine Unterredung mit meinem Vater allein, wenn er mich anders ge- duldig anhoͤren will. Wie ſchwer wird es mir, eine abſchlaͤgige Antwort zu geben, da beydes Pflicht und Hertz machen, daß ich wuͤnſche meine Eltern, durch Gehorſam zu erfreuen!
Dreymal habe ich ſchon einen Beſuch auf meiner Stube von dieſem Mann ausſtehen muͤſ- ſen, auſſer dem, daß ich bey ſeinem Beſuch, damit er meine Eltern beehrt, auch gegenwaͤrtig bin. Er iſt mir aber ſchlechterdings unertraͤglich. Er hat nur nach Mundes-Maaſſe Verſtand: artige Wiſſenſchaften und Beleſenheit hat er gar nicht: er weiß nichts, als wie viel ſeine Guͤter einbringen, und wie man ſie beſſer nuͤtzen koͤnnte, und was ſonſt zur Haushaltung und zu dem Landweſen ge- hoͤrt. Allein ich weiß nicht, wie ich bin! ich kom- me mir gantz tumm und betaͤubt vor. Man hat den Anfang gemacht, mir ſo hart zu begegnen, daß ich kaum das Hertz habe, auf der abſchlaͤgigen Antwort zu beſtehen, die ich doch geben muß.
Es ſcheint, ſie haben ſich bemuͤhet die gute Frau Norton auf ihrer Seite zu bringen, ehe ich nach Hauſe gekommen bin: ſo ſehr ſind ſie auf alle Mittel bedacht, die Sache durchzutreiben. Da aber Frau Norton nicht ſo geſinnet war, wie ſie es wuͤnſchten, ſo ſagten ſie zu ihr ſie wuͤrde
wohl
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Die Geſchichte
Vorſtellungen etwas auszurichten: denn bey ih-
nen fallen die Urſachen weg, die meine Geſchwi-
ſter haben, mich zu einer Heyrath zu zwingen. Jch
widerſpreche ihnen jetzund weniger, und ſpare al-
les, was ich zu ſagen habe, auf eine Unterredung
mit meinem Vater allein, wenn er mich anders ge-
duldig anhoͤren will. Wie ſchwer wird es mir,
eine abſchlaͤgige Antwort zu geben, da beydes
Pflicht und Hertz machen, daß ich wuͤnſche meine
Eltern, durch Gehorſam zu erfreuen!
Dreymal habe ich ſchon einen Beſuch auf
meiner Stube von dieſem Mann ausſtehen muͤſ-
ſen, auſſer dem, daß ich bey ſeinem Beſuch, damit
er meine Eltern beehrt, auch gegenwaͤrtig bin. Er
iſt mir aber ſchlechterdings unertraͤglich. Er hat
nur nach Mundes-Maaſſe Verſtand: artige
Wiſſenſchaften und Beleſenheit hat er gar nicht:
er weiß nichts, als wie viel ſeine Guͤter einbringen,
und wie man ſie beſſer nuͤtzen koͤnnte, und was
ſonſt zur Haushaltung und zu dem Landweſen ge-
hoͤrt. Allein ich weiß nicht, wie ich bin! ich kom-
me mir gantz tumm und betaͤubt vor. Man hat
den Anfang gemacht, mir ſo hart zu begegnen, daß
ich kaum das Hertz habe, auf der abſchlaͤgigen
Antwort zu beſtehen, die ich doch geben muß.
Es ſcheint, ſie haben ſich bemuͤhet die gute
Frau Norton auf ihrer Seite zu bringen, ehe ich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/92>, abgerufen am 23.11.2024.
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